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Grenzüberschreitende Werkvertragsabschlüsse

BMFH 66/3-IV/4/9620.8.19961996

EAS 932

Schließt ein österreichischer Unternehmer mit einem ausschließlich in Deutschland ansässigen Konsulenten einen Vertrag, auf Grund dessen dieser die ausländische Marktbeobachtung und ausländische Vertriebsberatung für das österreichische Unternehmen übernimmt, dann müsste für Belange des innerstaatlichen Steuerrechtes zunächst geklärt werden, ob dieser ausländische Konsulent Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger (freiberuflicher) Arbeit erzielt. Freiberufliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit würden nur dann vorliegen, wenn eine Unternehmensberatung im engen Wortsinn des § 22 Z 1 EStG 1988 (Hinweis auf den BMF-Erlass AÖF Nr. 265/1992) gegeben ist. Bloße Marktbeobachtung sowie die Ausübung von bloßen Teilgebieten der in AÖF Nr. 265/1992 aufgezählten Beratungsgebiete belassen hingegen der Tätigkeit ihren gewerblichen Charakter.

Werden daher die Einkünfte des deutschen Konsulenten als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert, dann unterliegen diese nicht der inländischen beschränkten Steuerpflicht und damit auch keiner Steuerabzugspflicht, wenn im Inland keine Betriebstätte (zB ein eigener Büroraum) zur Verfügung steht und wenn die kaufmännische Beratung nicht auf österreichischem Staatsgebiet ausgeübt wird. Nach Auffassung des BM für Finanzen würde aber eine zur beschränkten Steuerpflicht führende inländische kaufmännische Beratung dann vorliegen, wenn der deutsche Konsulent anlässlich seiner österreichischen Firmenbesuche die Ergebnisse seiner deutschen Marktbeobachtung mit den österreichischen Firmenverantwortlichen erörtert und solcherart die inländische Beratung erfolgt; der Umstand, dass hierbei das für die Beratung erforderliche Wissen aus den auf deutschem Staatsgebiet ausgeübten Tätigkeiten stammt, ändert daran nichts.

Werden die Einkünfte als solche aus freiberuflicher Unternehmensberatungstätigkeit qualifiziert, dann tritt infolge des in § 98 Z 2 EStG 1988 verankerten "Verwertungstatbestandes" beschränkte inländische Einkommensteuerpflicht ein, da die Tätigkeit im Inland, nämlich zum Nutzen des österreichischen Betriebes, verwertet wird.

Ergibt sich nach dem Vorhergesagten eine inländische Steuerpflicht, dann wird diese nach inländischem Recht als "kaufmännische Beratung" im Sinn des § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 zu qualifizieren und folglich dem 20-prozentigen Steuerabzug zu unterwerfen sein; und zwar auch dann, wenn es sich um eine freiberufliche kaufmännische Beratung handelt, da die zitierte Gesetzesbestimmung (§ 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988) nach Auffassung des BM für Finanzen nicht nur auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzuwenden ist. Ist aber bereits nach § 99 EStG 1988 ein Steuerabzug vorzunehmen, dann stellt sich nicht mehr die weitere Frage, ob nach dem neuen § 109a EStG 1988 eine Werkvertragsabgabe zu erheben ist.

Legt der deutsche Konsulent eine deutsche Ansässigkeitsbescheinigung auf dem Vordruck ZS-D1 vor, dann kann das österreichische Unternehmen gemäß § 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum DBA-Deutschland den nach innerstaatlichem Recht vorgeschriebenen Steuerabzug in dem Maße unterlassen, als das DBA Österreich Besteuerungsrechte an den abzugspflichtigen Einkünften entzieht : dies wäre bei Fehlen einer inländischen Betriebstätte (bzw. ständigen Einrichtung) sowohl bei Gewerblichkeit der Einkünfte als auch bei Freiberuflichkeit der Einkünfte der Fall.

Die vorstehend beschriebenen differenzierenden Rechtswirkungen des innerstaatlichen Steuerrechtes bleiben in diesem Fall im Verhältnis zu Deutschland infolge des Verlustes des Besteuerungsrechtes durch das DBA-Deutschland rechtlich unerheblich; sie werden allerdings dann rechtliche Bedeutung erlangen, wenn Konsulenten in Staaten beschäftigt werden, mit denen keine dem DBA-Deutschland (bzw. dem OECD-Musterabkommen) entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen bestehen.

20. August 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

Schlagworte:

Werkvertrag, Konsulent, gewerbliche Tätigkeit, Beratungsleistungen, Beratungshonorare, freier Beruf, Gewerbebetrieb, Steuerabzug, Arbeitsort, feste örtliche Einrichtung, Abzugsbesteuerung, Abzugssteuer, Ansässigkeitsnachweis, Ansässigkeitsbestätigung, ständige Einrichtung, Inlandsbetriebstätte

Verweise:

§ 22 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 98 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 109a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Durchführungs-VO zum DBA-Deutschland
BMF 16.07.1992, 06 1202/2-IV/6/92, AÖF Nr. 265/1992

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