Anforderungen an die Begründung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 BAO
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Grazer Treuhand Steuerberatung GmbH & Partner KEG, 8010 Graz, Petersgasse 128a, vom 13. September 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 14. August 2006 betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2004 und Einkommensteuer 2004 entschieden:
Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2004 wird Folge gegeben. Der Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2004 wird als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2004 vom 10. Oktober 2005 ua. Krankheitskosten (KZ 730) in Höhe von 11.287,14 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 11. Oktober 2005 wurden diese Krankheitskosten - nach Abzug eines Selbstbehaltes in Höhe von 6.425,49 Euro - berücksichtigt.
Mit Vorhalt des Finanzamtes vom 16. Juni 2006 wurde der Bw. ersucht, die erklärten Krankheitskosten belegmäßig nachzuweisen.
Im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung vom 21. Juli 2006 übermittelte der Bw. dem Finanzamt eine Aufstellung der beantragten Krankheitskosten - in Höhe von (nunmehr) 11.311,54 Euro - samt Belegkopien.
Mit Bescheid vom 14. August 2006 hob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 11. Oktober 2005 gemäß § 299 BAO auf. Die Bescheidbegründung lautet wie folgt:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Im (neuen) Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. August 2006 berücksichtigte das Finanzamt dann nur mehr Krankheitskosten in Höhe von 6.163,89 Euro, wobei diese den Selbstbehalt in Höhe von 6.425,49 Euro allerdings nicht mehr überstiegen. Laut Bescheidbegründung würden lediglich die Kosten für Zahnarzt, Medikamente und dgl. steuerlich anerkannt. Die weiters beantragten "Kurkosten" würden hingegen keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstellen.
In der Berufung vom 13. September 2006 gegen den o.a. Aufhebungsbescheid und den o.a. Sachbescheid führte der Bw. näher aus, weshalb die von ihm geltend gemachten Krankheitskosten ("Kurkosten") in Höhe von 11.311,54 Euro sehr wohl eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, und beantragte die Aufhebung des Aufhebungsbescheides sowie die entsprechende Berichtigung des Sachbescheides.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 15. März 2007 betreffend Einkommensteuer 2004 (eine Berufungsvorentscheidung betreffend Bescheidaufhebung hinsichtlich Einkommensteuer 2004 ist offenbar nicht ergangen) vertrat das Finanzamt im Wesentlichen die Auffassung, dass es sich bei den strittigen Beträgen nicht um Krankheitskosten ("Kurkosten") iSd § 34 EStG 1988 , sondern lediglich um übliche Erholungskosten bzw. Kosten für Urlaubsreisen handle.
Dem widersprach der Bw. nochmals ausführlich im Vorlageantrag vom 16. April 2007.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Aufhebungsbescheid
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Gemäß § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Gemäß § 299 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.
§ 299 BAO gestattet Aufhebungen demnach also nur dann, wenn der Bescheid sich als nicht richtig erweist. Der Inhalt eines Bescheides ist dann nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht (vgl. Ritz, BAO3, § 299 Tz 9f).
Die Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde; dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung auf Antrag der Partei oder von Amts wegen erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt. Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen und erfordern eine Abwägung der ermessensrelevanten Umstände (vgl. § 20 BAO). Diese Abwägung ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Aufhebungsbescheides darzustellen (vgl. Ritz, BAO3, § 299 Tz 52f; Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003, 240).
Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen (vgl. Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003, 240). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH müssen in der Bescheidbegründung von Aufhebungsbescheiden die Aufhebungsgründe enthalten sein (vgl. VwGH 2.7.1998, 98/16/0105). Gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO haben Bescheide eine Begründung zu enthalten, sofern sie von Amts wegen oder auf Grund eines Parteienanbringens erlassen werden, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Erst die Begründung macht den Bescheid für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar. Die Bescheidbegründung ist daher für einen effizienten Rechtsschutz des Abgabepflichtigen von grundlegender Bedeutung (vgl. Ritz, BAO3, § 93 Tz 10). Die Begründung hat außerdem die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (vgl. VwGH 29.9.1993, 92/13/0102).
Ausgehend von dieser Rechtslage wird Folgendes festgestellt:
Der berufungsgegenständliche Aufhebungsbescheid wurde begründet wie folgt:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Damit ist aber nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates das Erfordernis einer ausreichenden Begründung zweifellos nicht erfüllt, ist doch in dieser "Begründung" keinerlei sachliches Vorbringen des Finanzamtes, sondern lediglich eine wortwörtliche Wiedergabe jener gesetzlichen Bestimmungen, welche die Zulässigkeit einer amtswegigen Aufhebung an sich normieren, enthalten. Aus der vorliegenden "Begründung" kann sohin nicht entnommen werden, auf Grund welcher Umstände im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung verwirklicht worden wären und welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente die Abgabenbehörde zu der streitgegenständlichen Aufhebung berechtigt hätten. Außerdem fehlt hier auch die Darstellung der Überlegungen des Finanzamtes zur Ermessensübung (der Vollständigkeit halber wird allerdings bemerkt, dass der Begründungsmangel hinsichtlich der Ermessensübung für sich allein als nicht wesentlich gilt und für sich allein auch nicht zur Bescheidaufhebung geführt hätte; vgl. Stoll, BAO, 2944).
Wenn aber der als Aufhebungsgrund herangezogene Sachverhalt im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides nicht festgestellt wird, ist auch nicht überprüfbar, ob der vom Finanzamt herangezogene Aufhebungstatbestand die Bescheidaufhebung rechtfertigt oder ob die Bescheidaufhebung rechtswidrig erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall kann übrigens auch die Begründung des Sachbescheides vom 14. August 2006 die mangelhafte Begründung des Aufhebungsbescheides nicht sanieren, enthält letztere doch keinerlei Hin- bzw. Verweis auf erstere. Fehlt aber ein derartiger Hin- bzw. Verweis im Aufhebungsbescheid, so ist die Begründung des Sachbescheides auch nicht Bestandteil der Begründung des Aufhebungsbescheides.
Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates stellt das bloße Zitieren des Gesetzeswortlautes ohne Darlegung des die Aufhebung begründenden konkreten Sachverhaltes somit keine ausreichende Begründung für das konkrete Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO dar.
Der Aufhebungsbescheid ist daher mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet. Dieser Begründungsmangel ist im Berufungsverfahren nicht sanierbar, denn im Berufungsverfahren dürfen nur jene Aufhebungsgründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt sind, bzw. darf die Berufungsbehörde eine Bescheidaufhebung nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht herangezogen hat (vgl. UFS 7.6.2006, RV/0815-W/06; 10.10.2006, RV/0557-I/06; 7.12.2006, RV/0247-F/06).
Der Berufung gegen den Aufhebungsbescheid ist also stattzugeben, und dieser ist ersatzlos aufzuheben, womit es sich erübrigt, hier auch noch auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen.
2. Sachbescheid
Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.
Nicht zulässig ist eine Berufung ua. bei Beseitigung des angefochtenen Bescheides aus dem Rechtsbestand (vgl. Ritz, BAO3, § 273 Tz 2 und 6).
Wie bereits erwähnt, tritt durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) das Verfahren gemäß § 299 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass mit dem Aufhebungsbescheid (vgl. Punkt 1.) ex lege auch der mit ihm verbundene Sachbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheidet (vgl. Ritz, BAO3, § 299 Tz 62).
Die Berufung gegen den aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen Einkommensteuerbescheid ist daher als unzulässig (geworden) zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO3, § 273 Tz 2 und 6).
Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 5. Juni 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Bescheidaufhebung, Begründung |