UFS RV/1617-W/05

UFSRV/1617-W/0518.11.2005

Berufung gegen Nichtbescheid infolge fehlender Unterschrift

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/13/001 eingebracht. Mit Erk. v. 22.3.2006 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

 

Bescheid

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Firma , vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Tuchlauben 11, vom 2. Juni 2000 gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk vom 4. Mai 2000 betreffend Zurückweisung eines Antrages entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

In der Eingabe vom 10. April 2000 führte die Berufungswerberin (Bw.) unter Beifügung von Kopien von die Bw. betreffenden Buchungsmitteilungen und eines Urteils des Landesgerichtes aus, dass gemäß Buchungsmitteilung Nr. 5 vom 5. September 1996 ein Steuerguthaben der Bw. von ATS 29,464.153,87 bestanden hätte. Dieses Vorsteuerguthaben sei seitens der Behörde aufgrund von Vorwürfen über behauptete Scheinrechnungen einer Firma A. als angeblich nicht der Bw. zustehend aberkannt und stattdessen aufgrund von Strafbescheiden ein Rückstand ausgewiesen über ATS 35,522.149,00.

Nach drei Hauptverhandlungen im Jahr 1999 sei der angeklagte Liquidator Ing. P.M. vom Vorwurf eines Finanzvergehens mit der Begründung freigesprochen worden, dass die Firma A. tatsächlich als Subunternehmer gearbeitet habe, sodass der Vorwurf der Geltendmachung von Vorsteuer durch Scheinrechnungen nicht zutreffe.

Mit Buchungsmitteilung 1 vom 21. Jänner 2000 des Finanzamtes für den 23. Bezirk sei der am selben Tag gebuchte Rückstand von ATS 35,522.149,00 auf "Null" gesetzt worden, nachdem vor Festsetzung des Rückstandes der Kontostand angeblich "0,00" betragen habe.

Daher habe die Behörde zu Unrecht das Guthaben von ATS 29,464.153,87 außer Acht gelassen und werde der Antrag gestellt,

1. das Guthaben von ATS 29,464.153,87 durch entsprechende Buchungsmitteilung wiederherzustellen und

2. diesen Betrag binnen vier Wochen an den ausgewiesenen Rechtsanwalt zu überweisen.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass die gegen den einschreitenden Liquidator erhobenen Vorwürfe nicht nur vom Landesgericht als zuständiges Finanzstrafgericht als unzutreffend verworfen worden seien, es sei darüber hinaus rechtskräftig festgestellt worden, dass die Firma A. als Subunternehmer tätig gewesen sei, sodass die Vorsteuer und das daraus resultierende Vorsteuerguthaben berechtigt seien. Die von der Abgabenbehörde vertretene Ansicht habe zum Zusammenbruch des Unternehmens geführt. Zur Vermeidung einer Prozessführung wegen Amtshaftung werde daher um fristgerechte Überweisung ersucht.

Dem in Kopie vorgelegten Urteil des Landesgerichtes vom 8. Oktober 1999, GZ., ist in der Begründung zu Punkt II zu entnehmen, dass "mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht festgestellt werden konnte, dass es sich bei diesen Rechnungen tatsächlich um Scheinrechnungen handelte. Festgestellt werden kann, dass Herr A. mit Arbeitern für die Firma S-AG tätig wurde; dahingestellt bleiben mag, ob Herr A. für sein Unternehmen ordnungsgemäß Steuern zahlte und seine Arbeiter angemeldet hatte. Insoweit war daher in dubio pro reo mit einem Freispruch vorzugehen."

Mit Bescheid des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk vom 4. Mai 2000 wurde der Antrag vom 10. April 2000 "betreffend/gegen Anerkennung von Vorsteuerguthaben" zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Landesgericht für die Beurteilung zuständig sei, wieweit eine natürliche Person durch einen Sachverhalt eine strafbare Handlung verwirklicht habe und ob eine Strafe auszusprechen sei.

Durch den Freispruch des Beschuldigten im gerichtlichen Verfahren würden jedoch keinesfalls die Feststellungen der BP in Bezug auf die Bw., somit ein anderes Rechtssubjekt, außer Kraft gesetzt werden. Die fraglichen Umsatzsteuererklärungen seien zwischenzeitig rechtskräftig geworden, weiters würden auch keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, die für die Anerkennung der fraglichen Vorsteuergutschriften sprechen würden.

