VwGH Ro 2019/13/0007

VwGHRo 2019/13/000715.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der H in G, vertreten durch die Consultatio Revision und Treuhand Steuerberatung GmbH & Co KG in 1210 Wien, Karl‑Waldbrunner‑Platz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 10. Oktober 2018, Zl. RV/7101777/2015, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2016 und Anspruchszinsen für die Jahre 2009 bis 2013, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114
BudgetbegleitG 2011
DBAbk Slowakei 1995 Art10
DBAbk Slowakei 1995 Art13
DBAbk Slowakei 1995 Art7
EStG 1988 §27a
EStG 1988 §37
EStG 1988 §94 Z2
EStG 1988 §94a
EStG 1988 §94a Abs1 Z3
EURallg
VwRallg
31990L0435 Mutter/Tochter-RL
31990L0435 Mutter/Tochter-RL Art2
32011L0096 Mutter/Tochter-RL
32011L0096 Mutter/Tochter-RL Art2
62002CJ0315 Lenz VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019130007.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die in Österreich ansässige Revisionswerberin war mit 94% am Stammkapital der ebenfalls in Österreich ansässigen X GmbH beteiligt, die keine operative Tätigkeit, sondern nur geschäftsleitende Funktionen ausübte, und brachte ihren Geschäftsanteil mit Notariatsakt vom 3. Dezember 2007 als Sacheinlage (ohne Gegenleistung) in eine am 30. Oktober 2007 gegründete slowakische Gesellschaft ein, die vom Typus her einer österreichischen GmbH & Co KG entspricht (im Folgenden: S KG). Im Streitzeitraum war die Revisionswerberin alleinige Gesellschafterin der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft und einzige Kommanditistin der S KG, wobei die Kommanditeinlage zunächst rund 66.000 € und ab 15. Dezember 2011 rund 6,000.000 € betragen hat. Am Gewinn bzw. Verlust und am Vermögen der S KG war ebenfalls nur die Revisionswerberin beteiligt. Im Jahr 2013 hat die S KG die verbleibenden Gesellschaftsanteile (6%) an der X GmbH erworben.

2 Die X GmbH, die sich mit der Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen und der Vermögensverwaltung befasst, war bis zum Jahr 2014 mit 25% an der Y Holding AG mit Sitz in der Schweiz beteiligt, welche ihrerseits Beteiligungen an Gesellschaften eines Schweizer Konzerns hielt. Laut dem bei Einbringung der Geschäftsanteile der X GmbH in die S KG erstellten Unternehmenswertgutachten war die Beteiligung der X GmbH an der Y Holding AG der einzige Vermögenswert mit Ertragskraft. Nach dem Verkauf dieser Beteiligung erwarb die X GmbH Wertpapiere, die sie im Dezember 2015 im Wege einer Sachausschüttung an die S KG übertrug. Die S KG verkaufte im November 2016 die Wertpapiere an die Revisionswerberin und verrechnete den Kaufpreis mit deren offenen Gewinnansprüchen.

3 Neben der im Dezember 2015 erfolgten Sachausschüttung schüttete die X GmbH im Streitzeitraum folgende Beträge an die S KG aus:

 Zahlung vom 15. Februar 2009

27,072.000,00 €

 Zahlung vom 15. März 2010

37,130.000,00 €

 Zahlung vom 28. Februar 2011

11,012.797,00 €

 Zahlung vom 31. Jänner 2012

19,507.345,00 €

 Zahlung vom 28. Februar 2013

7,500.407,20 €

 Zahlung vom 28. Juni 2013

9,635.834,09 €

 Zahlung vom 10. Februar 2015

29,000.000,00 €

 Zahlung vom 11. Dezember 2015

143,321.369,00 €

 Zahlung vom 22. Dezember 2015

11,231.638,00 €

  

 

4 Da es sich bei Kommanditgesellschaften wie der S KG um in der Anlage 2 zu § 94a bzw. § 94 Z 2 EStG 1988 genannte Gesellschaften im Sinne der Mutter‑Tochter‑Richtlinie handelt („komanditná spoločnost“), unterließ die X GmbH für die nach der Anteilsübertragung getätigten Gewinnausschüttungen den Abzug von Kapitalertragsteuer.

5 In der Einkommensteuererklärung 2007 wies die Revisionswerberin Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen aus und stellte den Antrag, für diese die Steuerschuld gemäß § 31 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nicht festzusetzen.

6 Das Finanzamt führte vor der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2007 und die Folgejahre ein Vorhalteverfahren betreffend den funktionalen Zusammenhang der eingebrachten Beteiligung an der X GmbH mit der Tätigkeit der S KG durch. Sodann erließ es Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2012, in denen es die Beteiligung an der X GmbH ‑ mit näherer Begründung ‑ weiterhin der Revisionswerberin zurechnete und die in diesen Jahren erfolgten Ausschüttungen der X GmbH dem Hälftesteuersatz unterzog. Nach Durchführung einer die Jahre 2013 und 2014 umfassenden Außenprüfung erließ das Finanzamt weiters die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016, in denen es die in diesen Jahren erfolgten Ausschüttungen der X GmbH dem besonderen Steuersatz gemäß § 27a EStG 1988 unterzog. Für die Jahre 2009 bis 2013 setzte das Finanzamt zudem Anspruchszinsen fest.

