UFS FSRV/0030-L/05

UFSFSRV/0030-L/057.11.2005

Beschwerde gegen die Feststellung der Zurücknahme einer Berufung, da rechtzeitig Fristverlängerung beantragt

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0003 eingebracht. Mit Erk. v. 30.3.06 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. FSRV/0041-L/06 erledigt.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 3, Hofrat Dr. Peter Binder, in der Finanzstrafsache gegen RR, Kaufmann, geb. am 19XX, whft. in S, vertreten durch Mag. Erich Halbartschlager, Steuerberater, in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 1a, über die Beschwerde des Beschuldigten vom 14. März 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom 28. Februar 2005, SN 046-2002/00342-002, vertreten durch ORat. Dr. Christian Kneidinger, betreffend die Erklärung der Zurücknahme der Berufung gemäß § 156 Abs. 2 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG),

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert, dass dessen Spruch zu lauten hat:

Ihre Berufung vom 3. Jänner 2005 gegen das Straferkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz, Senat III, als Organ des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz, SN 046-2002/00342-001, 002, vom 22. Oktober 2004 gilt gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG als zurückgenommen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 28. Februar 2005 hat das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz festgestellt, dass die am 3. Jänner 2005 gegen das Straferkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz, Senat III, als Organ des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz, SN 046-2002/00342-001, 002 vom 22. Oktober 2004 erhobene Berufung gemäß § 176 Abs. 2 FinStrG als zurückgenommen gelte.

In der Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass dem behördlichen Auftrag, die Mängel der angeführten Berufung bis zum 22. Februar 2005 zu beheben, nicht entsprochen worden sei. Ein mit 21. Februar 2005 datiertes Ersuchen um Verlängerung der Mängelbehebungsfrist habe nicht mehr berücksichtigt werden können, da es erst nach Ablauf der gesetzten Frist eingelangt sei und bereits abgelaufene Fristen rein begrifflich nicht mehr verlängert werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom 14. März 2005, in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Nach der Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis zu SN 046-2002/00342-002 und einem Antrag auf Verfahrenshilfe sei der nunmehr einschreitende Vertreter zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Auf Grund mehrerer Umstände sei es erst am 17. Februar 2005 zu einer ersten Besprechung zwischen Bf. und seinem Verteidiger gekommen. Dabei habe der Bf. seinem Vertreter mitgeteilt, dass er selbst über keine Unterlagen betreffend das Strafverfahren verfüge. Es sei daher - seitens des Verteidigers - beim Finanzamt bzw. der Finanzstrafbehörde Akteneineinsicht beantragt und ein diesbezüglicher Termin für den 22. Februar 2005 vereinbart worden. Da der Strafakt erst ab dem genannten Termin zur Einsicht aufgelegen sei, sei innerhalb der für die Beseitigung der Berufungsmängel gewährten Frist, u. zw. am 21. Februar 2005, per (nachweislich bei der Behörde auch eingelangtem) Telefax eine Fristerstreckung beantragt worden. Die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach das Ansuchen auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist erst nach dem Ablauf der gewährten Frist eingelangt sei, sei daher unrichtig und könne von einer Fristversäumnis in Wahrheit nicht gesprochen werden. Es werde daher beantragt, den Bescheid vom 28. Februar aufzuheben und die nachgetragene Berufungsergänzung (vom gleichen Tag) als rechtzeitig anzuerkennen.

Über Vorhalt der erkennenden Behörde vom 5. Oktober 2005, dass entgegen den Beschwerdeausführungen der gegenständliche Strafakt SN 046-2002/00342-002 bereits seit dem 3. Dezember 2004 zur (möglichen) Einsicht und Abschriftnahme durch den Bf. bzw. dessen Vertreter im Wege einer Akteneinsicht durchgehend beim Finanzamt Linz aufgelegen sei, teilte der Bf. mit Stellungnahme vom 12. Oktober 2005 mit, dass dieser Umstand nicht (mehr) bestritten werde. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Nichtgewährung der rechtzeitig beantragten Fristerstreckung den Beschuldigten in seinem Grundrecht auf die Durchführung einer Verhandlung vor einem unabhängigen Richter verletzen würde.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Vorweg ist zu der durch die angeführte Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 28. Februar 2005 der entscheidenden Behörde als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz aufgetragenen Sachentscheidung iSd. § 161 Abs. 1 FinStrG generell festzustellen, dass Gegenstand derselben einzig und allein die Beurteilung bzw. Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Erstbehörde (irrtümlich) auf die Bestimmung des (hier nicht zutreffenden) § 176 Abs. 2 FinStrG gestützten erstinstanzlichen Bescheides ist bzw. sein kann (vgl. dazu z. B. VwGH vom 14. Mai 1991, Zl. 90/14/0262).

