UFS RV/0534-L/02

UFSRV/0534-L/029.5.2003

Haftung bei Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Agenden durch einen Prokuristen

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2003/16/0104 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom 16.12.2004.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Helfried Krainz gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz betreffend Haftung für Abgaben gemäß § 9 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf den Straßenverkehrsbeitrag 1986 in Höhe von € 12.548,14 (S 172.666,17) eingeschränkt.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Bw. war Geschäftsführer der S & E GmbH. Mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 10.4.1989 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Vermögens abgewiesen. Die S & E GmbH wurde am 17.1.2003 im Firmenbuch gelöscht.

Die S & E GmbH war im Güterbeförderungsgewerbe tätig, und führte Nah- und Ferntransporte durch. Dadurch fielen Straßenverkehrsbeiträge im Sinne des Straßenverkehrsbeitragsgesetzes 1978 an.

Dieser im Jahr 1978 eingeführten Beitragspflicht unterlag auch die Beförderung von Gütern im Inland mit Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen. Dies führte dazu, dass mehrere Staaten von österreichischen Unternehmern bei Güterbeförderungen in ihrem Staatsgebiet neue Abgaben einhoben, bestehende Abgaben erhöhten oder sistierte Abgaben wieder einhoben. Dadurch trat eine wesentliche Verschlechterung der Wettbewerbsverhältnisse österreichischer Unternehmer ein.

Das Bundesministerium für Finanzen vertrat daher in einem auch im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlichten Erlass die Ansicht, dass die aus Anlass der Einführung des Straßenverkehrsbeitrages von österreichischen Unternehmern im Ausland neu zu tragenden Belastungen insoweit die Einhebung inländischer Abgaben (insbesondere rückständiger oder bereits entrichteter Straßenverkehrsbeiträge) als unbillig im Sinne des § 236 BAO erscheinen lassen würden.

Die S & E GmbH brachte unter Bezugnahme auf diesen Erlass fortwährend Ansuchen um Nachsicht von bereits entrichteten inländischen Straßenverkehrsbeiträgen in Höhe von jeweils detailliert aufgegliederten ausländischen Straßensteuern ein. Diesen Nachsichtsansuchen wurde vom Finanzamt entsprochen.

So wurden auch in den Jahren 1988 und 1989 mit den nachstehend angeführten Bescheiden gemäß § 236 BAO gegen jederzeitigen Widerruf folgende Abgabennachsichten gewährt:

Ansuchen

Bescheid

Betrag in ATS

Straßenverkehrsbeitrag

18.12.1987

14.01.1988

103.534,00

1984

28.03.1988

25.04.1988

116.423,00

1984 und 1985

10.05.1988

31.05.1988

124.805,00

1985

31.05.1988

21.06.1988

86.311,00

1985

18.08.1988

07.09.1988

85.081,00

1985

19.06.1988

20.12.1988

22.419,00

09/85

27.10.1988

17.11.1988

30.01.1989

104.361,00

1985

21.02.1989

03.04.1989

27.584,00

34.831,00

12/85

01/86

07.04.1989

18.05.1989

37.505,00

1986

11.05.1989

28.06.1989

59.626,00

1986

05.06.1989

22.06.1989

05.07.1989

97.364,00

1986

In einer vom Bw. unterfertigten "Änderungsanzeige für den Straßenverkehrsbeitrag für die Jahre 1987, 1988 sowie 1989" vom 4.3.1994, beim Finanzamt eingebracht am 7.3.1994, wurde mitgeteilt, dass die S & E GmbH seit September 1987 keine Umsätze mehr getätigt habe, und dazu auch auf die Umsatzsteuervoranmeldungen ab diesem Zeitraum verwiesen, in denen die Umsätze mit Null angegeben worden waren. Es mögen daher die ab diesem Zeitpunkt entrichteten Straßenverkehrsbeiträge gutgeschrieben werden.

In einer weiteren vom Bw. unterfertigten (undatierten) Eingabe, beim Finanzamt eingelangt am 15.3.1994, wurden Besitznachweise für zahlreiche Fahrzeuge vorgelegt. Demnach gehörten diese nicht (mehr) der S & E GmbH, sondern der SCH GmbH & Co KG. Kommanditisten der SCH GmbH & Co KG waren die Gesellschafter der S & E GmbH.

Das Finanzamt erließ daraufhin entsprechende Bescheide über den Straßenverkehrsbeitrag für die Jahre 1987 bis 1989.

Weiters wurden mit Bescheid vom 22.6.1994 die oben angeführten Nachsichten zum Teil widerrufen.

