UFS RV/2164-W/06

UFSRV/2164-W/0629.1.2007

Sind die Kosten für Familienheimfahrten zunächst auf den gesetzlichen Höchstbetrag zu kürzen und sodann um die nach § 26 EStG ausbezahlten Vergütungen zu vermindern?

 

Anmerkungen:
Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis Rz 356 LStR; abweichend: RV/0458-I/03 vom 7.2.2005 und RV/0093-K/06 vom 22.3.2007.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2000 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.), der bei einem Bundesministerium beschäftigt ist, machte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2000 unter anderem für sechs Monate Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv ATS 66.150,-- geltend.

Das Finanzamt erließ am 12. Jänner 2006 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000, in dem es die vom Bw. geltend gemachten Familienheimfahrten nicht berücksichtigte und diesbezüglich auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung zum Vorjahresbescheid 1999 verwies.

Der Bw. erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Berufung und führte begründend aus:

"In den Jahren 1995 - 1998 wurden meine, steuerlich geltend gemachten Familienheimfahrten, zur Gänze gewährt.

1999 wurden diese nur zu einem geringen Teil anerkannt.

Aus Zeitgründen konnte ich keine weitere Berufung einbringen.

Sehr wohl aber gegen den Bescheid 2000.

Da meine tägl. Dienstzeit, von 10 Stunden, eine Heimfahrt an Freitagen, sowie eine Rückreise an Montagen nicht erlaubt, erfolgt meine Familienheimfahrt am Samstag, und die Rückfahrt zum Dienstort am Sonntag.

Außerdem muss mein Außendienstquartier durchgehend bezahlt werden, da dort auch während meiner Abwesenheit Vermessungs- und Kanzleimaterial (Computer, Drucker usw.) verwahrt werden müssen.

Daher ist der Abzug der Tages- und Nächtigungsgelder nicht gerechtfertigt und wird auch bei allen meinen Kollegen (z.T. auch bei Ihrem FA) nicht angewandt.

Somit habe ich Anspruch auf die Gewährung des vollen monatl. Pauschbetrages.

Ebenso wurden Positionen bei der Wohnraumschaffung vergessen. Belege ... liegen bei..."

Das Finanzamt erließ am 17. März 2006 eine Berufungsvorentscheidung, in der die Kosten für Wohnraumschaffung und -sanierung von ATS 8.105,-- auf ATS 20.000,-- erhöht wurden, wodurch es zu einer Gutschrift von € 371,29 kam.

Die Familienheimfahrten wurden mit folgender Begründung nicht anerkannt:

"Steuerfreie Ersätze des Arbeitgebers für Tage der Familienheimfahrten (z.B. Dienstreiseersätze, Durchzahlerregelung) kürzen den abzugsfähigen, mit dem höchsten Pendlerpauschale limitierten Betrag. Lt. den vorgelegten Reiserechnungen wurden für die "auswärtigen" Einsätze Tages- und Nächtigungsgebühren durchgehend (inklusive Samstag und Sonntage) steuerfrei vom Arbeitgeber vergütet. Wie bereits in der Berufungsvorentscheidung 1999 dargelegt, kommt diesfalls die obangeführte Regelung zur Anwendung. Die beantragten Kosten für die Familienheimfahrten waren daher zuerst auf den monatlichen Höchstbetrag von 2.400 ATS zu kürzen. In der Folge wurden die entsprechenden Tages- und Nächtigungsgelder abgezogen. Es ergaben sich für 2000 keine absetzbaren Kosten. In der Berufung wird dieser Argumentation nichts entgegengesprochen. Es wird lediglich behauptet, dass "Kollegen" die höchstmöglichen Kosten für Familienheimfahrten gewährt bekommen hätten. Diese u.U. unrichtigen Vorgehensweisen sind jedoch für den konkreten Fall nicht rechtsverbindlich. Die diesbezgl. Ausführungen gehen ins Leere. Der Berufung konnte nur hinsichtlich der Sonderausgaben entsprochen werden.

