UFS RV/1261-W/07

UFSRV/1261-W/0727.6.2007

Bei Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes liegt keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0086 eingebracht. Mit Erk. v. 2007 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 29. März 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 21/22 vom 28. Februar 2007 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom 21. Februar 2007 stellte der Berufungswerber (Bw.) den Antrag, einen Abgabenbetrag in Höhe von € 69.511,91 gemäß § 236 BAO nachzusehen.

Der Bw. schulde diesen steuerlichen Nachforderungsbetrag an Umsatz- und Einkommensteuer aus den Jahren 1999 bis 2002, zu dem es gekommen sei, da der Bw. unter Zuhilfenahme dritter Personen als Werbematerialverteiler selbständig tätig gewesen sei, wobei die Einnahmen weit hinter seinen Annahmen zurückgeblieben seien und diese gerade zur Abdeckung der anfallenden Kosten ausgereicht hätten.

Wegen des steuerlichen Nachforderungsbetrages sei der Bw. am 3. Februar 2006 vom Spruchsenat beim Finanzamt 1/23 zu einer Geldstrafe von € 28.000,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 56 Tagen verurteilt worden. Als mildernd sei dem Bw. sein Geständnis, seine bisherige auch finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit und seine geschäftliche Unerfahrenheit zu Gute gehalten worden, als erschwerend sei kein Umstand angefallen.

Der Bw. sei für zwei Kinder sorgepflichtig und verdiene als Verkäufer in dem in der N-Straße etablierten Naturkostladen monatlich € 700,00 netto. Er besitze weder Ersparnisse noch ein Vermögen. Er sei gesundheitlich schwer beeinträchtigt. Er leide an diastolisch betonter Hypertonie mit Neigung zu krisenhaften RR-Entgleisungen und tachykarden Anfällen, die ihn zum Ertragen von physisch und psychisch belastenden Situationen unfähig mache, sowie an extrem überhöhten Gamma-GT, sowie Cholesterin- und Triglycerinwerten, die ihn zum Hochrisikopatienten machen würden.

Der Bw. werde aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich niemals die Möglichkeit haben, ein höheres als das derzeitige Einkommen zu erzielen. Es stehe daher außer jedem Zweifel, dass der Bw. niemals in der Lage sein werde, den steuerlichen Nachforderungsbetrag oder die Geldstrafe zu bezahlen. Da er praktisch nur das Existenzminimum für sich und seine Familie verdiene und seine Einkommenssituation aufgrund seiner beeinträchtigten Gesundheit nicht verbessern könne, seien Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos.

Die Voraussetzungen einer amtswegigen Löschung der Abgabenschuldigkeit des Bw. gemäß § 235 Abs. 1 BAO lägen sohin vor.

Darüber hinaus sei die Einhebung der Abgabenschuld nach der Lage des Falles unbillig, so dass auch die Nachsichtsvoraussetzungen des § 236 Abs. 1 BAO gegeben seien.

Persönliche Unbilligkeit liege vor, weil dem Bw. die Bezahlung der steuerlichen Nachforderung wirtschaftlich unmöglich sei und behördliche Einbringungsmaßnahmen, die im Hinblick darauf erkennbar ohne jede Erfolgsaussicht seien, sich wegen des schwer beeinträchtigten Gesundheitszustandes des Bw., der keinerlei psychischer Belastung ausgesetzt werden dürfe, letztlich nur als Quälerei des schwerkranken Bw. darstellen würden und seine ohnedies bereits schwer geschädigte Gesundheit völlig unnütz noch weiter gefährden oder gar verschlechtern würden.

Sachliche Unbilligkeit liege vor, weil sich der Bw. durch sein steuerunehrliches Verhalten nicht im Mindesten bereichert habe, zumal die gegenständliche Abgabennachforderung nur auf seine wirtschaftliche Ungeschicklichkeit und Fehleinschätzung gegebener Erwerbsmöglichkeiten zurückzuführen sei, so dass ein wirtschaftlicher Vorteil des Bw., der durch die Einbringung der steuerlichen Nachforderung ausgeglichen werden müsste, nicht bestehe.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab und führte zur Begründung nach Zitierung des § 236 BAO im Wesentlichen aus, dass eine Abgabennachsicht zu keiner wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Bw. oder gar zu dessen Sanierung führen würde.

Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einzelfalles sei nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege, durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt würden.

Eine Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO bzw. eine Abschreibung (Löschung) gemäß § 235 Abs. 1 BAO sei eine amtswegige Maßnahme des Finanzamtes, die ergriffen werde, wenn die Behörde zur Annahme gelange, dass zur Zeit die Einbringungsmaßnahmen erfolglos seien, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen könnten.

In der dagegen eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, dass im Nachsichtsantrag wesentlich auf den schwer beeinträchtigten Gesundheitszustand des Bw. (diastolisch betonte Hypertonie mit Neigung zu krisenhaften RR-Entgleisungen und tachykarden Anfällen, die ihn zum Ertragen von psychisch und physisch belasteten Situationen unfähig mache, extrem überhöhte Gamma-GT, sowie Cholesterin- und Triglycerinwerte, die den Bw. zum Hochrisikopatienten machen würden) und die zu dessen Nachweis vorgelegte Atteste gestützt worden sei.