7 Die Revisionswerberin brachte gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2016 und die Bescheide betreffend Anspruchszinsen 2009 bis 2013 Beschwerden ein und führte in diesen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Übertragung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in eine ausländische Betriebsstätte bzw. in eine ausländische Personengesellschaft stelle einen Wegzugsfall dar, der nicht zu einer Wegzugsbesteuerung führen dürfe. Die rechtliche Würdigung des Finanzamtes laufe darauf hinaus, über Umwege eine Form der Wegzugsbesteuerung anzuwenden und die Ausschüttungen zu besteuern. Es liege auch ein Verstoß gegen das am 7. März 1978 mit der CSSR abgeschlossene und auf Grund eines Notenwechsels, BGBl. Nr. 1046/1994, im Verhältnis zur Slowakischen Republik weiter anzuwendende Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 34/1979, (im Folgenden DBA‑Slowakei) vor, weil entgegen den Bestimmungen des DBA ausländische Betriebsstättengewinne in Österreich besteuert würden. Die S KG als „komanditná spoločnost“ sei in der Anlage 2 zu § 94a bzw. § 94 Z 2 EStG 1988 genannt, weshalb die vom Finanzamt angewendete Ausschüttungsbesteuerung auch dem sekundären Gemeinschaftsrecht bzw. der Mutter-Tochter-Richtlinie widerspreche.

8 Die Beteiligung an der X GmbH stelle notwendiges Betriebsvermögen der S KG dar. Sie stehe im funktionalen Zusammenhang mit der Tätigkeit der S KG, diene der Tätigkeit der S KG, sei für die S KG unverzichtbar, ohne sie könne die S KG ihre Tätigkeit als gewerblicher Immobilienvermieter/‑händler nicht durchführen. Es sei offenkundig, dass die Beteiligung an der X GmbH den Betriebszweck der S KG fördere. Eine entsprechende Consultingtätigkeit und der Immobilienerwerb (inklusive Dienstleistungen) und auch der Handel seien nur mit Hilfe der slowakischen Gesellschaft möglich. Gründe dafür seien Wettbewerbsvorteil durch Standort und nationale Gesellschaft, Kommunikation mit dem Finanzamt, slowakische Dienstnehmer und Berater vor Ort (Ein‑ und Verkaufsgespräche, Hausverwaltungen vor Ort etc.), Handlungseffizienz und damit verbundene Kosteneffizienz, Portfoliostrategie in der Slowakei, alle notwendigen gesetzlichen Auflagen bzw. Vorschriften würden durch eine nationale Gesellschaft umgesetzt. Die Einkommensteuerrichtlinien zählten die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie den Betriebszweck des Beteiligten fördere oder eine enge Beziehung zwischen dem Beteiligten und der Kapitalgesellschaft bestehe.

9 Der vom Finanzamt vertretene Standpunkt, der S KG sei auf Grund von Entnahmen der Revisionswerberin die Möglichkeit zu Dispositionen genommen worden, sei unverständlich. Die Revisionswerberin habe als Alleingesellschafterin jede Entscheidung treffen können, wofür allein die Tatsache, dass die Kommanditeinlage im Jahr 2011 um rund 6,000.000 € erhöht worden sei, spreche. Der Differenzbetrag für getätigte Investition von 8,000.000 € sei durch Verwendung von Beteiligungserlösen der X GmbH finanziert worden. Im Jahr 2012 sei eine Liegenschaft erworben worden, und die vorgelegten Unterlagen belegten weitere Verhandlungen. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen darstelle, könne sie auch als gewillkürtes Betriebsvermögen zugerechnet werden.

10 Wenn die Beteiligung auch nach der Einbringung der Revisionswerberin zugerechnet würde, läge die Ausschüttung einer österreichischen Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter vor und die Kapitalertragsteuer wäre der Kapitalgesellschaft im Haftungswege vorzuschreiben (§ 93 EStG 1988). Die Vorschreibung im Veranlagungsweg sei nicht zulässig und widerspreche der Mutter‑Tochter‑Richtlinie.

11 Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 2012 stimmten nicht; diese würden minus 303.013 € und nicht minus 204.810 €, betragen.

12 Dass im Zeitraum 2008 bis 2015 Ausschüttungen der X GmbH in Höhe von rund 129,000.000 € Entnahmen aus der S KG in Höhe von rund 128,000.000 € gegenüberstünden, stimme ebenfalls nicht. In diesem Zeitraum seien rund 140,000.000 € ausgeschüttet und rund 122,000.000 € (Entnahmen von rund 128,000.000 €, rückgeführte Entnahme von rund 6,000.000 €) entnommen worden. Die S KG habe Investitionen in Höhe von rund 18,000.000 € durch Ausschüttungen der X GmbH finanziert, womit der Beteiligung der Status von notwendigem Betriebsvermögen der S KG zukomme. Dass die Ausschüttungen der X GmbH den Finanzierungsbedarf der S KG übersteigen würden, sei bei der Übertragung der Beteiligung (2007) noch nicht bekannt gewesen. Die Revisionswerberin habe nur nicht benötigte liquide Mittel entnommen. Eine gesetzliche Grundlage dafür, dass die ausgeschütteten Beträge zwingend von der S KG zu investieren seien, bestehe nicht.