Der Bw. stellte mit Schriftsatz vom 7. April 2006 den Antrag auf Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung.

Im Wesentlichen führte er darin aus wie in der Berufung vom 23. Februar 2006.

Die Berufungsbehörde richtete an den Bw. am 11.12.2006 ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Aus den automationsunterstützt übermittelten Lohnzetteldaten ist ersichtlich, dass Ihnen im Berufungsjahr Tages-, Nächtigungs- und Kilometergelder im Gesamtbetrag von ATS 142.038 nach § 26 EStG als nicht steuerbar ausbezahlt worden sind.

Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG sind Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag (sog. "großes Pendlerpauschale") übersteigen, d.s. im Streitjahr ATS 2.400 monatlich.

Somit ist die Ansicht des Finanzamtes zutreffend, derzufolge die Kosten für Familienheimfahrten zunächst auf den gesetzlichen Höchstbetrag zu kürzen und sodann um die nach § 26 EStG ausbezahlten Vergütungen zu vermindern ist.

In Ihrer Berufung bringen Sie vor, dass Sie die Familienheimfahrten jeweils am Samstag angetreten haben und am Sonntag an Ihren Dienstort zurückgekehrt sind, sowie weiters, dass die Kosten für das Quartier während Ihrer Abwesenheit weitergezahlt werden mussten.

Die Berufungsbehörde geht vorläufig davon aus, dass dies zutreffend ist. Daraus ergibt sich, dass eine Kürzung der absetzbaren Beträge (nur) um ATS 768 pro Wochenende (Tagesgeld von ATS 384 x 2) zu erfolgen hat.

Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

Mai 2000: 3 Familienheimfahrten, d.h. Kürzung des Betrages von ATS 2.400 um ATS 2.304;

Oktober 2000: 1 Familienheimfahrt, d.h. Kürzung des Betrages von ATS 2.400 um ATS 768.

Da in den Monaten Juni bis September die für die Wochenenden ausbezahlten Tagesgelder jeweils über ATS 2.400 liegen, ergeben sich zusätzlich anzuerkennende Werbungskosten von ATS 1.728."

Der Berufungswerber brachte hierzu bei einer persönlichen Vorsprache am 15.1.2007 vor, es sei unrichtig, die Kosten für Familienheimfahrten zunächst auf den gesetzlichen Höchstbetrag zu kürzen und sodann um die nach § 26 EStG ausbezahlten Vergütungen zu vermindern. Vielmehr müssten zuerst die tatsächlich erwachsenen Kosten um die nicht steuerbaren Vergütungen gekürzt werden. Liege die Differenz über dem gesetzlichen Höchstbetrag des § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG, müsse auch der gesetzliche Höchstbetrag in Abzug gebracht werden. Dies werde auch bei allen seinen Kollegen so gehandhabt. Überdies seien die Aussagen der Lohnsteuerrichtlinien zu diesem Punkt unklar.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

Wie die Berufungsbehörde bereits im Schreiben vom 11.12.2006 ausgeführt hat, sind nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG angeführten Betrag (sog. "großes Pendlerpauschale") übersteigen, d.s. im Streitjahr ATS 2.400 monatlich.

Nach § 20 Abs. 2 EStG dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen im unmittelbaren wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

2. Anzunehmender Sachverhalt

Im verwaltungsbehördlichen Verfahren ist es unstrittig, dass eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung vorliegt und dem Bw. dem Grunde nach Kosten für Familienheimfahrten zustehen. Fest steht weiters, dass dem Bw. Tages- und Nächtigungsgelder auch für die Wochenenden ausbezahlt wurden, an denen er vom Dienstort zu seinem Wohnsitz zurückgekehrt ist (sog. Durchzahlerregelung). Als erwiesen anzunehmen ist weiters aufgrund der glaubwürdigen Aussagen des Bw., dass er diese Familienheimfahrten jeweils am Samstag angetreten hat, am Sonntag zu seinem Dienstort zurückgekehrt ist und er sein Außendienstquartier durchgehend bezahlt hat.