Der Aktenlage zur SN 046-2002/00342-002 ist nachstehender für die Beurteilung dieser Frage als maßgeblich zu erkennender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz, Senat III, als Organ des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 22. Oktober war der nunmehrige Bf. für schuldig erkannt worden, dadurch, dass er als abgabenrechtlich Verantwortlicher der Firma JN gewerbsmäßig unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate November und Dezember 2001 in Gesamthöhe von 10.210,11 € bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben, das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 2 lit. a iVm. 38 Abs. 1 (ergänze: lit. a) FinStrG begangen zu haben. Gemäß den bezogenen Gesetzesstellen wurde gegen den nunmehrigen Bf. eine Geldstrafe iHv. 5.000,00 € bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Wochen verhängt sowie auf Kostenersatz iHv. 363,00 € erkannt.

Gegen dieses, dem (im Strafverfahren bis dahin unvertretenen) Bf. am 3. Dezember 2004 nachweislich zugestellte Straferkenntnis erhob der Beschuldigte mit Schreiben vom 3. Jänner 2005 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung iSd. § 151 FinStrG und beantragte gleichzeitig die Beigabe eines Verteidigers gemäß § 77 Abs. 3 FinStrG.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 2005 gab die Finanzstrafbehörde erster Rechtsstufe diesem Antrag des Bf. auf Verfahrenshilfe statt und ersuchte gleichzeitig die Kammer der Wirtschaftstreuhänder, für den Beschuldigten einen Verteidiger zu bestellen.

Am 20. Jänner 2005 gab die Kammer der Wirtschaftstreuhänder der bezeichneten Behörde bekannt, dass der nunmehr einschreitende Vertreter des Bf. als Verfahrenshilfeverteidiger bestellt worden sei.

Mit Schreiben vom 26. Jänner 2005 teilte das Finanzamt Linz dem Bf. - zu Handen des namhaft gemachten Vertreters - mit, dass die Berufung vom 3. Jänner 2005, indem sie weder eine Erklärung der angefochtenen Punkte des Erkenntnisses und der beantragten Änderungen noch eine Begründung enthalte, nicht den (gesetzlichen) Erfordernissen des § 153 Abs. 1 FinStrG entspreche und forderte den Bf. unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass bei Versäumnis dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gelte, auf, bis zum 22. Februar 2005 die angeführten Mängel zu beheben. Dieser Mängelbehebungsauftrag wurde dem ausgewiesenen Vertreter nachweislich am 4. Februar 2005 zugestellt (Bl. 140 des Strafaktes).

Mit Telefax vom 21. Februar 2005 (eingelangt beim Finanzamt Linz am gleichen Tag, s. Eingangsvermerk auf Bl. 142 des Strafaktes) ersuchte der Bf. unter Hinweis auf die Komplexität des Sachverhaltes und auf die noch beizubringenden Unterlagen ("Strafakte, Akt des Finanzamtes etc.") um Erstreckung der Frist zur Mängelbehebung bis zum 14. März 2005.

Mit Erhebung der hier verfahrensgegenständlichen Beschwerde, d. h. am 14. März 2005, wurden schließlich (in einem weiteren der Beschwerde angeschlossenen Schriftsatz) die im Behebungsauftrag vom 26. Jänner 2005 angeführten Mängel der Berufung gegen das Straferkenntnis behoben.

Aus dem von der Finanzstrafbehörde erster Instanz im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerde übermittelten Strafakt geht weiters hervor, dass dieser seit dem 3. Dezember 2004 (Datum der Zustellung des Straferkenntnisses an den Bf.) bei der Strafsachenstelle des Finanzamtes Linz (zur möglichen Einsichtnahme durch den Beschuldigten bzw. dessen Vertreter iSd. § 79 FinStrG) auflag und der Vertreter des Bf. (nach vorheriger telefonischer Ankündigung) tatsächlich am 25. Jänner 2005 ebendort Akteneinsicht genommen hat (Bl. 151 f).

Gemäß § 156 Abs. 2 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz dann, wenn ein Rechtsmittel (§§ 150 ff. FinStrG) nicht den im § 153 umschriebenen gesetzlichen Erfordernissen entspricht oder wenn es ein Formgebrechen aufweist, dem Rechtsmittelwerber die Behebung der Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass das Rechtsmittel nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (vgl. auch § 275 BAO).

Wird einem (berechtigten) Mängelbehebungsauftrag nicht, nicht zeitgerecht oder (auch nur) unzureichend entsprochen, so ist die Behörde verpflichtet, einen (Feststellungs-)Bescheid zu erlassen, mit dem die vom Gesetzgeber vermutete (und mit Fristablauf bereits eingetretene) Zurücknahme des Rechtsmittels festgestellt wird (vgl. dazu z. B. VwGH vom 28. Februar 1995, Zl. 90/14/0225). Da mit (ungenutztem) Ablauf der (behördlichen) Frist das Rechtsmittel (Berufung bzw. hier Beschwerde) ex lege als zurückgenommen gilt, besteht diese behördliche Verpflichtung selbst dann, wenn die erkennende Behörde der Ansicht ist, dass berücksichtigungswürdige Gründe für die Fristüberschreitung vorliegen würden (vgl. dazu VwGH vom 18. November 1985, Zl. 85/15/0286).