13 Das im Dezember 2015 im Wege einer Sachausschüttung an die S KG übertragene Wertpapierdepot der X GmbH sei nachweislich auf die S KG übergegangen, die Zinsen für Jänner bis November 2016 seien in der Slowakei mit 23% versteuert worden. Da die Zinsen nunmehr auch in Österreich versteuert worden seien, liege eine unzulässige Doppelbesteuerung vor.

14 Schließlich mache die belangte Behörde auch keinen Unterschied zwischen der Übertragung der Beteiligung an die S KG durch die Revisionswerberin im Jahr 2007 und dem Kauf des 6%‑Anteils durch die S KG im Jahr 2013. Die durch Kauf erworbene Beteiligung sei ohne Zweifel der S KG zuzurechnen, weshalb die Zuweisung der Ausschüttungen als auch der Erträgnisse aus dem Depot um 6% zu kürzen sei.

15 Formell mangelhaft sei der Spruch des Einkommensteuerbescheides 2007, weil der Spruch eines negativen Nichtfestsetzungsbescheides fehle. Es müsse im Spruch zumindest durch einen Satz festgestellt werden, dass auf Grund der Annahme des Nichtübergangs der Beteiligung der Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld abgewiesen werde und deshalb eine Nichtfestsetzung der Steuerschuld unterbleibe. Andernfalls würde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld keiner Entscheidung zugeführt.

16 Was die Anspruchsverzinsung 2009 bis 2012 betreffe, sei es auf Grund der überlangen Entscheidungsdauer von sechs Jahren zu einer Schädigung der Revisionswerberin gekommen; als Entscheidungsfrist schreibe das Gesetz maximal sechs Monate vor.

17 Das Finanzamt legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und wies im Vorlagebericht u.a. darauf hin, dass im Jahr 2012 nur die vorläufigen Daten herangezogen worden seien und gegen eine Neuberechnung der Einkünfte aus der Beteiligung an der S KG kein Einwand bestehe.

18 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 teilweise statt. Den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2011 und 2013 bis 2016 gab es keine Folge und führte zur Begründung aus, die Tätigkeit der X GmbH habe im Halten und Verwalten einer Beteiligung bestanden, wohingegen die S KG im Immobilienbereich und der Unternehmensberatung tätig gewesen sei. Dies ließe einen wirtschaftlich/funktionalen Zusammenhang nicht ohne weiteres erkennen. Die Revisionswerberin habe ‑ über Vorhalt des Finanzamtes ‑ zwar wiederholt beteuert, dass die Beteiligung an der X GmbH der Tätigkeit der S KG diene und für diese Tätigkeit unverzichtbar sei, was diese Unverzichtbarkeit konkret ausmache und wie sich die Förderung des Betriebszweckes der S KG konkret manifestiere, sei von der Revisionswerberin aber weder dargelegt noch nachgewiesen worden.

19 Mit dem Vorbringen, Consultingtätigkeit und Immobilienerwerb seien nur mit Hilfe der S KG möglich, und dem Hinweis auf Wettbewerbsvorteile, die sich aufgrund der S KG ergäben, würden Gründe angeführt, aus denen es sinnvoll erscheine, die in der Slowakei ausgeübte Tätigkeit durch eine dort situierte Gesellschaft zu betreiben. Ein tragfähiges Argument für das Vorliegen eines funktionalen Zusammenhangs zwischen der Beteiligung an der X GmbH, die keinerlei Aktivitäten im Immobilien- bzw. Consultingbereich entfaltet habe, und der gewerblichen Betätigung der S KG liefere sie damit nicht.

20 Das gelte auch für den ins Treffen geführten Umstand, die S KG habe mit Ausschüttungen der X GmbH Immobilienprojekte finanziert. Abgesehen davon, dass nur ein geringer Teil der Ausschüttungen in der S KG verblieben sei, reiche die Tatsache, dass eine Beteiligung das Betriebsstättenvermögen mehre bzw. verstärke, für die Annahme der tatsächlichen Zugehörigkeit zur Betriebsstätte nicht aus. Dass für die Kapitalausstattung der S KG Ausschüttungen der X GmbH verwendet worden seien, bedeute daher nicht, dass die Beteiligung, ihrer Substanz und nicht nur ihrer äußeren Form nach, mit der Geschäftstätigkeit der S KG verbunden gewesen sei.

21 Ein hinreichend starker wirtschaftlich/funktionaler Zusammenhang zwischen der gewerblichen Tätigkeit der S KG und der Beteiligung an der X GmbH liege nicht vor, weshalb diese Beteiligung nicht der gewerblichen Betriebsstätte der S KG zurechenbar sei. Das Besteuerungsrecht an den Ausschüttungen der X GmbH werde daher durch Art. 10 Abs. 4 DBA-Slowakei nicht eingeschränkt, sondern stehe gemäß Art. 10 Abs. 1 DBA-Slowakei Österreich zu.

