VwGH 2004/14/0078

VwGH2004/14/007828.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der A L in S, vertreten durch Haslinger, Nagele & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 16. April 1999, RV-273.97/1-T7/97 , betreffend Einkommensteuer 1994 und Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

11992E073B EGV Art73b;
11992E073D EGV Art73d Abs1;
11992E073D EGV Art73d Abs3;
11997E056 EG Art56;
11997E058 EG Art58 Abs1;
11997E058 EG Art58 Abs3;
62002CJ0315 Lenz VORAB;
EStG 1988 §37;
EStG 1988 §93;
EStG 1988 §97;
EWR-Abk Art40;
SteuerreformG 1993;
11992E073B EGV Art73b;
11992E073D EGV Art73d Abs1;
11992E073D EGV Art73d Abs3;
11997E056 EG Art56;
11997E058 EG Art58 Abs1;
11997E058 EG Art58 Abs3;
62002CJ0315 Lenz VORAB;
EStG 1988 §37;
EStG 1988 §93;
EStG 1988 §97;
EWR-Abk Art40;
SteuerreformG 1993;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsangehörige, aber (seit 1994) in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. In ihren Einkommensteuererklärungen für 1994 und 1996 erklärte die Beschwerdeführerin Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von S 7,105.550,-- (1994) und S 14,600.139,-- (1996).

Diese Einkünfte aus Kapitalvermögen stammen von Kapitalgesellschaften ohne Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich. Diese dividendenauszahlenden (nämlich deutschen) Gesellschaften sind einer österreichischen Kapitalgesellschaft vergleichbar.

Bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1996 wurde ausgehend von einem Einkommen von S 6,962.525,-- (1994, S 7,105.550,-- abzüglich Sonderausgaben in Höhe von S 143.025,--) und S 14,531.346,-- (1996, S 14,600.139,-- abzüglich Sonderausgaben in Höhe von S 68.793,--) Einkommensteuer von S 3,365.410,-- (1994) und S 7,149.810,-- (1996) errechnet, auf welche deutsche Kapitalertragsteuer von S 1,385.198,-- (1994) und S 2,551.878,21 (1996) angerechnet wurde. Daraus errechnete sich die Einkommensteuer für 1994 mit S 1,980.212,-- und für 1996 mit S 4,597.932,--.

In einer dagegen erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, dass die Zugrundelegung des progressiven Einkommensteuersatzes gemäß § 33 EStG 1988 wegen Ausschlusses vom halben Einkommensteuersatz gemäß § 37 EStG 1988 und von der Endbesteuerung gemäß § 97 in Verbindung mit § 93 EStG 1988 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 40 EWR-Abkommen sowie Art. 73b EG-Vertrag verstoße. § 37 und § 97 EStG 1988 seien auf Grund der unmittelbaren Anwendung des Art. 40 EWR-Abkommen und Art. 73b EG-Vertrag daher so zu interpretieren, dass Dividenden aus "EU-Kapitalgesellschaften" wie Dividenden aus österreichischen Kapitalgesellschaften dem halben Steuersatz unterlägen beziehungsweise bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen durch die Kapitalertragsteuer endbesteuert seien.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 16. April 1999 wies die belangte Behörde - abgesehen von einer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittigen Änderung - die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 und 1996 als unbegründet ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 27. August 2002, EU 2002/0004-10 (99/14/0164), dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen Art. 73b Abs. 1 in Verbindung mit Art. 73d Abs. 1 lit. a und b und Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 58 Abs.1 lit. a und b und Abs. 3 EG) einer Regelung entgegen, wie sie § 97 Abs. 1 und 4 EStG 1988 in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und 4 EStG 1988 vorsieht, nach welcher der Steuerpflichtige bei Dividenden aus inländischen Aktien wählen kann, ob er sie bei einer pauschalen und endgültigen Besteuerung dem Steuersatz von 25% unterwirft oder ob er sie mit einem Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes versteuert, während Dividenden aus ausländischen Aktien stets mit dem normalen Einkommensteuersatz versteuert werden?

2. Ist für die Beantwortung der Frage 1. die Höhe der Besteuerung des Einkommens der Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in dem anderen EU-Mitgliedstaat oder dem Drittstaat, an welcher die Beteiligung besteht, von Bedeutung?

3. Falls Frage 1. bejaht wird: Kann der dem Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag) entsprechende Zustand dadurch herbeigeführt werden, dass die Körperschaftsteuer, die von Aktiengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in anderen EU-Mitgliedstaaten oder in Drittländern in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat entrichtet wird, anteilig auf die österreichische Einkommensteuer des Dividendenbeziehers angerechnet wird?

Mit Urteil vom 15. Juli 2004, in der Rechtssache C-315/02 , hat der EuGH zu den vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fragen zu Recht erkannt:

"1. Die Artikel 73b und 73d Absätze 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 Absätze 1 und 3 EG) stehen einer Regelung entgegen, die nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht, dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des normalen Steuersatzes unterliegen.

2. Die Weigerung, den Beziehern von Kapitalerträgen aus einem anderen Mitgliedstaat dieselben Steuervorteile wie den Beziehern österreichischer Kapitalerträge zu gewähren, lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Einkünfte der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften dort einem niedrigen Besteuerungsniveau unterliegen."

Die dritte Vorlagefrage beantwortete der EuGH nicht.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dieser Entscheidung des EuGH für den Beschwerdefall, dass die Anwendung des normalen Steuertarifs für Kapitalerträge von dividendenauszahlenden Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (gegenständlich Deutschland) haben, dem Gemeinschaftsrecht widerspricht und der angefochtene Bescheid daher hinsichtlich Einkommensteuer 1996 mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist.

Hinsichtlich Einkommensteuer 1994 ist darüber hinaus vor dem Hintergrund, dass Österreich im Jahr 1994 noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, aber seit 1. Jänner 1994 dem EWR angehörte, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 99/14/0081, zu verweisen, in welchem in einem ähnlich gelagerten Fall dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen wurde, dass das Steuerreformgesetz, BGBl. Nr. 818/1993 (mit welchem auch § 37 Abs. 1 Z. 3 in der ab 1994 geltenden Form normiert wurde) am 30. November 1993 kundgemacht wurde, das EWR-Abkommen hingegen (erst) am 29. Dezember 1993 (BGBl. Nr. 909/1993). Auch für den Beschwerdefall ergibt sich daraus, dass durch die spätere völkerrechtliche Norm des Art 40 EWR-Abkommens der früheren Norm insoweit derogiert worden ist, als sie im Widerspruch zum EWR-Abkommen stand.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch hinsichtlich Einkommensteuer 1994 als inhaltlich rechtswidrig und war somit in vollem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. September 2004

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