Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Großmutter?
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/13/0120 eingebracht. Mit Erk. v. 18.4.2007 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben (betrifft den Monat Juni 2003). Die übrigen Zeiträume wurden mit Erk. v. 18.4.2007 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2003 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) stellte für ihr Enkelkind D. für den Zeitraum Oktober 2002 bis Juni 2003 den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe.
Laut Angaben der Bw. habe ihr Enkel mit ihr im gemeinsamen Haushalt gelebt, was auch vom Kindesvater bestätigt wurde. Die Großmutter hätte das Kind voll und ganz versorgt; auch die Entschuldigungen für das Fernbleiben vom Unterricht sowie die Benotungen der Schule seien von der Großmutter unterschrieben worden.
Laut Niederschrift des Amtes für Jugend und Familie vom 15. Mai 2003 machte die Kindesmutter die Aussage, dass das Kind nach der Schule meist zu ihr bzw. zur Großmutter komme und erst spät abends vom Vater geholt werde. Wochenenden und Ferien verbringe D. im Haushalt der Kindesmutter.
Da die Großmutter keinen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt habe, wurde der Kindesmutter die Familienbeihilfe vorerst ab Oktober 2002 bis Juni 2003 gewährt.
Das Finanzamt vernahm am 10. August 2004 bezüglich Haushaltszugehörigkeit des Kindes D.
- M.V. (Bruder von D.),
- G E. (Bekannte der Familie),
- C. K. (Tochter von Fr. S.) und
- I.U. (Schwester von Fr. S.)
als Auskunftspersonen und nahm hierüber Niederschriften auf.
M.V. gab darin an, dass D. bereits in den Ferienmonaten ab Juli 2002 laufend im gemeinsamen Haushalt bei der Mutter, Fr. S., war. D. sei in jedem Fall von der Mutter versorgt und beaufsichtigt worden. Er hätte gelegentlich einige Male - im Haushalt der Großmutter in W75, genächtigt.
Frau GEtemi führte ebenfalls aus, dass D. bereits in den Ferienmonaten ab Juli 2002 laufend im gemeinsamen Haushalt bei der Mutter, Fr. S., war. Sie selber habe einen Sohn. Die Kinder seien befreundet, daher hätte sie sehr wohl den Verlauf des Aufenthaltes des Kindes D. bei seiner Mutter wahrnehmen können. Das Kind hätte gelegentlich einige Male im Haushalt der Großmutter in W75, genächtigt.
Laut Ausführungen von C.K. befanden sich D. und Fr. S. in ihrem gemeinsamen Haushalt, da der Ehegatte von Fr. K. verstorben war. der Zeitraum des gemeinsamen Haushaltes mit Bruder und Mutter und dem eigenen Kind war ab November 2002 bis Jänner 2003.
D. sei nach dem Schulunterricht im gemeinsamen Haushalt bei der Mutter, die Hausaufgaben beaufsichtigt habe und ihn mit Essen und persönlicher Zuwendung versorgt habe.
Die Zeit ab Februar 2003 laufend sei D. mit der Mutter in dessen gemeinsamen Haushalt in W39, gewesen.
Der Bruder sei sehr wohl von der Mutter versorgt worden. Das Kind hätte gelegentlich einige Male im Haushalt der Großmutter in W75 genächtigt. Der Kindesvater sei weder für den Unterhalt noch für weitere Aufwendungen aufgekommen.
I.U. erklärte, dass D. bereits in den Ferienmonaten ab Juli 2002 - laufend im gemeinsamen Haushalt bei der Mutter, Fr. S., gewesen sei. Sie wohne in der Nähe von Fr. S.. Dadurch sei ihr durch häufige Besuche bei Fr. S. bekannt, dass D. sich immer im gemeinsamen Haushalt aufgehalten habe. D. sei in jedem Fall von der Mutter versorgt und beaufsichtigt worden. Das Kind hätte gelegentlich einige Male im Haushalt der Großmutter genächtigt. Ergänzend wurde noch bemerkt, dass der Kindesvater, G.M., fast nicht erreichbar gewesen wäre, weder telefonisch noch persönlich. Auch bestehe, seit dem sich das Kind im gemeinsamen Haushalt der Mutter befände, weder Kontakt zwischen dem Kindesvater und der Kindesmutter noch zu Sohn D..