Nach dem § 56 Abs. 2 FinStrG zufolge mangels eigener diesbezüglicher Regelungsinhalte des FinStrG auch für den Bereich des Finanzstrafverfahrens geltenden § 110 Abs. 2 BAO ist die zur Behebung der Rechtsmittelmängel gesetzte (behördliche) Frist grundsätzlich einer Verlängerung zugänglich.

Da es für die Bestimmung des Zeitpunktes des Einlangens eines (schriftlichen) behördlichen Anbringens lediglich auf die Postaufgabe des an die zuständige Behörde gerichteten und dort auch einlangenden Anbringens (vgl. § 108 Abs. 4 BAO) bzw. auf das Einlangen bei der Einlaufstelle der (zuständigen) Behörde oder auf die Übernahme durch einen Organwalter (allenfalls innerhalb der Amtsstunden), nicht aber auf die (behördeninterne) Weiterleitung des Anbringens an den - letzten Endes - für dessen Bearbeitung zuständigen Organwalter bzw. Sachbearbeiter, ankommt (vgl. dazu Stoll, BAO-Kommentar, 848), ist anders als in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt, nach der oben dargestellten Aktenlage davon auszugehen, dass der zulässigerweise (vgl. § 86 a Abs. 2 BAO iVm. FOnV, BGBl 1991/494 idF. II 2002/395) per Telefax eingebrachte Antrag auf Verlängerung der behördlichen und damit auch verlängerbaren Frist noch vor deren Ablauf (§§ 108 ff BAO) und somit fristgerecht beim (zuständigen) Finanzamt (als Finanzstrafbehörde erster Instanz) eingelangt.

Damit lässt sich aber für den Rechtsstandpunkt des Bf. insofern nichts gewinnen, als einem derartigen Antrag auf Fristverlängerung mangels ausdrücklicher Rechtsgrundlage (vgl. z. B. § 245 Abs. 3 BAO) keine den Fristlauf hemmende Wirkung zukommt (vgl. VwGH vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/14/0213) bzw. auch ein rechtzeitig, d. h. noch vor Fristablauf, gestellter Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist nichts am weiteren Fort- bzw. Ablauf der behördlichen Frist zu ändern vermag (vgl. Ritz, Mängelbehebungsverfahren gemäß § 275 BAO, ÖStZ 1987, 86).

Der Antragsteller kann somit nicht darauf vertrauen, dass, seinem Ansuchen (ganz oder teilweise) folgend, die behördlich gesetzte Frist entsprechend verlängert wird bzw. dass bei der Abweisung des Antrages auf Fristverlängerung eine (zusätzliche) Nachfrist zur Erfüllung des erteilten Auftrages gewährt wird (vgl. VwGH vom 27. Juni 1978, Zl. 763, 1457, 1458/8).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes spielt es für die Rechtmäßigkeit der Zurücknahmeerklärung auch keine Rolle, ob die die Zurücknahme des Rechtsmittels wegen Nichtbehebung bzw. wegen nicht fristgerechter Behebung des Verbesserungsauftrages feststellende Behörde über einen Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist (gleichgültig wann der Antrag gestellt wurde) überhaupt abspricht oder sogleich, dh. nach ungenutztem Ablauf der Behebungsfrist, mit der Feststellung der Zurücknahme der Berufung vorgeht (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2700 ff).

Einem Rechtsmittel gegen den Ausspruch der Zurücknahme einer Berufung iSd. § 156 Abs. 2 FinStrG käme neben den in Ritz, BAO2, Rz. 20 zu § 275, erster bis vierter Anstrich, angeführten Fällen regelmäßig nur dann Berechtigung zu, in denen entweder die ursprüngliche Berufung gar keinen Mangel iSd. § 153 leg. cit. aufgewiesen hätte oder aber die von der Erstbehörde für die Mängelbehebung bestimmte Frist den Umständen des Anlassfalles nicht angemessen gewesen wäre (VwGH vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/14/0213).

Da dafür jedoch die dargestellte Aktenlage keine Anhaltspunkte erkennen lässt - so erscheint insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Bf. für die Beischaffung der von ihm zur Mängelbehebung benötigten verfahrensrechtlich relevanten Unterlagen (im Wege der Akteneinsicht bei der Erstbehörde) ohnehin eine für durchaus als ausreichend zu erachtende mehr als zwei Wochen (vom 4. bis zum 22. Februar 2005) bzw. mehrere Tage (vom 17. bis zum 22. Februar 2005) umfassende Frist zur Verfügung stand - war, da auch in der rechtsrichtigen Erlassung eines Bescheides über die Zurücknahme der Berufung keine Verletzung des gemäß Art. 83 B-VG gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erkannt werden konnte (vgl. VfGH vom 17. Oktober 1980, Zl. B 55/77), spruchgemäß zu entscheiden und nach der sich aus der geltenden Rechtslage (§ 156 Abs. 2 FinStrG) ergebenden Modifizierung des Spruches die gegen den Bescheid vom 28. Februar 2005 erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Linz, am 7. November 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 156 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 110 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Rechtsmittelerfordernisse, Mängelbehebung, Zurücknahmeerklärung, Fristverlängerungsantrag

Stichworte