Die Behörde erster Instanz habe in ihrer Bescheidbegründung den Gesundheitszustand des Bw. und dessen Zusammenhang mit der von § 236 BAO normierten Einhebungsunbilligkeit mit Stillschweigen übergangen und auch über den Beweisantrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Bw. nicht entschieden. Die geltend gemachten Verfahrensmängel seien relevant, weil die Behörde erster Instanz zu einer anderen, für den Bw. günstigeren Sachentscheidung hätte gelangen können, zumal eine Einbeziehung des Gesundheitszustandes des Bw. in die behördlichen Erwägungen diese zur Annahme des Vorliegens einer Einhebungsunbilligkeit hätte führen müssen.

Da der Bw. für zwei Kinder sorgepflichtig sei und auf Grund seines beeinträchtigten Gesundheitszustandes niemals mehr die Möglichkeit haben werde, ein höheres als sein derzeitiges Einkommen von € 700,00 monatlich zu verdienen, wäre die Einhebung nach der Lage des Falles rechtlich sehr wohl unbillig, was die Behörde erster Instanz verkannt habe.

Auf Grund des Gesundheitszustandes des Bw. und dessen praktischer Vollinvalidität in Verbindung mit den äußerst eingeschränkten Verdienstmöglichkeiten des Abgabepflichtigen stehe es außer Zweifel, dass dieser niemals in der Lage sein werde, die verfahrensgegenständliche Abgabenschuld zu bezahlen. Da das nicht steigerbare Einkommen des Bw., auch ohne Berücksichtigung seiner derzeitigen Sorgepflichten, jedenfalls unter dem Existenzminimum liege, bzw. liegen würde, und daher gemäß §§ 8 Abs. 2, 29 Abs. 1 Z 5, 53 AbgEO iVm. § 291a Abs. 1 EO und § 293 Abs. 1 lit.a ASVG auf unabsehbare Zeit unpfändbar sei, seien auch Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos und es könne auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen würden. Die Voraussetzungen des § 235 BAO lägen daher vor.

Es werde daher der Antrag gestellt, die beantragte Nachsicht zu gewähren, allenfalls die angeregte Abschreibung der verfahrensgegenständlichen Abgabenschuld durch Löschung zu verfügen, bzw. den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Abgabenrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.

Eine "sachliche" Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.3.1996, 92/13/0291) eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Der Bw. begründet sein Nachsichtsansuchen im Wesentlichen mit seinem schlechten Gesundheitszustand sowie mit seinem geringen Einkommen.

Grundsätzlich kommen als Unbilligkeitsgründe (§ 236 BAO) für die Einbringung von Steuerrückständen nur Umstände in Betracht, die die Einhebung betreffen. Krankheit oder andere persönliche Schicksale können mit der Einbringung einer Abgabenschuld aber nur insoweit erfolgreich in Zusammenhang gebracht werden, als die Entrichtung der Abgabenschuld durch sie erschwert wird. Eine solche Belastung ist regelmäßig nur bei schlechter wirtschaftlicher Lage des Nachsichtswerbers anzunehmen, die maßgeblich durch Krankheit oder andere persönliche Schicksale mitverursacht ist (VwGH 6.2.1990, 89/14/0285; VwGH 4.4.1989, 88/14/0245).

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die schlechte wirtschaftliche Lage des Bw. durch seine Krankheiten zumindest mitverursacht wird.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass eine Nachsicht auf die Abgabeneinhebung abstellt, denn dem Wortlaut des § 236 BAO zufolge ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Nachsichtsgewährung. § 236 BAO hat somit zur Voraussetzung, dass eine Einhebung der Abgabenschuldigkeiten prinzipiell möglich wäre.

Dahingehend hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (z.B. VwGH 10.5.2001, 2001/15/0033) dargetan, dass bei Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht vorliegt.

Der Bw. hat nun selbst dargetan, dass sein Einkommen unter dem Existenzminimum liegt und er auch sonst über keinerlei Vermögen verfügt. Diesem Umstand hat das Finanzamt dahingehend Rechnung getragen, dass ein Betrag in Höhe von € 68.594,78, bestehend aus den aushaftenden Umsatzsteuernachforderungen der Jahre 1999 bis 2002, der Einkommensteuernachforderungen 2000 und 2001 - und den Nebengebühren, gemäß § 231 Abs. 1 BAO von der Einbringung ausgesetzt hat.

Da es infolge der vom Bw. zum Ausdruck gebrachten Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bzw. der verfügten Maßnahme gemäß § 231 BAO zu keinerlei Auswirkungen der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage kommen kann, liegt im Hinblick auf die obigen Ausführungen keine Unbilligkeit (weder persönliche noch sachliche) im Sinne des § 236 BAO vor.

Bei dieser Sachlage sind Ausführungen zum Vorbringen des Bw. bezüglich der sachlichen Unbilligkeit entbehrlich.

Der Vollständigkeit halber wird festgestellt, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich die Nachsicht gemäß § 236 BAO zum Gegenstand hatte. Im Übrigen besteht auf eine Löschung von Abgabenschuldigkeiten nach § 235 BAO kein Rechtsanspruch (vgl. Ritz2, BAO-Kommentar, Tz 2 zu § 235).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 27. Juni 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Uneinbringlichkeit, Krankheit

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