Da das Landesgericht und die Abgabenbehörde die Kompetenz für unterschiedliche Hauptfragen haben, für deren Entscheidung manchmal auch die Beurteilung von Vorfragen aus dem Bereich der jeweils anderen Behörde gehören, seien die jeweiligen Entscheidungen, insbesondere über Vorfragen, für die jeweils andere Behörde nicht bindend.

Da sich nach Auffassung der Abgabenbehörde an den Grundlagen für die Anerkennung von Vorsteuern und sich auch an der Wirksamkeit dieser Entscheidung nichts geändert habe, weiters aber gesetzlich auch nicht vorgesehen sei, dass aufgrund des Freispruches eines Beschuldigten die Abgabenbehörde die Nachforderungen, die zum Anlass für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gemacht worden seien, rückgängig zu machen habe, weiters die Abgabenbehörde von der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung gegenüber der GmbH überzeugt sei, sei das gegenständliche, gesetzlich nicht vorgesehene Anbringen als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

In der dagegen eingebrachten Berufung vom 2. Juni 2000 wurde ausgeführt, dass der zugestellte Bescheid jeglicher - auch maschineller - Unterschrift ermangle. Der Bescheid werde unrichtigerweise damit "begründet", dass durch den Freispruch des Beschuldigten, d.h. des Geschäftsführers im gerichtlichen Verfahren die Feststellungen der Betriebsprüfung in Bezug auf die Bw. nicht außer Kraft gesetzt werden würden, da es sich um ein anderes Rechtssubjekt handle. Die Behörde übersehe elementare Rechtsgrundsätze. Der beschuldigte Geschäftsführer sei das Organ der einschreitenden bzw. geprüften Gesellschaft und somit kein gesondertes Rechtssubjekt, er unterliege nur als Organ den Strafbestimmungen des Finanzstrafgesetzes.

Der angefochten Bescheid übersehe, dass sich die bindende Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteiles nach ständiger Rechtsprechung auf die im Spruch festgestellten Tatsachen erstrecke; ein von einem bindenden strafgerichtlichen Urteil abweichendes verwaltungsbehördliches Finanzverfahren/Finanzstrafverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (VwGH 5.9.1985, 85/16/0044). Die Zuständigkeit des Landesgerichtes ergebe sich "nur" aus den Zuständigkeitsvorschriften aufgrund des in Frage stehenden Betrages.

Im gegenständlichen Fall habe das Landesgericht als Schöffengericht über Anzeige des Finanzamtes, das dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen war, aufgrund eines ausführlichen Beweisverfahrens rechtskräftig und unanfechtbar festgestellt, dass Ing. P.M. als Geschäftsführer der S-AG von der Anklage gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG freigesprochen worden sei, vorsätzlich eine Verkürzung diverser bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bzw. durch Abgabe wahrheitswidriger Jahreserklärungen, nämlich "Nichtfatierung" sämtlicher Erlöse und Behauptungen fingierter Aufwendungen durch Berücksichtigung von im Rechenwerk aufgenommener Scheinrechnungen für Umsatzsteuer 1991 bis 1993 sowie Körperschaftsteuer 1992 sowie der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer 1991 und 1992 mit näher dargestellten strafbestimmenden Wertbeträgen bewirkt zu haben.

Im rechtskräftigen Freispruch werde ausdrücklich angeführt, dass für den Zeitraum 1991 bis 1993 eine Betriebsprüfung abgehalten worden sei, in der beanstandet wurde, dass aufgrund von Scheinrechnungen einer Firma M. A. Vorsteuer für Subunternehmerleistungen geltend gemacht worden seien.

Das Urteil habe ausdrücklich festgestellt, dass nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden habe können, dass es sich tatsächlich um Scheinrechnungen gehandelt habe.

Es könne nicht festgestellt werden, dass Herr A. mit Arbeiten für die Firma H-AG tätig geworden sei bzw. als Subunternehmer für die H-AG gearbeitet habe; es könne dahingestellt bleiben, ob Herr A. für sein Unternehmen ordnungsgemäß Steuern bezahlt habe und seine Arbeiter gemeldet habe.

Damit erweisen sich die Ergebnisse der Betriebsprüfung als falsch und ist dem angefochtenen Bescheid der Rechtsgrund entzogen. Der angefochtene Bescheid sei daher auch dahingehend verfehlt, dass angeblich keine Anhaltspunkte vorliegen würden, die für eine Anerkennung der fraglichen Vorsteuergutschriften sprechen würden. Der angefochtene Bescheid irre daher auch, dass die Entscheidungen des Landesgerichtes für die Abgabenbehörde nicht bindend seien.