Der Widerruf umfasste dabei folgende Straßenverkehrsbeiträge, die den ab September 1987 (nicht von der S & E GmbH, sondern von der SCH GmbH & Co KG) entrichteten ausländischen Straßensteuern entsprachen:

Bescheide

Nachsicht

Straßenverkehrs-beitrag

Widerruf

14.01.1988

103.534,00

1984

54.705,00

25.04.1988

116.423,00

1984 und 1985

76.841,60

31.05.1988

124.805,00

1985

103.247,10

21.06.1988

86.311,00

1985

80.754,00

07.09.1988

85.081,00

1985

78.361,00

20.12.1988

22.419,00

09/85

22.419,00

30.01.1989

104.361,00

1985

104.361,00

03.04.1989

27.584,00

34.831,00

12/85

01/86

27.584,00

34.831,00

18.05.1989

37.505,00

1986

37.505,00

28.06.1989

59.626,00

1986

59.626,00

05.07.1989

97.364,00

1986

97.364,00

In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, dass laut Schreiben vom 4.3.1994 die S & E GmbH seit September 1987 keine Umsätze mehr durchgeführt habe. Dadurch hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse, die zu einer Nachsicht der "ausländischen Straßensteuer" geführt hatten, geändert, sodass die Bescheide gemäß § 294 Abs. 1 BAO zu widerrufen gewesen wären.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 22.7.1994 Berufung erhoben. Die Berufung wurde damit begründet, dass die Nachsichtsbescheide rechtskräftig wären. Außerdem sei der Widerruf "wegen Verjährung" unzulässig.

Im Zuge eines vom Finanzamt durchgeführten Mängelbehebungsverfahrens wurde in einer vom Bw. unterfertigten Eingabe vom 29.11.1994 ausgeführt, es sei richtig, dass die S & E GmbH seit September 1987 keine Transportaufträge getätigt habe. Jeder Transportunternehmer habe das Recht, "von seinem zuständigen Finanzamt seine beantragte ausländische Retorsionssteuer durch Nachsicht zu beantragen", wobei es nicht erforderlich sei, dass es sich "um einen identisch erforderlichen LKW-Zug" handle, jedoch müsse es sich um einen inländischen LKW handeln. Dies sei schon mit anderen Finanzämtern praktiziert worden. Es seien "korrekt nach BAO die Rechte und Pflichten in Anspruch genommen worden".

Mit Haftungsbescheid vom 31.3.1995 nahm das Finanzamt den Bw. gemäß § 9 BAO für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der S & E GmbH in Anspruch:

Zeitraum

Abgabenart

Betrag in S

1984

Straßenverkehrsbeitrag

86.761,60

1985

Straßenverkehrsbeitrag

416.726,10

1986

Straßenverkehrsbeitrag

229.596,00

1994

Pfändungsgebühr

1.673,00

1994

Barauslagenersatz

81,00

Der Straßenverkehrsbeitrag 1986 in Höhe von insgesamt "S 229.596,-" (richtig: S 229.326,-) gliederte sich dabei im Einzelnen auf wie in den obigen Tabellen dargestellt. Der dem Finanzamt bei der Ermittlung der Summe des Straßenverkehrsbeitrages 1986 unterlaufene Rechenfehler ist auf einen Ziffernsturz zurückzuführen (S 97.634,- statt richtig S 97.364,-).

In der Bescheidbegründung wurde darauf hingewiesen, dass die S & E GmbH im September 1987 die Tätigkeit eingestellt habe, weshalb die ab diesem Zeitpunkt beantragten Nachsichten von Straßenverkehrsbeiträgen zu widerrufen gewesen wären. Der Bw. habe als Vertreter der S & E GmbH bei der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen mangelnde Sorgfalt bewiesen, weshalb er für die angeführten Abgaben hafte.

Gegen diesen Haftungsbescheid wurde mit Eingabe vom 19.4.1995 Berufung erhoben, die mit dem Eintritt der Verjährung nach § 207 BAO begründet wurde.

Der Antrag des Bw. vom 3.5.1995 auf Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben war vom Finanzamt zwar zunächst mit Bescheid vom 6.6.1995 abgewiesen, nach Einbringung einer Berufung durch den Bw. jedoch schließlich mit Bescheid vom 13.7.1995 vollinhaltlich stattgebend erledigt worden.

In einer "Ergänzung der Berufung vom 19.4.1995" mit Schriftsatz vom 14.9.1995 führte der Bw. aus, dass er nicht als Haftender in Anspruch genommen werden könne, da ihm keine mangelnde abgabenrechtliche Sorgfaltspflicht nachgewiesen werden könne. Er habe als Geschäftsführer der S & E GmbH versucht, die Abgabenschulden laufend zu entrichten. Eine Abgabenschuld der Gesellschaft bestehe auch nicht. Bei der jetzt vorgeschriebenen Haftungsverpflichtung handle es sich nur um wieder aufgelebte Abgabenansprüche aus Retorsionsabgaben längst vergangener Jahre. Im Übrigen sei das Berufungsverfahren hinsichtlich der gegenständlichen Abgaben noch anhängig.