22 Für die Beurteilung der Frage, ob eine Beteiligung einen funktionalen Zusammenhang zur gewerblichen Betriebsstätte einer Personengesellschaft aufweise und damit abkommensrechtlich dieser Betriebsstätte zuzurechnen sei, könne es keinen Unterschied machen, ob die Beteiligung im Wege einer Einlage oder durch einen Verkauf an die Personengesellschaft übertragen worden sei. Folglich stehe Österreich das Besteuerungsrecht an den Ausschüttungen auch hinsichtlich jenes 6%‑Anteils an der X GmbH zu, den die S KG im Jahr 2013 käuflich erworben habe.

23 Da Art. 11 Abs. 3 DBA‑Slowakei den Betriebsstättenvorbehalt gleichlautend wie Art. 10 regle, also in gleicher Weise bestimme, dass Art. 7 (nur) dann auf Zinsen anzuwenden sei, wenn die Forderung, für die die Zinsen gezahlt würden, tatsächlich zu der im anderen Vertragsstaat gelegenen Betriebsstätte gehöre, sei auch zwischen den im Wege einer Sachausschüttung übertragenen Wertpapieren und der gewerblichen Betriebsstätte der S KG ein hinreichender funktionaler Zusammenhang zu fordern. Die Revisionswerberin habe auch hier keinen tatsächlichen Bezug zur gewerblichen Betätigung der S KG aufgezeigt. Dass ein solcher Bezug bestanden habe, erscheine zudem schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil die Wertpapiere nur vorübergehend, für einen Zeitraum von rund elf Monaten, bei der S KG verblieben seien. Österreich komme daher gemäß Art. 11 Abs. 1 DBA‑Slowakei auch das Besteuerungsrecht an den im Jahr 2016 zugeflossenen Wertpapierzinsen zu. Eine Anrechnung der Steuer, die in der Slowakei für die Zinsen bezahlt worden sei, auf die österreichische Einkommensteuer sei nicht möglich, weil Doppelbesteuerungsabkommen nur zur Anrechnung abkommenskonform einbehaltener ausländischer Steuern verpflichteten (Hinweis auf VwGH 24.5.2007, 2006/15/0045, VwSlg. 8238/F).

24 In § 94a bzw. (ab 1. April 2012) § 94 Z 2 EStG 1988 sei für Ausschüttungen österreichischer Körperschaften eine richtlinienkonforme Ausnahme von der Kapitalertragsteuerabzugspflicht vorgesehen. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen habe der Abzugsverpflichtete gemäß diesen Bestimmungen keine Kapitalertragsteuer abzuziehen, wenn die Muttergesellschaft eine ausländische „Gesellschaft“ (§ 94a Abs. 1 Z 3 EStG 1988) bzw. „Körperschaft“ (§ 94 Z 2 EStG 1988) sei, die die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Mutter‑Tochter‑Richtlinie erfülle. Gesellschaften slowakischen Rechts mit der Bezeichnung „komanditná spoločnost“ seien Gesellschaften im Sinne der Mutter‑Tochter‑Richtlinie. Ausschüttungen an solche Gesellschaften seien daher von der Abzugspflicht ausgenommen. Da die weiteren in § 94a bzw. § 94 Z 2 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Abzugspflicht vorlägen, habe die X GmbH von den an die S KG getätigten Ausschüttungen zu Recht keine Kapitalertragsteuer abgezogen.

25 Ein Widerspruch zwischen der Zuordnung der Beteiligung an der X GmbH zur S KG einerseits und der Besteuerung der Ausschüttungen der X GmbH bei der Revisionswerberin andererseits bestehe nicht, weil sich bei Fehlen eines ausreichenden funktionalen Zusammenhangs zwischen der GmbH‑Beteiligung und der gewerblichen Betriebsstätte der S KG in der Slowakei folgendes ergebe: Selbst wenn aus österreichischer Sicht die Beteiligung der slowakischen Betriebsstätte zuzuordnen sei, müssten für DBA‑Zwecke zwei getrennte Kreise angenommen werden. Einerseits eine (vermögensverwaltende) slowakische KG, welche die Beteiligung an der österreichischen GmbH halte (hier bleibe das Besteuerungsrecht für den österreichischen Gesellschafter bei Österreich), und andererseits eine (gewerbliche) slowakische KG mit denselben Gesellschaftern, die eine gewerbliche Betriebsstätte (aber ohne die Beteiligung an der österreichischen GmbH) in der Slowakei führe, für die das Besteuerungsrecht der Slowakei zustehe (Hinweis auf Zorn, Zuordnung einer Beteiligung zur Betriebsstätte im DBA‑Recht, RdW 2018, 254).

26 Für DBA‑Zwecke erfolge daher die Zuordnung der Beteiligung an der X GmbH zum vermögensverwaltenden, die Beteiligung haltenden Kreis der S KG, für welchen das Besteuerungsrecht bei Österreich bleibe. Gleiches gelte für die von der S KG von Jänner bis November 2016 gehaltenen Wertpapiere.