Richtigerweise sei festzustellen, dass

1. die Entscheidung des Landesgerichtes für die Abgabenbehörde bindend sei; die Abgabenbehörde habe aufgrund eines Verdachts eine in die Zuständigkeit des Gerichts fallende Anklage erhoben, von welcher der Geschäftsführer der geprüften Gesellschaft ausdrücklich freigesprochen worden sei mit der Feststellung, dass keine Scheinrechnungen vorliegen würden, da die Firma M. A. für die Einschreiterin gearbeitet habe.

Tatsächlich versuche die Behörde nur ihr Problem der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei A. rechtswidrig auf die H-AG, nunmehr die Bw. zu verlagern.

2. aufgrund der festgestellten Umstände (Subunternehmerschaft) daher - entgegen der unrichtigen Behauptung im angefochtenen Bescheid - nicht nur sogar wesentliche "Anhaltspunkte", sondern begründete Beweise für die Anerkennung der Vertragsgutschriften vorliegen, sodass dem Antrag ohne weiteres stattzugeben sei.

Aus dem genannten Grund habe die Bw. den Antrag vom 10. April 2000 auf Wiederherstellung und Überweisung des Guthabens gestellt; sollte die Behörde ihre rechtswidrige ablehnende Haltung nicht ändern, sei daher die Wiederaufnahme des gesamten Verfahrens unumgänglich. Die Zurückweisung wegen behaupteter Unzulässigkeit sei unrichtig und rechtswidrig.

Allein die Vorgangsweise der Abgabenbehörde, mit Buchungsmitteilung Nr. 1 vom 21. Jänner 2000 den Rückstand vom selben Tag von ATS 35,522.149,00 auf Null zu setzen erweise die teilweise "Einsicht" und auch die Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise der Abgabenbehörde. Anhand welchen "Anhaltspunktes" sonst als dem freisprechenden Urteil wäre der Rückstand auf Null gestellt worden?

Im Entwurf einer Sachverhaltsdarstellung als Beilage zu einer Eingabe vom 16. Juli 1997 gehe das Finanzamt unrichtigerweise davon aus, dass "der Vorgang ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden betreffe", obwohl im selben Schriftsatzentwurf darauf hingewiesen worden sei, dass das Grundstück mit Vertrag vom 9.8.93 durch notariellen Vertrag an die S-AG, d.h. die Rechnungsempfängerin, verkauft worden sei, sodass bereits der Titel zum Rechtserwerb vorgelegen sei, und lediglich der Modus der bücherlichen Eintragung gefehlt habe.

Der Liquidator habe bereits bei seiner Einvernahme am 12. November 1997 darauf hingewiesen, dass bei einem Superädifikat keine Umsatzsteuer zu entrichten wäre, sodass die Vorgangsweise keinen Sinn ergeben würde, andererseits, dass bei einer Bauleistung die Abgabepflicht bei der Verkäuferin liege, sodass die von der H-AG entrichtete Umsatzsteuer ihr wieder gutzuschreiben sei. Sämtliche Vorgange seien aktenkundigerweise von einer Steuerberatungskanzlei geprüft worden.

Das Finanzamt sei in seiner Anzeige vom 29. April 1997 bereits unrichtigerweise davon ausgegangen, dass die so genannte Bürosiedlung ein Superädifikat gewesen sei; es seien keine beglaubigten Kaufverträge ausgestellt worden, grundbücherliche Formvorschriften seien nicht eingehalten worden.

Dies sei nachweislich unrichtig: im Grundbuchsauszug sei unter TZ-123 die Rangordnung für die Veräußerung bis 10. August 1994 angemerkt gewesen. Der Kaufvertrag zwischen der E-AG als Verkäuferin einerseits und der S-AG als Käuferin andererseits vom 9. August 1993 trage die Beurkundungsregisterzahl des Notars in B..

Die Fakturierung der Bauleistung durch die S-GmbH an die S-AG (F-AG) sei daher zurecht erfolgt und sei der Bw. die von ihr an das Finanzamt abgeführte Mehrwertsteuer gutzuschreiben, nachdem der Grundstücksverkauf aufgrund der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens storniert worden sei. Auch daran sei die Abgabenbehörde gebunden.

Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung sei die Tatsache, dass das vom Finanzamt unrichtigerweise behauptete Scheingeschäft von der Staatsanwaltschaft nicht einmal angeklagt worden sei.