Im Zuge der Beantwortung eines von der damals zur Behandlung der Berufung gegen den Haftungsbescheid zuständigen Finanzlandesdirektion für Oberösterreich erlassenen Mängelbehebungsauftrages führte der Bw. in einer Stellungnahme vom 16.9.1997 ergänzend aus, dass er in seiner Funktion als Geschäftsführer Lieferanten und andere private Gläubiger bei der Rückzahlung von Verbindlichkeiten niemals gegenüber der Finanzverwaltung bevorzugt habe, insbesondere was die Einhaltung von Fälligkeitsterminen betreffe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 16.9.1999 gab das Finanzamt der Berufung der S & E GmbH vom 22.7.1994 gegen den Widerrufsbescheid vom 22.6.1994 teilweise statt. Hinsichtlich der Straßenverkehrsbeiträge 1984 und 1985 wurde der Widerruf der Nachsicht aufgehoben, hinsichtlich des Straßenverkehrsbeitrages 1986 dagegen bestätigt.

Nachdem ein Antrag vom 18.10.1999 auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden war, bestätigte der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom heutigen Tag, GZ. RV/0533-L/02, die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 16.9.1999.

Im gegenständlichen Haftungsverfahren wurde der Bw. in einem Vorhalt vom 2.4.2003 eingeladen, zu folgenden Punkten Stellung zu nehmen:

"1) Sie waren ab 29.8.1986 alleiniger Geschäftsführer der S & E GmbH und daher für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft verantwortlich.

Von der Gesellschaft wurden zwischen dem 18.12.1987 und 22.6.1989 Ansuchen um Nachsicht von Straßenverkehrsbeiträgen in Höhe ausländischer Straßensteuern (Retorsionsabgaben) eingebracht. Die Ansuchen waren jedoch nicht von Ihnen, sondern vom Gesellschafter Hermann E unterschrieben. Auch die Nachsichtsbescheide wurden zu dessen Handen zugestellt.

Welche Funktion kam diesem Gesellschafter im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu?

Es wird darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes bei Betrauung Dritter mit den abgabenrechtlichen Pflichten der Geschäftsführer diese Personen in solchen Abständen zu überwachen hat, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibt.

In welcher Weise sind Sie dieser Überwachungspflicht nachgekommen?

2) In einer "Änderungsanzeige für den Straßenverkehrsbeitrag für die Jahre 1987, 1988 sowie 1989" vom 4.3.1994 haben Sie mitgeteilt, dass die Gesellschaft schon seit September 1987 keine Umsätze mehr getätigt hatte, und dazu auch auf die Umsatzsteuervoranmeldungen ab diesem Zeitraum, in denen die Umsätze mit Null angegeben worden waren, verwiesen.

In einer weiteren (undatierten) Eingabe, beim Finanzamt eingelangt am 15.3.1994, haben Sie Besitznachweise für zahlreiche Fahrzeuge vorgelegt. Demnach gehörten diese nicht (mehr) der S & E GmbH, sondern der SCH GmbH & Co KG. Im Zuge einer Überprüfung der im Nachsichtsansuchen vom 5.6.1989 geltend gemachten ausländischen Straßensteuern wurden Belege vorgelegt, auf denen als Zahlungspflichtiger "SCH", also die SCH GmbH & Co KG ausgewiesen wird.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass von der S & E GmbH in den angeführten Nachsichtsansuchen ausländische Straßensteuern geltend gemacht wurden, die aufgrund der Einstellung der Tätigkeit im September 1987 nicht bei ihr, sondern bei der SCH GmbH & Co KG angefallen sind. Die Angaben in den oben erwähnten Nachsichtsansuchen waren daher unrichtig.

3) Um eine kurze Darstellung Ihrer aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse (Einkommen und Vermögen, allfällige Verbindlichkeiten, Sorgepflichten) wird ersucht."

In einer Stellungnahme vom 2.5.2003 wurde dazu Folgendes ausgeführt:

1. Die Firma S & E GmbH war seit 2.7.1975 beim Handelsregister des Kreisgerichtes Steyr protokolliert.

An der Firma waren Hermann E zu 95 % und seine Lebensgefährtin Elfriede S zu 5 % beteiligt. Bis zum Jahresende 1985 übten beide gemeinsam in der Firma die Geschäftsführung aus. Am 27.12.1985 wurde der Bw. zum Geschäftsführer bestellt, diese Bestellung wurde am 24.2.1986 im Handelsregister eingetragen.

Ebenfalls am 27.12.1985 wurde Hermann E formell als Geschäftsführer abberufen, gleichzeitig wurde ihm aber die Einzelprokura erteilt. Frau Elfriede S blieb damals weiterhin Geschäftsführerin, wurde von dieser Funktion aber mit 20.10.1986 abberufen.

Im Zuge gerichtlicher Erhebungen hat Frau Elfriede S zu dieser Situation angegeben, sie sei die gesamte Zeit über lediglich am Papier Geschäftsführerin gewesen, weil sämtliche Agenden der Geschäftsführung von Hermann E wahrgenommen wurden. Auch nach Übernahme der Geschäftsführung durch den Bw. hatte de facto Hermann E als Einzelprokurist weiterhin das Sagen bei der Firma S & E GmbH.

