Kein Familienbeihilfenanspruch während der exekutivdienstlichen Grundausbildung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100041.2020
Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0081. Zurückweisung mit Beschluss vom 29.6.2020.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bfin, Adr1, vertreten durch Rechtsanwalt Ra, Adr2, über die Beschwerde vom 9. August 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom 21. Juli 2019, betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge Februar bis Mai 2019,
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 führte das Finanzamt eine Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe durch. In Beantwortung dieses Überprüfungsschreibens teilte die Beschwerdeführerin am 9. Juli 2019 unter Vorlage des Dienstprüfungszeugnisses ihres Sohnes K. vom 10. Jänner 2019 mit, dass dieser die Polizeigrundausbildung abgeschlossen habe.
In der Folge forderte das Finanzamt mit Bescheid vom 31. Juli 2019 die in den Monaten Februar bis Mai 2019 für das Kind K. ausbezahlte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt € 950,80 zurück. K. habe die Ausbildung am 10. Jänner 2019 abgeschlossen, weshalb vom Februar bis Mai 2019 kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestanden habe und die ausbezahlten Beträge deshalb zurückzufordern seien.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 9. August 2019 Beschwerde und brachte begründend vor, dass ihr Sohn zwar die Dienstprüfung bereits am 10. Jänner 2019 erfolgreich abgeschlossen habe, dies jedoch nur einen Nachweis darstelle, dass der theoretische Teil der Ausbildung abgeschlossen worden sei. Die Ausbildung dauere laut Curriculum zur Grundausbildung 24 Monate und bestehe aus Theorie- und Praxisphasen. K. habe die Ausbildung am 1. Juni 2017 begonnen und diese folglich mit 31. Mai 2019 beendet. Am Ende der Gesamtausbildung stehe die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Dies sei mit Bescheid der Landespolizeidirektion vom 1. Juni 2019 erfolgt. Es sei daher kein Betrag zu Unrecht bezogen worden. Beigelegt wurden der Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung, die Dienstzeitbestätigung vom 28. Juni 2017 und der Ernennungsbescheid vom 1. Juni 2019.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. November 2019 als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem Erkenntnis vom 18. Dezember 2018, Ra 2018/16/0203, das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich-rechtlich Bediensteten verneint und diese Zeit als Berufsausübung qualifiziert. Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert worden sei.
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) eingebracht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge § 26. FLAG 1967 anzuwenden.
Nach § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Sohn der Beschwerdeführerin, K., geboren am **.****.****, steht seit dem 1. Juni 2017 in einem Dienstverhältnis zum Bund und hatte bis Ende Mai 2019 die exekutivdienstliche Grundausbildung zu absolvieren.
Wie das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (VwGH 1.3.2007, 2006/15/0178, VwGH 20.2.2008, 2006/15/0076, VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 22.12.2011, 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit b) FLAG 1967 ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (VwGH 14.12.2015, Ro 2015/16/0005; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre: VwGH 26.5.2011, 2011/16/0077).
Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl. VwGH 18.11.1987, 87/13/0135). Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt (VwGH 27.8.2008, 2006/15/0080).
Im gegenständlichen Fall stand der Sohn der Beschwerdeführerin jedoch beginnend mit 1. Juni 2017 in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen er eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hatte, in der die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgte, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl. § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bundesministerium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).
In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr (vgl. VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203) auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt. Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.
Damit ist aber zweifelsfrei geklärt, dass auch der Sohn der Beschwerdeführerin durch die Absolvierung der exekutivdienstlichen Grundausbildung in der Zeit ab 1. Juni 2017 nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 stand, sondern bereits den Beruf ausübte.
Daran ändert auch nichts, dass das letztgenannte Erkenntnis zu einer "fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" ergangen ist.
Daraus folgt, dass auch im Rückforderungszeitraum Februar bis Mai 2019 keine Berufsausbildung vorlag und damit die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen worden sind.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückzahlung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe unabhängig (vgl. in ständiger Rechtsprechung zB. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0162). Das gleiche gilt nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch hinsichtlich der Kinderabsetzbeträge
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage, ob die exekutivdienstliche Grundausbildung Berufsausbildung oder Berufsausübung ist, wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits geklärt. Die (ordentliche) Revision war als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am 2. April 2020
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203 |