VwGH Ro 2018/17/0015

VwGHRo 2018/17/001529.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der A GmbH, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichte s Vorarlberg vom 8. Oktober 2018, LVwG-2-22/2017-R13, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §28

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018170015.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 26. August 2017 wurde in einem näher genannten Lokal in F eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt. Die revisionswerbende Partei erhob als Lokalbetreiberin in der Folge eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG).

2 Mit Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des LVwG vom 8. Oktober 2018 wurde dieser Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung "betreffend die Durchführung einer Hausdurchsuchung stattgegeben und das Öffnen des Kastens und das Besichtigen des Kasteninhaltes für rechtswidrig erklärt". Der Bund wurde zu einem näher bestimmten Kostenersatz an die revisionswerbende Partei verpflichtet, sowie ein Kostenersatzantrag der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht und ein Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung einer Beteiligtengebühr abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen diesen Spruchpunkt unzulässig sei.

3 Mit Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses wies das LVwG weiters die Beschwerde "betreffend das Aufbrechen von zwei Eingangstüren mittels einer Zweimann-Ramme" als unbegründet ab, verpflichtete die revisionswerbende Partei zur Leistung eines näher bezeichneten Kostenersatzes, wies einen Kostenersatzantrag und einen Antrag auf Zuspruch einer Beteiligtengebühr der revisionswerbenden Partei ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen diesen Spruchpunkt für zulässig. 4 Begründend führte das LVwG zu Spruchpunkt 2. zusammengefasst aus, Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sei es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermögliche, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten würden. Gegenständlich habe die belangte Behörde den begründeten Verdacht gehabt, dass in dem Lokal Glücksspiel veranstaltet werde und sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich im Lokal Personen befänden. Auch die zwangsweise Türöffnung sei zu Recht erfolgt. Sowohl die Polizei als auch die belangte Behörde hätten die Kontrolle zuvor angekündigt; erst nachdem die Türen jeweils nicht geöffnet worden seien, sei die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt angedroht und in der Folge auch durchgeführt worden. Der Einsatz der Zweimann-Ramme zur Türöffnung sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Aufgrund des abgeriegelten und zur Gänze verklebten Lokales habe für die einschreitenden Beamten auch keine Möglichkeit bestanden, sich konkrete Informationen über das Innere des Lokales und die darin aufhältigen Personen zu verschaffen. Der belangten Behörde sei bekannt gewesen, dass das in Rede stehende Lokal durch eine "Schleuse" und somit durch zwei Eingangstüren zu betreten sei. Anlässlich der gegenständlichen Kontrolle sei durch die Polizei zunächst geläutet, dann geklopft und mitgeteilt worden, dass es sich um die Polizei handle. Als keine Reaktion erfolgt sei, habe die Einsatzleiterin der belangten Behörde per Megaphon dazu aufgefordert, die Türe zu öffnen. Dabei sei angekündigt worden, dass die Türe mit Gewalt geöffnet werde, wenn der Aufforderung nicht nachgekommen werde. Die belangte Behörde sei zu diesem Zeitpunkt in Kenntnis darüber gewesen, dass bei Glücksspielkontrollen in der Vergangenheit bereits "Razzienfallen" in Form von zusätzlichen Sperriegeln, Sperrschiebern oder Fallen mit Pfefferspray installiert gewesen seien. Die belangte Behörde habe bei der Türöffnung von der Heranziehung eines Schlüsseldienstes abgesehen, da nach ihrer Einschätzung die Gefährdung von Zivilpersonen bzw. des Schlüsseldienstes beim Hantieren vor diesen Türen ein zu hohes Gefahrenrisiko dargestellt habe und nicht ausgeschlossen habe werden können, dass zusätzliche Sperrvorrichtungen an den Türen angebracht gewesen seien und somit der Schlüsseldienst mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Türen nicht hätte nachschließen können. Der Einsatz der Zweimann-Ramme sei daher von der belangten Behörde als einzig zielführendes Einsatzmittel angesehen worden, weshalb diese Art der Öffnungstechnik herangezogen worden sei. Dies könne nicht als rechtswidrig erkannt werden. Da die Türen des Lokales trotz Aufforderung nicht geöffnet worden seien, sei die Anwendung von verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt zulässig gewesen; durch die Nichtöffnung der Türe sei in Kauf genommen worden, dass die erfolgte Gewaltanwendung notwendig geworden sei.