Dies hing mit folgendem Umstand zusammen:

Seit 15.5.1982 war beim Handelsregister des Kreisgerichtes Steyr eine Firma SCH GmbH & Co KG protokolliert. Kommanditist dieser Firma waren Hermann E mit einer Einlage von S 350.000,-- und Frau Elfriede S mit einer solchen von S 175.000,--. Komplementärin der Firma SCH GmbH & Co KG war die Firma SCH GmbH mit einer Einlage von S 25.000,--. Diese Firma stand zu 100 % im Eigentum der Firma S & E GmbH.

Da einerseits die Firma SCH für die Firma S & E GmbH Transportleistungen erbrachte und andererseits Zahlungen für die Firma S & E GmbH leistete, hatte die Firma S & E GmbH zum jeweiligen Jahresende der nachstehend angeführten Jahre folgende Verbindlichkeiten:

1983

S

9.300.000,--

1984

S

3.500.000,--

1985

S

600.000,--

1986

S

900.000,--

Die Buchwerte des Fuhrparks der Firma S & E GmbH hatten im Jahre 1979 rund S 5 Mio. betragen und betrugen im Jahre 1986 bloß noch S 1,2 Mio. Die Weiterführung des Betriebes der Firma S & E GmbH war offensichtlich nur durch Verkauf von Anlagen an die Firma SCH GmbH & Co KG möglich gewesen.

Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass die Lieferantenverbindlichkeiten der Firma S & E GmbH von S 9,9 Mio. im Jahre 1984 auf S 1,9 Mio. im Jahr 1986 reduziert wurden.

Weiters, dass sich die Bankverbindlichkeiten von S 12,1 Mio. im Jahr 1984 auf S 16,4 Mio. im Jahre 1986 erhöhten. Dies war dadurch möglich, dass die Ausweitung von Bankkrediten durch Haftungsübernahme von Hermann E auf seinen Privatliegenschaften möglich war. Die Ausweitung der Bankverbindlichkeiten von 1984 bis 1986 betrug S 4,3 Mio.

Das Dienstverhältnis des Bw. zur Firma S & E GmbH wurde zum 31.8.1989 einvernehmlich aufgelöst, nachdem die Gesellschaft bereits vorher am 10.4.1989 in Folge Abweisung eines Konkurseröffnungsantrages mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst worden war.

Dass die Firma S & E GmbH im September 1987 ihre Tätigkeit eingestellt habe, wie dies in der Begründung des Haftungsbescheides vom 31.3.1995 angeführt wurde, ist unrichtig. Dieses Unternehmen führte nach Erinnerung des Bw. zumindest bis 1988 noch weiterhin Transportleistungen durch. Sie besaß bis dahin jedenfalls noch Transportkonzessionen und führte Transporte mit von der Firma SCH GmbH & Co KG gemieteten Fahrzeugen durch, wobei die Transporterlöse dementsprechend auch auf die beiden Firmen, nämlich Firma S & E GmbH einerseits und Firma SCH GmbH & Co KG andererseits, aufgeteilt wurden.

2. Dem Bw. war zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung der Firma S & E GmbH deren wirtschaftliche und finanzielle Lage nicht bekannt, zumal der Jahresabschluss für das Jahr 1985 erst am 3.2.1987 erstellt wurde. Die an die Firma SCH erfolgten Fahrzeug- bzw. Anlagenverkäufe waren in keiner Weise auffällig, nachdem es sich bei der Firma SCH sozusagen um ein Schwesterunternehmen handelte. Auch hat Herr Hermann E immer wieder auf sein umfangreiches Privatvermögen Bezug genommen, welches auch tatsächlich zu Gunsten des Unternehmens dafür eingesetzt wurde, dass dem Unternehmen zwischen 1984 und 1986 Kreditmittel in Höhe von rund S 4,3 Mio. zugeführt wurden. In Folge dessen hatte der Bw. keinen wie immer gearteten Anlass daran zu zweifeln, dass das Unternehmen in der Lage ist offene Abgabenverbindlichkeiten abzudecken und dass es nicht zahlungsfähig ist.

Dazu kam in Verbindung mit Abgabenverbindlichkeiten noch folgender Umstand:

Die von der Firma S & E GmbH durchgeführte Transporttätigkeit bezog sich zum weit überwiegenden Teil, nämlich nach Einschätzung des Bw. zumindest zu 90 % bis 95 % auf Transportleistungen im Ausland, insbesondere von Deutschland in den Nahen Osten. In Bezug auf die Straßenverkehrsbeiträge stand daher zu erwarten, dass die offenen Beiträge der Jahre 1984, 85 und 86 wiederum "nachgesehen" werden, weil für derartige Auslandstransporte auch ausländische Straßensteuern eingehoben worden sind. Als Beispiel diente dem Bw. dabei die Nachsicht der Straßenverkehrsbeiträge für die Jahre 1981 bis 1983 im Betrage von S 1,222.496,--, die auch für die Jahre 1984, 1985 und 1986 zu erwarten war.