27 Da die Gewinnausschüttungen der X GmbH und die Wertpapiererträge nicht der Kapitalertragsteuer unterlägen, sei hinsichtlich dieser Ausschüttungen und Erträge keine Steuerabgeltung im Sinne des § 97 EStG 1988 eingetreten. Das Besteuerungsrecht an den Ausschüttungen und Wertpapiererträgen, welches abkommensrechtlich Österreich zukomme, sei daher im Veranlagungsweg wahrzunehmen.

28 Die Ausschüttungen und Zinserträge gehörten zum vermögensverwaltenden Kreis der S KG und stellten Einkünfte aus Kapitalvermögen dar, die das Finanzamt zu Recht nach Maßgabe des Zuflusses erfasst und mit dem Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 4 EStG 1988 (in der Fassung vor dem BBG 2011) bzw. dem besonderen Steuersatz gemäß § 27a EStG 1988 versteuert habe. Einen Fehler in den Berechnungen des Finanzamtes zeige die Revisionswerberin nicht auf.

29 Eine Verletzung von Unionsrecht sei mit dieser Besteuerung nicht verbunden, weil nach der Mutter‑Tochter‑Richtlinie, deren Intention darauf gerichtet sei, Gewinne von Unternehmensgruppen nur einmal zu besteuern, (nur) die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle zu befreien seien. Die einkommensteuerliche Erfassung der aus ihrer Beteiligung an einer slowakischen Personengesellschaft resultierenden Gewinne der Revisionswerberin in Österreich werde durch das Unionsrecht hingegen nicht eingeschränkt.

30 Das Finanzamt sei in den angefochtenen Bescheiden nicht davon ausgegangen, dass die im Jahr 2007 erfolgte Einbringung der Beteiligung an der X GmbH in die S KG zu einem Verlust des Besteuerungsrechtes Österreichs geführt habe. Ein Abspruch über eine durch Wegzug entstandene und nicht festzusetzende Steuerschuld sei daher nicht zu treffen gewesen.

31 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, „wie das Österreich zustehende Besteuerungsrecht im Falle des Fehlens des funktionalen Zusammenhangs einer Beteiligung mit der gewerblichen Betriebsstätte einer slowakischen komanditná spoločnost wahrzunehmen ist bzw. ob diese Besteuerung, wie es von der belangten Behörde und in der gegenständlichen Entscheidung vertreten wird, im Wege der Einkommensteuerveranlagung des österreichischen Gesellschafters der komanditná spoločnost vorgenommen werden kann“, noch nicht befasst habe.

32 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

33 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

34 Art. 3, 7, 10, 11, 13 und 23 des DBA-Slowakei lauten auszugsweise:

„Artikel 3

Allgemeine Definitionen

[...]

(2) Bei Anwendung dieses Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, welche Gegenstand dieses Abkommens sind.

Artikel 7

Unternehmensgewinne

(1) Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so dürfen die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebstätte zugerechnet werden können.

(2) Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaats seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus, so werden vorbehaltlich des Absatzes 3 in jedem Vertragsstaat dieser Betriebstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.

[...]

(7) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt.

[...]

Artikel 10

Dividenden

(1) Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, dürfen in dem anderen Staat besteuert werden.

(2) Diese Dividenden dürfen jedoch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber 10 vom Hundert des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen.

[...]

(4) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Dividenden im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte oder eine selbständige Arbeit durch eine dort gelegene feste Einrichtung ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte oder festen Einrichtung gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 beziehungsweise Artikel 14 anzuwenden.

[...]

Artikel 11

Zinsen

(1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, dürfen nur in dem anderen Staat besteuert werden.

[...]

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Zinsen im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte oder eine selbständige Arbeit durch eine dort gelegene feste Einrichtung ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte oder festen Einrichtung gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 beziehungsweise Artikel 14 anzuwenden.

[...]

Artikel 13

Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen

(1) Gewinne, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens im Sinne des Artikels 6 bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, dürfen im anderen Staat besteuert werden.

(2) Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat hat, oder das zu einer festen Einrichtung gehört, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für die Ausübung einer selbständigen Arbeit im anderen Vertragsstaat zur Verfügung steht, einschließlich derartiger Gewinne, die bei der Veräußerung einer solchen Betriebstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) oder einer solchen festen Einrichtung erzielt werden, dürfen im anderen Staat besteuert werden.

[...]

(4) Gewinne aus der Veräußerung des in den Absätzen 1, 2 und 3 nicht genannten Vermögens dürfen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist.

Artikel 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

(1) [...]

(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a)Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik [lt. Notenwechsel: Slowakischen Republik] besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich, vorbehaltlich der lit. b diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; die Republik Österreich darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

b)Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 10 oder 12 in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik [lt. Notenwechsel: Slowakischen Republik] besteuert werden dürfen, so rechnet die Republik Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik gezahlten Steuer entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die Einkünfte entfällt, die aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik bezogen werden.“

35 Im vorliegenden Fall ist im Wesentlichen strittig, ob die Beteiligung an der X GmbH und die im Dezember 2015 im Wege einer Sachausschüttung an die S KG übertragenen Wertpapiere der (gewerblichen) Betriebsstätte der S KG im Sinne des Art. 7 Abs. 1 und 2 DBA-Slowakei (Unternehmensgewinne) zugerechnet werden können und damit auch im Sinne des Art. 13 Abs. 2 DBA‑Slowakei Betriebsvermögen dieser Betriebsstätte sind. Für den Fall, dass die Beteiligung nicht der (gewerblichen) Betriebsstätte der S KG zurechenbar ist, ist weiters strittig, ob die Mutter‑Tochter‑Richtlinie einer Besteuerung der aus der Beteiligung resultierenden Dividenden bei der Revisionswerberin entgegensteht.