Da dem Finanzamt als Privatbeteiligten dies bekannt gewesen sei, bedeute der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom 4. Mai 2000 eine grobe Rechtswidrigkeit.

Es werde daher der Antrag gestellt,

1. den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und dem Antrag auf Wiederherstellung und Überweisung des aufgrund des Urteiles des Landesgerichtes vom 8. Oktober 1999 Folge zu geben 2. einen unabhängigen und weisungsfreien Spruchsenat zur Durchführung der allfälligen mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfällung zu bestellen.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom 6. Juni 2000 diese Berufung als unbegründet ab und führte begründend aus, dass die Entscheidung im Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der GmbH keine bindende Wirkung für die Abgabenbehörde habe; andernfalls könnte der Strafrichter Abgabengrundlagen ermitteln und auf dieser Grundlage Abgabenbescheide erlassen. Diese Aufgaben fallen nicht in die Kompetenz der Gerichte. Soweit der Richter Sachverhaltsfragen anders beurteilt als die die Hauptfrage lösende Abgabenbehörde, habe dies keine Bindungswirkung für die in der Hauptfrage zur Entscheidung, d.h. zur Abgabenerhebung berufen gewesene Abgabenbehörde.

Aus welchem Grunde die rechtskräftig gewordenen Abgabenbescheide auf Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung aufgehoben werden sollten, sei für die Abgabenbehörde nicht nachvollziehbar. Aus der Begründung des Freispruches gehe deutlich hervor, dass den urteilenden Richtern der Unterschied zwischen dem zivilrechtlichen Zustandekommen von Verträgen und ihre Beseitigung und jenem aus steuerrechtlicher Sicht nicht berücksichtigt haben und vermeinen, wenn ein Vertrag nachträglich rückgängig gemacht würde, wären damit auch alle steuerlichen Begünstigungen, die im Zusammenhang mit diesem Vertrag geltend gemacht wurden, hinfällig und ungeschehen gemacht worden. Die Frage, ob aus den fraglichen Geschäften tatsächlich Steuergelder ungerechtfertigt lukriert worden wären, sei nicht einmal angerissen worden. Die Tatsache, dass die Gegenstände der fraglichen Kaufverträge buchhalterisch nicht ordnungsgemäß im Rechenwerk der beteiligten Personen Niederschlag gefunden haben und über die Realisation der fraglichen Kaufgeschäfte keine hinreichenden Beweismittel gefunden werden haben können, lasse den Willen der Beteiligten, diese Verträge tatsächlich wirksam werden zu lassen, zweifelhaft erscheinen. Ohne die rechtliche Möglichkeit, aus den Rechnungen über die fraglichen Vertragsleistungen Vorsteuern zu lukrieren, wären diese in der vorliegenden Form sicherlich nicht abgeschlossen worden.

Für die Abgabenbehörde bestehe daher nicht der geringste Anlass, auf den ihrer Ansicht nach rechtlich unfundierten Antrag auf Anerkennung von Vorsteuern in Höhe von mehr als 29 Mill. ATS einzugehen. Der fragliche Antrag benenne nicht einmal eine Gesetzesbestimmung, die für das Handeln der Behörde bei Gutschrift der fraglichen Vorsteuern bindend sein sollte.

Die in der Begründung des Zurückweisungsbescheides genannten Gründe, warum das zugrunde liegende Begehren nicht in Behandlung genommen werden könne, seien daher aufrechtzuerhalten.

Mit Vorlageantrag vom 6. Juli 2000 beantragte die Bw. die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien erließ in der Folge am 12. November 2001 eine zweite Berufungsvorentscheidung, mit welcher der Zurückweisungsbescheid vom 4. Mai 2000 aufgehoben wurde. Gleichzeitig erließ das Finanzamt den bescheidmäßigen Mängelbehebungsauftrag betreffend die als "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 303 Abs. 1 BAO zu wertende" Eingabe.

Dagegen brachte die Bw. mit Eingabe vom 12. Dezember 2001 den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem Hinweis ein, dass die angeblichen Mängel nicht bestehen würden und dass die Wertung als Antrag auf Wiederaufnahme unrichtig und unzulässig sei.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 2002 erklärte das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien den Antrag vom 10. April 2000 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen, da dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen worden sei.

Dagegen erhob die Bw. am 7. Jänner 2002 Berufung und führte aus, dass die angeblichen Mängel im Antrag vom 12. Dezember 2001 behoben worden wären. Selbst wenn unrichtiger Weise ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens unterstellt werde, seien durch verschiedene Ausführungen im Zuge des gegenständlichen Verfahrens die im Mängelbehebungsauftrag vermissten Angaben getätigt worden.

