UFS RV/0274-I/07

UFSRV/0274-I/0716.5.2007

Aufhebung Erbschaftssteuerbescheid wg. Verfassungswidrigkeit der Z 1 des § 1 Abs. 1 ErbStG (Anlassfall)

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des W, Adr, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 9. August 2001 betreffend Erbschaftssteuer im fortgesetzten Verfahren entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Laut Nachlassabhandlung nach der am 22. Juli 2000 verstorbenen Ehegattin des W (= Berufungswerber, Bw) waren an Nachlassaktiva neben 3 Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen, Girokonten- und Sparbuchguthaben ua. eine Kaufpreisforderung im Betrag von S 2,700.000 verzeichnet. Dieser Kaufpreisforderung lag ein Kaufvertrag vom 3. Juli 2000 über den Verkauf von Liegenschaftsanteilen durch die Erblasserin zugrunde, wonach der Kaufpreis von S 2,700.000 treuhändig beim Vertragsverfasser erlegt und nach rechtskräftiger lastenfreier Eigentumseinverleibung auszuzahlen ist. Laut Vertrag ist der Treuhanderlag endbesteuert. Der Reinnachlass wurde in Höhe von S 3,387.952,66 ermittelt.

Das Finanzamt hat daraufhin dem Bw als Erben mit Bescheid vom 9. August 2001, StrNr, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von (gerundet) S 2,502.920, dies unter Einbeziehung der Kaufpreisforderung von S 2,7 Mio. als sonstige Forderung, gemäß § 8 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 1955/141 idgF, (Stkl. I) eine 8%ige Erbschaftssteuer im Betrag von S 200.234 = € 14.551,57 vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde Bescheidaufhebung und Neufestsetzung der Erbschaftssteuer beantragt und eingewendet, die Einbeziehung des Kaufpreises von S 2,7 Mio. für den rund 3 Wochen vor dem Todestag von der Erblasserin veräußerten Liegenschaftsanteil entspreche nicht dem Gesetz. Der Kaufpreis sei auf ein endbesteuertes Treuhandkonto erlegt worden; es handle sich damit um ein endbesteuertes und somit von der Erbschaftssteuer befreites Bankguthaben.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hatte der UFS mit Bescheid vom 13. Juni 2003, RV/0273-I/02, die Berufung ebenso als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, mit Abschluss des Kaufvertrages sei keine "Forderung" auf Zahlung eines auf dem Treuhandkonto endbesteuert erliegenden Vermögens entstanden. Zum Todeszeitpunkt (Stichtagsprinzip) sei kein konkret bestehendes endbesteuertes Vermögen vorhanden gewesen.

Nach Abtretung der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof, hatte dieser mit Beschluss vom 25. Jänner 2007 beim VfGH beantragt, im Beschwerdefall des Bw (vormals zu Zl. 2004/16/0143) den Grundtatbestand zur Erbschaftssteuer nach § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG ("1. der Erwerb von Todes wegen") als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 7. März 2007, G 54/06-15 u.a., hat der VfGH auch aus Anlass des Beschwerdefalles des Bw die Ziffer 1 des § 1 Abs. 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben. Demzufolge hat der VwGH mit Erkenntnis vom 29. März 2007, 2007/16/0038 (vormals 2004/16/0143) die in Beschwerde gezogene Berufungsentscheidung des UFS vom 13. Juni 2003, RV/0273-I/02, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Das als verfassungswidrig aufgehobene Gesetz ist auf alle vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. Hat der VfGH im aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt (wie gegenständlich im Erkenntnis G 54/06: Fristsetzung 31. Juli 2008), so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Im fortgesetzten Verfahren ist nunmehr der Berufung Folge zu geben und der Erbschaftssteuerbescheid vom 9. August 2001, StrNr, ersatzlos aufzuheben, da der höchstgerichtlichen Beschwerde des Bw laut Erkenntnis des VwGH vom 29. März 2007, 2007/16/0038, Anlassfallwirkung zukommt und damit die Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesstelle § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG in diesem Anlassfall rechtswidrig war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 16. Mai 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955
Art. 140 Abs. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930

Schlagworte:

Verfassungswidrigkeit, Anlassfall

Stichworte