3. Gemäß § 209 Abs. 3 BAO darf ein Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit seiner Entstehung 15 Jahre verstrichen sind. Sowohl nach der vor dem Jahr 1987 gegoltenen und auch nach der seither geltenden Rechtslage findet die Durchsetzung von Abgabenansprüchen in der Verjährungsfrist von 15 Jahren jedenfalls ihre absolute Grenze. Dies nicht nur nach der ursprünglichen Rechtslage, sondern auch nach der Novelle BGBl. 1987/312, welche die absolute Verjährung nur auf die Festsetzung der Abgaben und nicht auch auf die Einhebung bezieht. Für den konkreten Fall muss dazu gesagt werden, dass die mit dem gegenständlich angefochtenen Haftungsbescheid festgesetzten Abgaben, nämlich Straßenverkehrsbeiträge 1984, 1985 und 1986 bereits aus der Zeit vor Inkrafttreten der Novelle 1987 stammen, die Verjährungsfrist in Bezug auf die Haftungsfrage des Bw. aber jedenfalls eine Frage der Festsetzung dieser Abgaben und nicht deren Einhebung betrifft. Die verfahrensgegenständlichen Abgaben müssen daher gegenüber dem Bw. als verjährt angesehen werden.

4. Zum Vorhalt:

a) Der Bw. hat vorstehend bereits darauf hingewiesen, dass Herrn Hermann E aus Anlass seiner Abberufung als Geschäftsführer am 27.12.1985 Einzelprokura erteilt wurde, sodass er damit berechtigt war auch allein und eigenständig das Unternehmen nach außen hin zu vertreten. Er war daher auch berechtigt, die zwischen dem 18.12.1987 und dem 22.6.1989 eingebrachten Nachsichtsansuchen zu stellen und diese auch zu unterfertigen. Er war dazu innerbetrieblich vor allem deshalb auch zuständig, weil diese Nachsichtsansuchen Zeiträume betrafen, nämlich die Jahre 1984, 1985 und 1986, für die der Bw. noch nicht die Geschäfte geführt hat. Die Funktion des Hermann E als Einzelprokurist, die übrigens auch im Handelsregister eingetragen war, ist offenkundig auch dem Finanzamt bekannt gewesen, weil die Nachsichtsbescheide zu dessen Handen zugestellt wurden.

Im Übrigen war für den Bw. klar, dass diese Nachsichtsansuchen gerechtfertigt waren, weil für die genannten Fahrzeuge ausländische Straßensteuern bezahlt worden waren (Retorsionsabgaben). Diese Nachsichtsansuchen waren daher im Interesse des Unternehmens und betrafen im Übrigen auch den Aufgabenbereich des Hermann E als Einzelprokurist, weil sich der Bw. als Geschäftsführer in erster Linie um den laufenden operativen Teil des Geschäftes der Firma zu kümmern hatte und es nahe liegend war, dass Agenden aus der Vergangenheit und damit aus einer Zeit, in der der Bw. noch nicht Geschäftsführer war, von Hermann E als damaliger Geschäftsführer erledigt werden.

Aus der Tatsache, dass den hier in Rede stehenden Nachsichtsansuchen auch stattgegeben wurde ergibt sich eindeutig, dass dem Bw. bezüglich der Straßenverkehrsbeiträge 1984, 1985 und 1986 keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann.

b) Die unter diesem Punkt angeführten Eingaben vom 4. und 15.3.1994 stehen dem Bw. nicht mehr zur Verfügung, weil die diesbezüglichen Geschäftsunterlagen der Firma S & E GmbH bei der Hochwasserkatastrophe im August 2002 vernichtet wurden.

Der Bw. verweist aber darauf, dass er im März 1994 für das Unternehmen nicht mehr tätig war, weil die Gesellschaft bereits im April 1989 aufgelöst wurde, worauf sein Dienstverhältnis zum Unternehmen per 31.8.1989 ebenfalls aufgelöst wurde. Dies laut Feststellung im arbeitsgerichtlichen Verfahren beim Kreisgericht Steyr. Dem Umstand, dass die Firma S & E GmbH im Handelsregister bzw. im Firmenbuch des Landesgerichtes Steyr erst später amtswegig gelöscht wurde, kommt in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung mehr zu, weil mit Auflösung des Unternehmens im April 1989 die Funktion des Bw. als Geschäftsführer nicht mehr aufrecht war.

Daraus ergibt sich weiters, dass die Eingaben vom 4. und 15.3.1994 entweder nicht vom Bw. stammen oder, sollten diese Eingaben seine Unterschrift tragen, dass er diese Eingaben nach seinem Ausscheiden über Ersuchen des Herrn Hermann E gefälligkeitshalber unterfertigt hat.