Mit Bescheid vom 26. September 2002, RV-2002, wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Abgabenbehörde zweiter Instanz (unter anderem) die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 4. Mai 2000 als unbegründet ab

Mit Erkenntnis vom 29.6.2005, 2003/14/0058, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. September 2002 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf, da im Zeitpunkt der Zustellung an die Bw. am 11. Juni 2003 die Finanzlandesdirektion nicht mehr zur Entscheidung über die Berufung zuständig gewesen sei.

In den Finanzamtsakten erliegt ein "Antrag auf Wiederaufnahme" der Bw. vom 28. Juli 2003, da der vormalige Liquidator der Bw. durch gefährliche Drohung seitens eines Organwalters des Finanzamtes zur Zurücknahme einer Berufung genötigt worden sei. Eine Erledigung dieses Antrages durch das Finanzamt ist aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich.

Mit Note vom 2. September 2005 beantragte der rechtsfreundliche Vertreter der Bw. "eine Senatsbesetzung für die Berufungsentscheidung sowie gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Zwischenzeitig hat der unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom 15. September 2005, GZ. RV/xxx/05, der Berufung der Bw. vom 7. Jänner 2002 gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien vom 3. Jänner 2001, wonach die Eingabe der Bw. "vom 10. April 2000 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO" gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte, Folge gegeben und den Bescheid aufgehoben.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 96 BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.

Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.

§ 96 BAO normiert für alle schriftlichen Erledigungen der Abgabenbehörden zwingend drei Bestandteile: Bezeichnung der Behörde, Datum und Unterschrift bzw. Beglaubigung (Ausnahmen siehe § 96 letzter Satz BAO), wobei diese Erfordernisse auch für schriftliche Bescheide gelten (vgl. Ritz, BAO3, §96 Tz. 1).

Zu den unverzichtbaren Bestandteilen eines Bescheides gehören die Bezeichnung der Behörde (§ 96), der Spruch (§ 93 Abs. 2 BAO) sowie die Unterschrift (nach Maßgabe des § 96 BAO, vgl. Ritz, BAO3, § 93 Tz 22) (VwGH 28.9.2004, 2002/14/0035).

Abgesehen von den in § 96 BAO genannten Fällen, in denen eine Erledigung keine Unterschrift (Beglaubigung) aufweisen muss, führt das Fehlen der Unterschrift auf einer Erledigung dazu, dass kein Bescheid vorliegt (VwGH 10. Oktober 1991, 91/17/0096).

Mit Berufung anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (Ritz, BAO3, § 273, Tz. 6).

Die Bw. hat in ihrer Berufung vom 2. Juni 2000 schon in den Eingangsausführungen darauf hingewiesen, dass der zugestellte Bescheid jeglicher - auch maschineller - Unterschrift ermangle, was von der Abgabenbehörde erster Instanz bzw. dem Verwaltungsgerichtshof in den bisherigen Entscheidungen keine Berücksichtigung fand.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist eine Unterschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Sie muss nicht lesbar sein. Nötig ist aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Auf die Beurteilung des Schriftzuges, der auf dem in den Akten erliegenden Geschäftsstück aufscheint, kommt es nicht an (VwGH 17.5.2001, 2001/16/0062).

Der an die Bw. zugestellte angefochtene "Bescheid" des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk vom 4. Mai 2000 wurde nicht mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und enthält weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung und hat folglich keinen Bescheidcharakter. Dass der im Abgabenakt erliegende Bescheid approbiert ist, ist dabei für die Prüfung der Frage, ob der an die Partei zugestellte Bescheid eine Unterschrift trägt, irrelevant. Die gegen den "Bescheid" des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk vom 4. Mai 2000 erhobene Berufung vom 2. Juni 2000 ist daher gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Auch wenn das Eingehen auf das weitere Vorbringen der Bw. obsolet ist, seien doch einige Hinweise gestattet.

Kommt behördlichen Mitteilungen oder Information wie einer Buchungsmitteilung der Charakter eines Bescheides nicht zu, kann auch ein diesbezüglicher Antrag einer Partei dieser behördlichen Erledigung kein Mehr an rechtlichem Inhalt zuweisen, als vom Gesetzgeber vorgesehen. Buchungsmitteilungen gehen im Abgabenverfahren rechtlich relevante Ereignisse (Abgabenbescheide, gegen die entsprechende Rechtsmittel eingebracht werden können) voraus, die Informationen über Abgabenvorschreibungen, -zahlungen und Fälligkeitstage beinhalten und sich zahlenmäßig in den Buchungsmitteilungen widerspiegeln.