Strittig ist nunmehr ausschließlich, ob die Kosten für Familienheimfahrten zunächst auf den gesetzlichen Höchstbetrag zu kürzen und sodann um die nach § 26 EStG ausbezahlten Vergütungen zu vermindern sind (Ansicht des Finanzamtes), oder ob die tatsächlich erwachsenen Kosten um die nicht steuerbaren Vergütungen gekürzt werden müssen (Ansicht des Bw.).

3. Rechtliche Würdigung

Gesetzeszweck des § 20 Abs. 2 EStG ist die Vermeidung eines ungerechtfertigten Vorteils; § 20 Abs. 2 EStG ist Ausdruck des allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsatzes, nach dem einer fehlenden Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht. Für das Abzugsverbot ist es nicht entscheidend, ob es sich dabei um steuerfreie Einkünfte (zB nach § 3 EStG) oder aber um nicht steuerbare Beträge (zB nach § 26 EStG) handelt (Doralt, EStG4, § 20 Tz 149, 150 mwN; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch EStG 1988, § 20 Tz 40,41). Soweit Ausgaben des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber getragen bzw. ersetzt werden, die gemäß § 26 EStG zu den nicht steuerbaren Einnahmen gehören, kann der Arbeitnehmer diese Ausgaben nicht als Werbungskosten abziehen. Daraus folgt, dass im Berufungsfall die nach § 26 EStG ausbezahlten Vergütungen bei Berechnung der im Zusammenhang mit Familienheimfahrten stehenden Aufwendungen grundsätzlich zu berücksichtigen sind.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz teilt hierzu die Meinung des Finanzamtes, dass die Vergütungen vom gesetzlichen Höchstbetrag des § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG abzuziehen sind.

Dies gebietet schon der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung: Steuerpflichtige, denen der Arbeitgeber keinerlei Vergütungen nach § 26 EStG für das Wochenende leistet, wären sonst bei gleichen potentiell berücksichtigungsfähigen Aufwendungen eindeutig schlechter gestellt als der Bw. Sie könnten nämlich die Kosten für die an diesen Wochenenden erfolgten Familienheimfahrten auch nur im Rahmen der jeweiligen Höchstbeträge absetzen, der ihnen insgesamt erwachsende Aufwand wäre somit um eben diese Vergütungen höher.

Der den Steuerpflichtigen maximal zustehende Aufwand wird also durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG limitiert. Nur dieser vom Gesetzgeber betraglich begrenzte Aufwand kann demzufolge Basis für eine Kürzung um Kostenersätze welcher Art immer sein.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Rechtsansicht auch von den Lohnsteuerrichtlinien 2002 (und 1999) vertreten wird, die allerdings für den unabhängigen Finanzsenat keine verbindliche Rechtsquelle darstellen. In Rz 356 letzter Satz heißt es nämlich:

"Steuerfreie Ersätze des Arbeitgebers für Tage der Familienheimfahrten (zB Dienstreiseersätze, Durchzahlerregelung) kürzen den abzugsfähigen, gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 limitierten Betrag."

Diese Rechtsansicht wird von Doralt, EStG4, § 20 Tz 104/11, geteilt.

Wenn der Bw. weiters darauf verweist, allen seinen Kollegen seien die Kosten der Familienheimfahrten entsprechend seiner Rechtsansicht zuerkannt worden, so ist dazu zu vermerken, dass aus einer allfälligen rechtswidrigen Vorgangsweise der Behörden bei anderen Abgabepflichtigen der Bw. keine Rechte für sich ableiten kann (vgl. Ritz, BAO³, §114 Rz 4 mwN).

Somit konnte der Berufung nur insoweit entsprochen werden, als weitere Werbungskosten im Sinn des zweitinstanzlichen Schreibens vom 11.12.2006 zuzuerkennen waren.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 29. Jänner 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Durchzahlerregelung, Kostenersätze

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