Inhaltlich verweist der Bw. zu den Ausführungen im Vorhalt, dass die bereits im Haftungsbescheid angeführte Einstellung der Tätigkeit der Firma S & E GmbH im September 1987 keinen nachvollziehbaren Grund dafür abgeben kann, dass die Nachsicht der für die Jahre 1984, 1985 und 1986 vorgeschriebenen Straßenverkehrsbeiträge in Zweifel gezogen hätten werden dürfen. Aus der Einstellung der Tätigkeit im September 1987 muss doch gerade der Schluss gezogen werden, dass in der vorangegangenen Zeit sehr wohl eine Transporttätigkeit ausgeübt wurde und dass daher mit Rücksicht auf die im Ausland entrichteten Straßensteuern eine Nachsicht der für die angeführten Jahre zur Vorschreibung gelangten Straßenverkehrsbeiträge gerechtfertigt ist.

Im Übrigen verweist der Bw. auf die vorstehende Sachverhaltsdarstellung, dass die Firma S & E GmbH im Zeitraum zwischen 1979 und 1986 einen Teil ihres Anlagenvermögens bzw. ihres Fuhrparks an ihre Schwesterfirma SCH verkauft hat, dieser Fuhrpark ihr aber weiterhin zumindest teilweise für die Durchführung von Transportaufträgen (im Ausland) zur Verfügung stand, weil eben diese Fahrzeuge von der Firma SCH angemietet wurden. Auch aus dieser Vorgangsweise kann keineswegs der Schluss gezogen werden, dass die vorerst erfolgte Nachsicht von Straßenverkehrsbeiträgen der Jahre 1984, 1985 und 1986 zu Unrecht erfolgt wäre und dass damit der Widerruf der Nachsicht gerechtfertigt war.

Wann immer dieser Widerruf verfügt wurde, konnte der Bw. bis dahin jedenfalls annehmen, dass diese Straßenverkehrsbeiträge insbesondere wegen der schon vorher nachgesehenen Straßenverkehrsbeiträge (für die Zeit von 1981 bis 1983) ebenfalls nachgesehen würden und damit nicht wirklich zu bezahlen sind. Nach dem Widerruf der Nachsicht kann eine Haftung des Bw. aber schon deshalb nicht mehr dem Gesetz entsprechen, weil die Firma S & E GmbH bereits mit Beschluss des Kreisgerichtes Steyr vom 10.4.1989 als aufgelöst erklärt wurde.

Vorsorglich macht der Bw. zu diesem Punkt auch noch geltend, dass das Unternehmen bis zu seiner Auflösung im April 1989 noch laufend Geschäfte abgeschlossen und Zahlungen getätigt hat. Beispielsweise wurden die Forderungen von Gläubigern, die in den letzten drei Jahren Konkursanträge gestellt hatten jeweils bezahlt und zwar waren dies im Jahr 1986 ein Gläubiger, im Jahre 1987 drei Gläubiger und im Jahr 1988 zwei Gläubiger. Wenn dabei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof für einen solchen Fall in seinem Erkenntnis vom 13.3.1997, 96/15/0128 ausgesprochen, dass dann eine Haftung für Abgaben bloß anteilig besteht. Auch dieser Umstand müsste berücksichtigt werden, wenn die vorstehend angeführten Argumente nicht bereits Anlass geben, den angefochtenen Haftungsbescheid aufzuheben.

c) Der Bw. verfügt über kein Vermögen. Er ist als Angestellter beschäftigt und bezog für den Monat April 2003 ein Nettoeinkommen von € 1.739,35. Er ist verheiratet und für die Ehefrau und ein mj. Kind im Alter von 13 Jahren sorgepflichtig.

Per 31.3.2003 schuldet er der Raiffeisenbank Kematen an der Krems Kreditverbindlichkeiten von zusammen € 95.266,34.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin fest. Am 10.4.1989 wurde ein Konkursantrag mangels Vermögens abgewiesen. Die Firma wurde am 17.1.2003 im Firmenbuch gelöscht.

Der Bw. war nach seinen Angaben in der Stellungnahme vom 2.5.2003 bereits seit 27.12.1985 Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Dem vormaligen Geschäftsführer Hermann E sei ab diesem Zeitpunkt Einzelprokura erteilt worden, und habe dieser de facto weiterhin das Sagen bei der Primärschuldnerin gehabt. Aus diesem Grund sei er auch berechtigt gewesen, die zwischen dem 18.12.1987 und 22.6.1989 eingebrachten Nachsichtsansuchen zu stellen.