Auch wenn die Bw. recht umfangreich (siehe obige umfangreiche Darstellungen) zahlreiche Rechtsfragen wie z.B. die Frage der Bindung der Abgabenbehörden an rechtskräftige Urteile von Strafgerichten dargelegt hat, darf darauf verwiesen werden, dass allein die Frage zu klären sein wird, ob ein Antrag auf "Wiederherstellung eines Guthabens von ATS 29,464.153,87 durch entsprechende Buchungsmitteilung" zulässig ist.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2005, 2003/14/0058-7, den in dieser Angelegenheit erlassenen Bescheid der damaligen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. September 2002, RV-2002, betreffend Zurückweisung eines Antrages und Erklärung eines Antrages als zurückgenommen wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben hat, doch hat sich zwischenzeitig die den Antrag betreffende Rechtslage nicht geändert. Schon mit der aufgehobenen Entscheidung wurde in der Sache selbst die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet abgewiesen.

Es kann nur neuerlich darauf hingewiesen werden, dass Buchungsmitteilungen nicht normativ über rechtliche Interessen absprechen und daher auch nicht Grundlage (Abgabenbescheid) für die Gutschrift eines Betrages von ATS 29,464.153,87 sein können. Auch der Verwaltungsgerichtshof weist in seiner Rechtsprechung darauf hin, dass Buchungsmitteilungen der Information des Abgabepflichtigen dienen, aber keine Bescheide ersetzen (VwGH 24.2.1999, 98/13/0234), weswegen sie auch keine Rechtswirkungen entfalten (VwGH 31.3.2003, 97/14/0128). Buchungsmitteilungen sind keine Bescheide (VwGH 27.3.1996, 92/13/0299; Ritz BAO-Kommentar3, § 216 Tz 1).

Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Die Wiederherstellung eines Guthabens von ATS 29,464.153,87 durch Erlassung einer entsprechenden Buchungsmitteilung, die die im § 92 BAO normierten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb ein entsprechender Antrag - wie von der Abgabenbehörde erster Instanz grundsätzlich richtig erkannt - als unzulässig zurückzuweisen wäre.

Zu dem in der Berufung gestellten Antrag, einen unabhängigen und weisungsfreien Spruchsenat zur Durchführung der allfälligen mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfällung zu bestellen, sei erwähnt, dass ein Spruchsenat nur in Finanzstrafverfahren tätig wird und nicht über Anträge im Abgabenverfahren zu entscheiden hat.

Zu dem am 2. September 2005 eingebrachten Antrag auf Senatsentscheidung und mündliche Berufungsverhandlung ist auszuführen, dass gemäß § 323 Abs. 12 BAO Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat abweichend von § 282 Abs. 1 Z 1 BAO bis 31. Jänner 2003 bei den im § 249 BAO genannten Abgabenbehörden für am 1. Jänner 2003 noch unerledigte Berufungen gestellt werden können; solche Anträge können weiters in Fällen, in denen nach der vor 1.1.2003 geltenden Rechtslage durch den Berufungssenat zu entscheiden war und diese Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird, innerhalb eines Monats ab Zustellung der Aufhebung gestellt werden. Anträge auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung können abweichend von § 284 Abs. 1 Z 1 BAO bis 31. Jänner 2003 bei den im § 249 BAO genannten Abgabenbehörden für Berufungen, über die nach der vor 1. Jänner 2003 geltenden Rechtslage nicht durch den Berufungssenat zu entscheiden war, gestellt werden. Nach § 284 Abs. 1 BAO in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 97/2002, gestellte Anträge auf mündliche Verhandlung gelten ab 1. Jänner 2003 als auf Grund des § 284 Abs. 1 Z 1 BAO gestellt.

Dem Erkenntnis des VwGH vom 29. Juni 2005 zufolge war die gegenständliche Berufung am 1. Jänner 2003 noch unerledigt und wurde erst mit Zustellung vom 11. Juni 2003 - durch die unzuständige Behörde - erledigt. Den zahlreichen Eingaben ist zu entnehmen, dass entsprechende Anträge fristgerecht nicht gestellt worden sind.

Wien, am 18. November 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 96 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 273 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

keine Bescheidqualität, fehlende Unterschrift

Stichworte