36 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. Oktober 2017, Ro 2016/13/0014, ausgesprochen hat, regelt das DBA‑Slowakei das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne parallel zur Verteilung der Besteuerungsrechte für die laufenden Einkünfte, wobei die tatsächliche Zugehörigkeit der Beteiligung Voraussetzung für die Zuordnung des Veräußerungserlöses und der laufenden Einkünfte zur Betriebsstätte ist. Dabei genügt es nicht, wenn die Beteiligung in den Büchern der nur in der Slowakischen Republik betrieblich tätigen Gesellschaft als deren Vermögen aufscheint, und zwar auch dann nicht, wenn dies ‑ bei der abkommensrechtlich gebotenen Betrachtung aus österreichischer Sicht ‑ nicht auf freier Entscheidung, sondern auf unternehmensrechtlichen Vorgaben in Verbindung mit der Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz beruhen sollte. An einem funktionalen Zusammenhang, auf den sich die Annahme der tatsächlichen Zugehörigkeit gründen ließe, kann es auch fehlen, wenn in diesem Sinn „notwendiges“ Betriebsvermögen vorliegt.

37 Die Revision führt zur Frage der tatsächlichen Zugehörigkeit aus, die S KG sei im Immobiliengeschäft tätig, das eine hohe Bonität erfordere, um Liegenschaftskäufe rasch finanzieren zu können. Opportunitäten könnten im Immobiliengeschäft nur dann wahrgenommen werden, wenn man rasch eine Kaufzusage mache und den Kaufpreis in der Folge rasch finanzieren könne. Um im Immobiliengeschäft tätig werden zu können, sei eine entsprechende Kapitalausstattung unbedingt erforderlich. Die Beteiligung stehe damit in einem funktionalen Zusammenhang zur Tätigkeit der S KG. Sollte man dieser Ansicht nicht folgen, wäre im Sinne des Grundsatzes von Treu und Glauben die österreichische Verwaltungspraxis zu beachten, die im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 bis zum 7. Februar 2008 einer DBA‑Betriebsstätte notwendiges, aber auch gewillkürtes Betriebsvermögen zugerechnet habe. Erst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2017, Ro 2016/13/0014, habe klargestellt, dass der funktionale Zusammenhang unabhängig von der Einordnung des Betriebsvermögens als notwendig oder gewillkürt vorliegen müsse.

38 Hinsichtlich des Vorbringens, die S KG sei im Immobiliengeschäft tätig und benötige eine entsprechende Kapitalausstattung, genügt es darauf zu verweisen, dass allein der Umstand, dass eine Beteiligung das Betriebsstättenvermögen mehrt bzw. „verstärkt“, für die Annahme der tatsächlichen Zugehörigkeit zur Betriebsstätte nicht ausreicht (vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 MA, Rz 164). Nichts anderes kann für die Zuordnung von Wertpapieren gelten. Im Hinblick darauf stößt es auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht diesem ‑ bereits im Beschwerdeverfahren ins Treffen geführten ‑ Umstand bei Beurteilung der Frage einer tatsächlichen Zugehörigkeit der Beteiligung an der X GmbH und der im Wege einer Sachausschüttung übertragenen Wertpapiere zur (gewerblich tätigen) Betriebsstätte der S KG keine maßgebliche Bedeutung beigemessen hat.

39 Auch das Vorbringen, die österreichische Verwaltungspraxis habe im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 bis zum 7. Februar 2008 einer DBA‑Betriebsstätte notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen zugerechnet und erst das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2017, Ro 2016/13/0014, habe klargestellt, dass der funktionale Zusammenhang unabhängig von der Einordnung des Betriebsvermögens als notwendig oder gewillkürt vorliegen müsse, führt die Revision ‑ unabhängig davon, ob und gegebenenfalls in welchem Bereich eine solche Verwaltungspraxis tatsächlich existiert haben sollte ‑ nicht zum Erfolg.

40 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Grundsatz von Treu und Glauben nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zum Tragen (vgl. zusammenfassend die bei Ritz, BAO6, § 114 Tz 9, referierte Rechtsprechung). Es müssen besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies z. B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der (zuständigen) Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt (vgl. etwa VwGH 15.9.2011, 2011/15/0126, mwN). Derartige besondere Umstände sind im Revisionsfall nicht zu erkennen.

41 Dem in der Revision vertretenen Standpunkt, § 94a bzw. (ab 1. April 2012) § 94 Abs. 2 EStG 1988 stünden einem Einbehalt der Kapitalertragsteuer durch die X GmbH entgegen und die der Revisionswerberin im Veranlagungsweg vorgeschriebene Steuer sei als unzulässige Quellensteuer im Sinne der Mutter‑Tochter‑Richtlinie zu qualifizieren, ist Folgendes zu entgegnen:

42 Die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter‑ und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten und deren Neufassung 2011/96/EU vom 30. November 2011 (im Folgenden: Mutter‑Tochter‑Richtlinie) zielen darauf ab, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften (also zwischen Körperschaften) von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen.