Die Betrauung eines Prokuristen mit den steuerlichen Agenden führt zu keiner Einschränkung der abgabenrechtlichen Verantwortung des Geschäftsführers (vgl. VwGH 16.12.1999, 96/15/0104). Bereits im Vorhalt vom 2.4.2003 wurde darauf hingewiesen, dass bei der Betrauung Dritter mit den abgabenrechtlichen Pflichten der Geschäftsführer diese Personen in solchen Abständen zu überwachen habe, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibt. Der Bw. wurde aufgefordert darzulegen, in welcher Weise er dieser Überwachungspflicht nachgekommen wäre.

Der Bw. hat in der Stellungnahme vom 2.5.2003 weder behauptet noch näher dargelegt, dass und in welcher Weise er dieser Überwachungspflicht nachgekommen wäre. In der Verletzung dieser Überwachungspflicht ist daher eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO zu erblicken.

Wie bereits im Vorhalt vom 2.4.2003 ausgeführt, waren (vom Prokuristen Hermann E) in den gegenständlichen Nachsichtsansuchen ausländische Straßensteuern geltend gemacht worden, die nicht bei der S & E GmbH, sondern bei der SCH GmbH & Co KG angefallen waren. Davon war in freier Beweiswürdigung aus folgenden Gründen auszugehen:

In der vom Bw. selbst unterfertigten "Änderungsanzeige" vom 4.3.1994 bzw. der weiteren Eingabe vom 15.3.1994 hatte dieser ausgeführt, dass die S & E GmbH seit September 1987 keine Umsätze mehr getätigt habe. In den ab diesem Zeitpunkt eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen waren die Umsätze mit Null angegeben worden. Auch die im Zuge einer Überprüfung der im Nachsichtsansuchen vom 5.6.1989 geltend gemachten ausländischen Straßensteuern vorgelegten Belege weisen als Zahlungspflichtigen nicht die S & E GmbH, sondern die SCH GmbH & Co KG aus. Schließlich wurde auch für das Jahr 1988 mit Bescheid vom 30.6.1994 (wie sich auch aus dem Eingabebeleg ergibt gerade aufgrund der Einstellung der Tätigkeit im September 1987) keine Umsatzsteuer festgesetzt.

Mit der im Zuge der Stellungnahme vom 2.5.2003 abgegebenen Verantwortung, wonach die S & E GmbH auch nach dem September 1987 "zumindest bis 1988" noch weiterhin Transportleistungen durchgeführt habe, wobei die Transporterlöse dementsprechend auf die beiden Firmen (S & E GmbH und SCH GmbH & Co KG) aufgeteilt worden wären, setzt sich der Bw. sowohl mit seinen Angaben in den Eingaben vom 4.3.1994 und 15.3.1994 in Widerspruch, als auch mit den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen, in denen keine Erlöse mehr ausgewiesen wurden. Der Verantwortung in der Vorhaltsbeantwortung kann daher nicht gefolgt werden.

Im Übrigen führt der Bw. in der Stellungnahme vom 2.5.2003 unter Punkt 4) b selbst wieder aus, es müsse aus der Einstellung der Tätigkeit im September 1987 doch gerade der Schluss gezogen werden, dass in der vorangegangenen Zeit sehr wohl eine Transporttätigkeit ausgeübt worden sei, und daher mit Rücksicht auf die im Ausland entrichteten Straßensteuern eine Nachsicht der für die angeführten Jahre zur Vorschreibung gelangten Straßenverkehrsbeiträge gerechtfertigt sei.

Der Bw. übersieht dabei, dass die Nachsicht der Straßenverkehrsbeiträge 1986 nicht aufgrund von im Jahr 1986 entrichteten ausländischen Straßensteuern gewährt worden war, sondern in der Zeit ab September 1987 entrichtete ausländische Straßensteuern geltend gemacht wurden, die zur Nachsicht der Straßenverkehrsbeiträge 1986 führten. Dies war aufgrund der eingangs zitierten erlassmäßigen Regelung zwar ausdrücklich vorgesehen, setzte aber selbstverständlich voraus, dass die ausländischen Straßensteuern auch von der Nachsichtswerberin, und nicht etwa von einer Schwesterfirma entrichtet worden waren.

Verfehlt war daher auch die Ansicht des Berufungswerbers, wonach die Nachsichtsansuchen gerechtfertigt gewesen wären, "weil für die genannten Fahrzeuge ausländische Straßensteuern bezahlt worden waren". Es kam nicht darauf an, dass irgendeine der im Eigentum der erwähnten Gesellschafter stehende Gesellschaft die ausländischen Straßensteuern entrichtet hatte, sondern zur Stellung von Ansuchen um Nachsicht von Straßenverkehrsbeiträgen war nur jene Gesellschaft berechtigt, bei der die in den Nachsichtsansuchen geltend gemachten ausländischen Straßensteuern auch tatsächlich angefallen waren.

Der Widerruf der Nachsichten erfolgte mit Bescheid vom 22.6.1994. Der Bw. meint nun, dass eine Haftungsinanspruchnahme schon deshalb nicht mehr in Betracht käme, weil das primärschuldnerische Unternehmen schon aufgrund der Konkursabweisung mangels Vermögens am 10.4.1989 aufgelöst worden war.

