UFS RV/0158-I/07

UFSRV/0158-I/0717.12.2007

Zustellungsvollmacht eines Rechtsanwaltes

 

Entscheidungstext

Bescheid

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültigen Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 7. September 2006 betreffend Grunderwerbsteuer entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 273 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Mit Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 3.9./5.10.2001 erwarben die Berufungswerberin und ihr Ehegatte, Rechtsanwalt Dr. X., von der Y.GmbH insgesamt 269/1286 Anteile an der Liegenschaft EZ xxx um einen Kaufpreis von 1,255.000 S. Im Vertrag ist festgehalten, dass die Verkäuferseite auf dieser Liegenschaft eine Wohnanlage mit Tiefgarage baue und die Käuferseite beabsichtige, dort "im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ein Reihenhaus zu errichten" (Punkt V.1. des Vertrages). Verkäuferseite und Käuferseite räumten sich wechselseitig Wohnungseigentum ein (Punkt V.3 des Vertrages).

Mit gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufigem Bescheid vom 14. Dezember 2001 schrieb das Finanzamt der Berufungswerberin, ausgehend von einer Gegenleistung von 627.500 S, Grunderwerbsteuer vor.

In den Jahren 2005/2006 nahm das Finanzamt bei der Verkäuferin eine Außenprüfung vor, die unter anderem die Grunderwerbsteuer für den Zeitraum 2001 bis 2004 zum Gegenstand hatte. Im Prüfungsbericht vom 6. September 2006 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass der Berufungswerberin und ihrem Ehegatten bezüglich des Reihenhauses Top 1 keine Bauherreneigenschaft zukomme, weshalb die (geschätzten) Baukosten des Reihenhauses in die Bemessungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen seien.

Im Zuge der Außenprüfung hatte Rechtsanwalt Dr. X. im eigenen Namen wie auch im Namen der Berufungswerberin am 19. Juli 2006 einen Schriftsatz beim Finanzamt eingebracht, in welchem er einleitend mitteilte, dass ihm die Berufungswerberin schriftlich eine allgemeine Vertretungsvollmacht erteilt habe, auf welche sich der einschreitende Vertreter gemäß § 8 Abs. 1 RAO berufe.

Mit gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültigem Bescheid vom 7. September 2006 wurde der Berufungswerberin Grunderwerbsteuer von einer Gegenleistung von 213.011,34 € (2,931.100 S) vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde der Berufungswerberin persönlich zugestellt.

Die dagegen erhobene Berufung, die sich gegen die Einbeziehung der Baukosten des Reihenhauses in die Steuerbemessungsgrundlage richtet, wurde wiederum von Rechtsanwalt Dr. X. in Vertretung der Berufungswerberin eingebracht.

Die Rechtsanwaltsvollmacht schließt grundsätzlich eine Zustellungsvollmacht mit ein. Dies gilt auch im Abgabenverfahren, sofern und solange nicht eine ausdrückliche Einschränkung erfolgt (siehe auch Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, Anm. 25 zu § 83 und Anm. 8 zu § 103, Stand 1.2.2005). Nach Ritz, Bundesabgabenordnung, 3. Auflage, Tz 21 zu § 9 ZustG und Tz 17 zu § 83, sei die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine allgemeine Vollmacht auch die Empfangnahme von Schriftstücken umfasst, seit der Neufassung des § 9 ZustG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 nicht mehr anwendbar, weil eine Zustellvollmacht danach "ausdrücklich" erteilt sein muss (anderer Ansicht offenkundig Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, aaO). Im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes gilt zudem die Spezialbestimmung des § 8 Abs. 1 zweiter Satz RAO, wonach die Berufung auf die Bevollmächtigung vor allen Gerichten und Behörden deren urkundlichen Nachweis ersetzt. § 8 Abs. 1 RAO hat durch die Novellierung des ZustG mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 keine Änderung erfahren. Beruft sich ein Rechtsanwalt unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 RAO ausdrücklich (und ohne Einschränkung) auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, wird damit auch die Zustellungsbevollmächtigung gegenüber der Behörde zum Ausdruck gebracht (so im Ergebnis auch Seywald, UFS aktuell 2004, 332).

Danach hätte der Bescheid vom 7. September 2006 an den anwaltlichen Vertreter der Berufungswerberin zugestellt werden müssen. Mit der Zustellung an die Berufungswerberin konnte er keine Rechtswirksamkeit erlangen. Selbst wenn dieser Bescheid in der Folge dem anwaltlichen Vertreter tatsächlich (im Original) zugekommen sein sollte, wäre er damit nicht rechtswirksam geworden: Die Möglichkeit einer Heilung des Zustellmangels in dem Zeitpunkt, in dem ein Schriftstück dem (zu Unrecht nicht als Empfänger bezeichneten) Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt (vgl. § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004), wurde durch die Novelle mit Wirkung ab 1. März 2004 beseitigt (VwGH 16.11.2005, 2005/12/0229; VwGH 20.12.2005, 2005/04/0063).

Die Berufung gegen den mangels Zustellung rechtlich unwirksamen (und damit rechtlich nicht existent gewordenen) Bescheid war somit als unzulässig zurückzuweisen.

Innsbruck, am 17. Dezember 2007

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 273 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 8 Abs. 1 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868

Schlagworte:

Zustellvollmacht, Empfänger, Rechtsanwalt, Zustellmangel

Stichworte