Am 15. Juli 2003 nahm das Finanzamt mit der Bw. folgende Niederschrift auf:
"D. wurde von 10/02 bis Mitte Mai 2003 in meinem Haushalt (Großmutter väterlicherseits) und teilweise im Haushalt des Vaters versorgt. Das Wochenende war er fast immer bei mir, nur ausnahmsweise manchmal einen Tag bei der Mutter. Meistens habe ich ihn zur Schule gebracht, ansonsten hat ihn der Vater begleitet, manchmal ist er alleine gegangen. Die Mutter hat ihn nie in die Schule gebracht. Nach der Schule ist er fast immer zu mir gefahren (nach W75 bzw. dann in die R-Gasse). Meistens hat er gleich bei mir geschlafen, ansonsten beim Vater. D. ist um ca. 14h30 heim gekommen. Der Vater kam zu verschiedenen Zeiten heim. An diesen Tagen ist er entweder alleine gewesen bzw. er ist zu mir gefahren. Das Originalmitteilungsheft hat die Mutter einbehalten, da nur Unterschriften entweder von mir oder vom Vater aufgeschienen sind. Im Mai 2003 hat sie dann das Mitteilungsheft gegen ein neues ohne Zustimmung der Schule ausgetauscht. Sie hat dann die Mitteilungen unterschrieben. Die Unterschriften der Mutter wurden aber von der Schule nicht akzeptiert. Mitte Mai 2003 ist dann D. zur Mutter übersiedelt. Auch da hat er manchmal bei mir geschlafen. Ich beantrage die Familienbeihilfe von Oktober 2002 bis Mai 2003."
Dem im Akt aufliegenden Protokoll des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. April 2003 ist Folgendes zu entnehmen:
"Ohne Ladung kommt die Mutter G.S., wohnhaft W39, und gibt an: Der Vater wohnt mit dem Kind in O-Gasse. Der Sohn ist seit etwa einem halben Jahr mit den Verhältnissen zu Hause unzufrieden, der Vater kümmert sich, seit er eine Freundin hat, sehr wenig um den Buben. Nach der Schule und am Wochenende ist D. meistens bei mir oder bei der vGm. Der Vater holt D. erst sehr spät ab, meistens nach 22.00 Uhr, so dass das Kind in der Schule sehr müde ist und auch in den Leistungen nachgelassen hat. Meines Wissens fehlt D. sehr häufig..."
Die zwischen dem Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge und der Mutter von D. aufgenommen Niederschrift vom 15. Mai 2003 lautet:
"Ich möchte festhalten, dass sich D. größtenteils bei mir aufhält. Das bedeutet, dass er nach der Schule, sofern er sie besucht, gleich zu mir kommt und bis zur Abholung spät abends sich bei mir zu Hause aufhält. Da er oftmals erst um 22 h vom Vater abgeholt wird, ist er übermüdet und fehlt daher auch öfters in der Schule. Seine Leistungen haben bereits nachgelassen. Am Wochenende und den Ferien ist D. auch bei mir. Der Vater kümmert sich kaum um das Kind seit er im Oktober 2002 eine neue Freundin kennen gelernt hat. Ich werde daher morgen beim BG Favoriten wieder die Obsorge beantragen, damit D. ein geregeltes Leben in ordentlichen Verhältnissen haben kann. Ich ersuche daher auch die Unterhaltsforderungen des Vaters bis zur Klärung nicht einzutreiben. Im Gegensatz dazu fordere ich vom Vater selbst Unterhalt für das Kind, da ich D. auch fast zur Gänze verpflege und bekleide, da sich der Vater auch darum nicht kümmert."
Die am Bezirksgericht Favoriten mit Fr. G.S. am 20. Mai 2003 aufgenommene Niederschrift hat folgenden Inhalt:
"Die Obsorge über den mj. D. wurde mit Beschluss des BG Innere Stadt vom 16.5.1994, X, dem Kindesvater M.G.,... übertragen. Seit Oktober 2002 hält sich D. ständig bei mir oder bei der väterlichen Großmutter auf. Der Vater kümmert sich nur selten um ihn. Auch D. möchte lieber bei mir leben. Da er sich schon seit längerer Zeit hauptsächlich bei mir aufhält, hat er hier auch seine Freunde. Der Kindesvater bezahlt keinerlei Unterhalt für ihn, obwohl ich ihn fast alleine versorge. Ich stelle daher den Antrag, dem Kindesvater M.G. die Obsorge über den mj D.G.,..., zu entziehen und auf mich zu übertragen.
Der mj D. gibt dazu an:
Es ist richtig, dass ich lieber bei meiner Mutter leben möchte. Ich bin schon längere Zeit hauptsächlich bei ihr. Es war bisher nur so, dass mich am Abend meine Großmutter abgeholt hat, ich dann im 10. Bezirk übernachtet habe, um dann von dort in die Schule zu gehen. Nach der Schule bin ich dann wieder zu meiner Mutter gegangen."
In einem vom Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, an das Finanzamt gerichteten Schreiben teilte dieses mit, dass sich D. seit Oktober 2002 die meiste Zeit bei der Mutter aufhalte, seit Anfang Mai 2003 lebe er durchgehend bei ihr.