Auch hier unterliegt der Bw. einem Irrtum. Wären nicht zu Unrecht Abgabennachsichten bereits entrichteter Straßenverkehrsbeiträge erwirkt worden, wären die aufgrund des Widerrufes bei der Gesellschaft wieder offenen Straßenverkehrsbeiträge nicht uneinbringlich geworden.

Der Bw. brachte weiters vor, dass von der Primärschuldnerin bis April 1989 noch Zahlungen getätigt worden wären. Auch wenn dabei der Gleichbehandlungsgrundsatz (gegenüber dem Abgabengläubiger) verletzt worden sei, bestünde nur eine anteilige Haftung für die gegenständlichen Abgaben.

Dies trifft grundsätzlich zu. Allerdings obliegt der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH 24.10.2000, 95/14/0090). Ein derartiger Nachweis wurde vom Bw. im gegenständlichen Verfahren nicht erbracht.

Unzutreffend ist schließlich die Ansicht des Bw., seiner Haftungsinanspruchnahme wäre der Eintritt der Verjährung entgegengestanden.

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stellt nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung eine Einhebungsmaßnahme dar, und ist daher innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig (Ritz, BAO-Kommentar², § 224 Tz 4 mit Judikaturnachweisen).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Nach § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 unterbrochen, wobei mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18.10.1995, 91/13/0037, 91/13/0038, bekennt sich der Verwaltungsgerichtshof nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Das bedeutet, dass auch Amtshandlungen gegenüber der Primärschuldnerin die Verjährung gegenüber dem Haftungspflichtigen unterbrechen.

Im gegenständlichen Fall erging hinsichtlich der Straßenverkehrsbeiträge 1986 am 25.1.1989 ein Festsetzungsbescheid, der die Verjährungsfrist unterbrochen hat. Diese begann daher mit Ablauf des Jahres 1989 neu zu laufen. Der Widerrufsbescheid vom 22.6.1994 erging somit vor Ablauf der Verjährungsfrist (31.12.1994), und hat seinerseits die Einhebungsverjährung wiederum unterbrochen. Die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist begann daher mit Ablauf des Jahres 1994 neu zu laufen.

Der angefochtene Haftungsbescheid vom 31.3.1995 wurde am 4.4.1995 zugestellt und erging damit kurz nachdem die Einhebungsverjährungsfrist neuerlich neu zu laufen begonnen hatte.

Der Antrag des Bw. vom 3.5.1995 auf Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben war vom Finanzamt zwar zunächst mit Bescheid vom 6.6.1995 abgewiesen, nach Einbringung einer Berufung durch den Bw. jedoch schließlich mit Bescheid vom 13.7.1995 vollinhaltlich stattgebend erledigt worden.

Gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO ist die Verjährung gehemmt, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die absolute Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO nur das Recht auf Festsetzung, nicht auch das Recht auf Einhebung und zwangsweise Einbringung von Abgaben beschränkt (Ritz, BAO-Kommentar², § 209 Tz 37).

Insgesamt gesehen erweist sich daher auch der Verjährungseinwand des Bw. als unberechtigt.

Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (VwGH 29.5.1996, 95/13/0236). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Die Überwachungspflicht gegenüber dem die steuerlichen Belange tatsächlich wahrnehmenden Prokuristen Hermann E wurde vom Bw. während seiner gesamten Geschäftsführungstätigkeit nicht wahrgenommen. Der Haftungspflichtige hat im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten daher auffallend sorglos gehandelt, und die Geschäftsführung offenkundig nur pro forma übernommen.

Der Berufungswerber ist 47 Jahre alt (geb. 21.5.1956) und daher noch geraume Zeit erwerbsfähig. Das monatliche Nettoeinkommen beträgt - bei zwei Sorgepflichten - immerhin € 1.739,35. Die Höhe der monatlichen Rückzahlungen an die Raffeisenbank Kematen wurde nicht näher dargestellt. Die Haftungsschuld beträgt auch nur einen geringen Bruchteil dieser Kreditverbindlichkeit. Es war daher nicht von vornherein davon auszugehen, dass die Haftungsschuld auch beim Bw. zur Gänze uneinbringlich wäre. Im Übrigen ist es keineswegs so, dass die Haftung etwa nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte.

Vom Berufungswerber wurden auch keine berechtigten Gründe vorgebracht, die trotz Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 BAO eine Abstandnahme von der Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung rechtfertigen würden.

Der Straßenverkehrsbeitrag 1986 haftet am Abgabenkonto der Gesellschaft nur mehr mit einem Betrag von € 12.548,14 aus. Die Haftungsinanspruchnahme war daher insoweit einzuschränken und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, 9. Mai 2003

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Prokurist

Verweise:

VwGH 16.12.1999, 96/15/0104

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