43 In Umsetzung der Mutter‑Tochter‑Richtlinie hat der österreichische Gesetzgeber mit BGBl. Nr. 681/1994 § 94a in das EStG 1988 eingefügt (vgl. ErlRV 1701 BlgNR 18. GP  6), der mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, in § 94 Z 2 EStG 1988 übernommen wurde (vgl. ErlRV 981 BlgNR 24. GP  128). In den angeführten Bestimmungen war bzw. ist eine Ausnahme von der Kapitalertragsteuerabzugspflicht nach § 95 EStG 1988 vorgesehen, wenn die Muttergesellschaft eine ausländische „Gesellschaft“ (§ 94a Abs. 1 Z 3 EStG 1988) bzw. „Körperschaft“ (§ 94 Z 2 EStG 1988) ist, die die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art. 2 der Mutter‑Tochter‑Richtlinie erfüllt. Gesellschaften slowakischen Rechts mit der Bezeichnung „komanditná spoločnost“ sind Gesellschaften im Sinne der Mutter‑Tochter‑Richtlinie. Ausschüttungen an solche Gesellschaften sind daher gemäß der in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben ergangenen Bestimmungen des § 94a bzw. (ab 1. April 2012) § 94 Z 2 EStG 1988 von der Abzugspflicht ausgenommen, auch wenn diese Gesellschaften aus der Sicht des österreichischen Steuerrechts als Personengesellschaften (also als transparent) und nicht als Körperschaften zu qualifizieren sind.

44 § 94a bzw. (ab 1. April 2012) § 94 Z 2 EStG 1988 stellt ‑ in Bezug auf Ausschüttungen an ausländische Körperschaften ‑ ausdrücklich auf die (jeweilige) Mutter‑Tochter‑Richtlinie ab. In Umsetzung zwingenden Unionsrechts verbieten diese Regelungen die Erhebung von Quellensteuer auf die Ausschüttung der österreichischen Kapitalgesellschaft an eine ausländische Einrichtung, die aus der Sicht der (jeweiligen) Mutter‑Tochter‑Richtlinie als ausländische Körperschaft einzustufen ist. Weder § 94a bzw. (ab 1. April 2012) § 94 Z 2 EStG 1988 noch die jeweilige Mutter‑Tochter‑Richtlinie verhindern aber, dass die ausländische Einrichtung aus der Sicht des österreichischen Steuerrechts als transparent anzusehen ist und somit das österreichische Einkommensteuerrecht eigenständig die Zurechnung der Einkünfte an die (in Österreich ansässige) natürliche Person normiert. Die Mutter‑Tochter‑Richtlinie und die durch sie bedingten Befreiungen von der Abzugsteuer schließen es also nicht aus, dass diese Ausschüttung bei der in Österreich ansässigen natürlichen Person, die Gesellschafter der ‑ aus österreichischer Sicht transparenten ‑ Gesellschaft slowakischen Rechts mit der Bezeichnung „komanditná spoločnost“ ist, als Einkommen erfasst und entsprechend besteuert werden kann (vgl. Stradinger in SWI 2011, 347 ff; ebenso Hohenwarter‑Mayr/Marchgraber in StAW 1/2016, 3 ff).

45 Eine Besteuerung bei der in Österreich ansässigen natürlichen Person kann ‑ entgegen dem Revisionsvorbringen ‑ schon deshalb nicht im Widerspruch zur Mutter‑Tochter‑Richtlinie stehen, weil diese einerseits nur die Besteuerungsfolgen von Ausschüttungen zwischen Körperschaften regelt und andererseits keine Vorgaben für die Einkünftezurechnung enthält. Eine Besteuerung der Ausschüttung bei der natürlichen Person steht im gegenständlichen Fall auch mit der Teleologie der Mutter‑Tochter‑Richtlinie im Einklang, deren Ziel darin besteht, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen, nicht aber die doppelte Nichtbesteuerung derartiger Zahlungen zu ermöglichen. Die der Revisionswerberin im Veranlagungsweg vorgeschriebene Einkommensteuer ist daher nicht als unzulässige Quellensteuer im Sinne der Mutter‑Tochter‑Richtlinie zu qualifizieren (vgl. wiederum Hohenwarter‑Mayr/Marchgraber, a.a.O.; in diesem Sinn auch die Ausführungen von Lang bei Stradinger in SWI 2011, 347 ff).