In einer weiteren am 18. Juli 2003 beim Finanzamt mit G.S. aufgenommenen Niederschrift gab diese an, dass sich D. seit Ende Mai 2003 ständig in ihrem Haushalt aufhalte. In der Zeit von Oktober 2002 bis Mai 2003 hätte er sich überwiegend in ihrem Haushalt aufgehalten, habe zwar öfters bei der väterlichen Großmutter geschlafen, sei aber von der Schule direkt zu ihr gekommen und wurde dann meistens erst spät abends abgeholt. Dies könne auch von ihrer Tochter K.C., die im selben Gemeindebau zwei Stiegen weiter wohne, bestätigt werden. Zeitweise sei D. direkt von ihrer Wohnung aus von der Großmutter in die Schule gebracht worden.
D. gab an, dass er sich meistens bei seiner Mutter aufgehalten habe, ab und zu habe er auch bei der Oma übernachtet (zur Schule habe ihm zwar meistens die Oma gebracht, sonst sei er aber immer bei der Mama gewesen). Seit Mai 2003 gehe er gleich direkt von der Wohnung seiner Mutter in die Schule.
Das Finanzamt erließ am 22. Februar 2005 einen Bescheid und wies den Antrag der Bw. vom 24. Juni 2003 mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Kind D. gehört zum Haushalt der Kindesmutter, Ihr Antrag war daher abzuweisen."
Die Bw. erhob mit Schreiben vom 21. März 2005 mit der Begründung Berufung, dass ihr Enkelkind nicht dem Haushalt der Kindesmutter angehörte.
Das Finanzamt erließ am 7. Oktober 2005 eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Laut Schreiben des Amtes für Jugend und Familie vom 27.5.2003 wurde bestätigt, dass sich das Kind D.G., geb. am 13.6.1992, seit Oktober 2002 die meiste Zeit bei der Kindesmutter aufhielt und seit Mai 2003 durchgehend bei der Kindesmutter lebt.
Da somit für den gegenständlichen Zeitraum der überwiegende Aufenthalt des Kindes D. bei der Kindesmutter war, war die Berufung als unbegründet abzuweisen."
Die Bw. erhob mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 gegen den Bescheid vom 7. Oktober 2005 Einspruch, da die Angaben des Amtes für Jugend und Familie vom 27.6.2003 nicht den Tatsachen entsprechen würden und auch nicht überprüft worden seien.
Das Finanzamt wertete das Schreiben als Vorlageantrag.
Über die Berufung wurde erwogen:
Haushaltszugehörigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Das Gesetz räumt den Anspruch auf Familienbeihilfe primär demjenigen ein, zu dessen Haushalt das Kind gehört. Voraussetzung für eine solche Haushaltszugehörigkeit ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Die Haushaltszugehörigkeit gilt gemäß § 2 Abs. 5 lit a FLAG u. a. dann nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
Freie Beweiswürdigung
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele VwGH 9.9.2004, 99/15/0250) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Als erwiesen angenommener Sachverhalt
Der unabhängige Finanzsenat teilt in freier Beweiswürdigung die schlüssig begründete und im Einklang mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahren stehende Meinung des Finanzamtes, dass im Streitzeitraum die Zugehörigkeit von D. zum Haushalt der Mutter gegeben war.
Diese Beurteilung gründet sich auf folgende Umstände:
Sämtliche vom Finanzamt niederschriftlich vernommenen Personen gaben an, dass D. ab den Ferienmonaten 2002 laufend im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gewohnt und nur vereinzelt bei der Bw. übernachtet habe.
Diese Aussagen stehen im Widerspruch zu denen der Bw., wonach D. von Oktober 2002 bis Mitte Mai 2003 in ihrem Haushalt und teilweise im Haushalt des Vaters versorgt worden sei und ebenso die Wochenende fast immer bei ihr verbracht hätte.
Das Finanzamt ist demgegenüber nach ausführlicher Sachverhaltsermittlung - Einvernahme von Frau S., deren Schwester, deren Tochter und einer Bekannten, und letztendlich der Bw. selbst - zu dem Schluss gekommen, dass D. ab den Ferienmonaten 2002 laufend überwiegend im Haushalt der Kindesmutter gewohnt hat bzw. wohnt.
Dem entsprechen auch die Angaben in den Protokollen des Amtes für Jugend und Familie sowie des Bezirksgerichtes Favoriten, wobei an dieser Stelle anzuführen ist, dass D. selbst am 15. Mai 2003 angegeben hat, dass er bereits seit längerer Zeit hauptsächlich bei seiner Mutter sei.
Somit lag im Streitzeitraum keine Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Großmutter vor.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass für die Bw. die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht erfüllt sind.
Die Berufung war daher abzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Wohngemeinschaft, Wirtschaftsgemeinschaft |