46 Die Revision rügt weiters, ein österreichischer Steuerpflichtiger, der eine Beteiligung an einer österreichischen Kapitalgesellschaft über eine slowakische Personengesellschaft halte, könnte schlechter gestellt sein als ein österreichischer Steuerpflichtiger, der eine solche Beteiligung direkt halte. Die Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 37 EStG 1988 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011) auf die Ausschüttung führe zu einer Erhöhung des Durchschnittssteuersatzes. Soweit es (im Einzelfall) dadurch zu einem „Schatteneffekt“ und somit zu einer Erhöhung der Steuerlast auf jene Teile des Einkommens komme, die nicht dem Hälftesteuersatz unterlägen, würde ein Steuerpflichtiger materiell schlechter gestellt als durch die „Endbesteuerung“ mit 25%. Dies stelle einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar, die das Ziel verfolge, es den Staatsbürgern eines Mitgliedstaates zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung zu gründen, um am Wirtschaftsleben dieses anderen Staates teilzunehmen.

47 Diesem Vorbringen ist vorweg zu entgegnen, dass dem Abzug der Kapitalertragsteuer von 25% bei der X GmbH die Mutter‑Tochter‑Richtlinie, also zwingendes Unionsrecht entgegensteht. Weiters ist darauf zu verweisen, dass sich der angesprochene Effekt von vornherein nicht mehr einstellen kann, seit der österreichische Gesetzgeber mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 für Einkünfte aus Kapitalvermögen einen besonderen Steuersatz von 25% eingeführt hat (§ 27a EStG 1988 mit Wirksamkeit ab 1. April 2012). In der Revision wird auch in keiner Weise konkret aufgezeigt, dass die bis dahin in Geltung stehende Regelung (§ 37 EStG 1988 in der bis 1. April 2012 geltenden Fassung) bei der Revisionswerberin zu einer Steuermehrbelastung geführt habe. Soweit sich im Einzelfall tatsächlich eine Steuermehrbelastung ergeben sollte, ist im Übrigen darauf zu verweisen, dass der fixe Steuersatz von 25%, falls dieser für einen Steuerpflichtigen tatsächlich günstiger sein sollte, in Anwendung des Unionsrechts auch schon vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011 gesichert war (vgl. dazu sinngemäß das Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑315/02, Lenz, und die unter Bezugnahme auf dieses Urteil ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 28. September 2004, 2004/14/0078, sowie vom 22. März 2006, 2003/13/0080).

48 Die Revision wendet sich weiters gegen die Besteuerung der Einkünfte aus jenen Wertpapieren, die im Zeitraum Jänner bis November 2016 im Depot der S KG gehalten worden seien, und trägt vor, für dieses Depot gälten die zur Beteiligung der X GmbH getroffenen Überlegungen. Selbst wenn man die Ansicht des Bundesfinanzgerichts zu Grunde lege, dass das Depot dem vermögensverwaltenden Kreis der S KG und damit in weiterer Folge der Revisionswerberin als in Österreich ansässige natürliche Person zuzurechnen sei, sei eine Befreiung jener Einkünfte, die bereits in der Slowakei der Körperschaftsteuer unterzogen worden seien, geboten, weil die Slowakei eine nach nationalem Recht und nach DBA zulässige Körperschaftsteuer einhebe. Die Slowakei betrachte die S KG als (intransparente) Körperschaft und besteuere deren Zinseinkünfte daher, ohne das DBA zu verletzen.

49 Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt, zumal Österreich ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nur dann kein Besteuerungsrecht an den aus den Wertpapieren resultierenden Kapitaleinkünften zustünde, wenn diese in einem funktionalen Zusammenhang mit der Tätigkeit der (gewerblichen) Betriebsstätte der S KG stünden. Das ist, wie das Bundesfinanzgericht zutreffend festgestellt hat, nicht der Fall, weshalb die Kapitaleinkünfte aus den Wertpapieren im Einkommen der Revisionswerberin zu erfassen sind. Die einkommensteuerliche Zurechnung der Einkünfte wird nicht im DB‑Slowakei geregelt.

50 Soweit die Revisionswerberin den Standpunkt vertritt, dass der das Jahr 2007 betreffende Einkommensteuerbescheid rechtswidrig sei, weil das Finanzamt und ihm folgend das Bundesfinanzgericht den in § 31 Abs. 2 EStG 1988 (idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012) vorgesehenen Antrag, wonach über die durch den Wegzug entstandene Steuerschuld im Abgabenbescheid abgesprochen, aber die Steuerschuld nicht festgesetzt werden solle, nicht erledigt hätten, ist auf Art. 13 Abs. 2 DBA‑Slowakei zu verweisen. Nach dieser Bestimmung dürfen Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte ist, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat hat, oder das zu einer festen Einrichtung gehört, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für die Ausübung einer selbständigen Arbeit im anderen Vertragsstaat zur Verfügung steht, einschließlich derartiger Gewinne, die bei der Veräußerung einer solchen Betriebsstätte (allein oder mit dem übrigen Unternehmen) oder einer solchen festen Einrichtung erzielt werden, im anderen Staat besteuert werden. Gewinne aus der Veräußerung von beweglichem Vermögen, das nicht unter Art. 13 Abs. 2 DBA‑Slowakei fällt, dürfen nach Art. 13 Abs. 4 DBA‑Slowakei nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Veräußerer ansässig ist. Da der in Rede stehende Vorgang somit das Besteuerungsrecht Österreichs nicht eingeschränkt hat, war auch der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 EStG 1988 (idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012) nicht eröffnet.

51 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

52 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Oktober 2020

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