5 Die Revision gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses sei zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur der Frage fehle "ob eine Türöffnung mittels einer Zweimann-Ramme, ohne dass die Behörde zuvor (detaillierte) Ermittlungen zum im betreffenden Lokal verwendeten Schließsystem anstellt, bei der Durchführung der Überwachungsaufgaben durch die Behörde nach § 50 Abs 4 GSpG verhältnismäßig und damit zulässig" sei.

6 Gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende, als außerordentliche Revision bezeichnete ordentliche Revision, die zur Frage ihrer Zulässigkeit ausschließlich zur Vorschreibung des der revisionswerbenden Partei auferlegten Vorlageaufwandes in der Höhe von EUR 28,70 vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche diesbezüglich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Der revisionswerbenden Partei hätte der Vorlageaufwand nicht vorgeschrieben werden dürfen, da die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht "den Akt nicht vollständig vorgelegt" habe, indem Fotos, welche von den Organen der belangten Behörde "mittels Mobiltelefone" angefertigt worden seien, nicht vorgelegt worden seien.

Die Revision ist unzulässig:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. bereits etwa VwGH 8.10.2014, Ro 2014/10/0106, mwN). 11 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 erster Satz, zweite Variante B-VG ("weil ... eine solche Rechtsprechung fehlt") ist das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 9.6.2015, Ro 2014/08/0083, mwN). 12 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. bereits etwa VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033, mwN; vgl. zu all dem etwa auch VwGH 3.9.2018, Ro 2017/01/0004).

13 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (z.B. VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015, mwN).

14 Zur Zulässigkeitsbegründung des LVwG betreffend Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Türöffnung mittels Zweimann-Ramme, ohne dass die Behörde zuvor Ermittlungen zum im Lokal verwendeten Schließsystem angestellt habe, verhältnismäßig sei, ist festzuhalten, dass damit keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage formuliert wird, von der das Schicksal der Revision abhinge.

15 Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bereits mehrfach ausgesprochen hat, begründet der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu Grunde liegenden) vergleichbaren Sachverhalt fehlt, noch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit einer Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG bereits ausgesprochen, dass für die Beurteilung eines zwangsweisen Betretens von Geschäftsräumlichkeiten als unverhältnismäßig feststehen müsste, dass den konkret einschreitenden Organen, bevor sie in das Lokal eingedrungen sind, bekannt war, dass sie mit geringerer Gewaltanwendung in das Lokal gelangen hätten können (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 0303). Derartige Feststellungen liegen auch im Revisionsfall gerade nicht vor; vielmehr gibt es vorliegendenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Eindringen mit geringerer Gewaltanwendung möglich gewesen wäre, geschweige denn, dass Derartiges den einschreitenden Organen bekannt gewesen wäre. Auch im vorliegenden Fall haben die einschreitenden Organe nach den - in der Revision im Übrigen unbekämpft gebliebenen - Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zunächst versucht, ohne Anwendung von Gewalt in die Geschäftsräumlichkeiten zu gelangen, was jedoch auch hier mangels Reaktion der im Lokal befindlichen Personen nicht möglich war. Durch das Nichtöffnen der Türen trotz entsprechender, sogar mittels Megaphon erfolgter, Aufforderung der einschreitenden Beamten wurde die gewaltsame Türöffnung in Kauf genommen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dieser vom LVwG im Einzelfall vorgenommenen Wertung ist nicht ersichtlich.

17 Mit der Frage nach der Verhältnismäßigkeit der im Einzelfall angewendeten Zwangsgewalt in der konkreten von den einschreitenden Beamten vorgefundenen Situation stellt das LVwG im Ergebnis - bloß - die Frage nach der Rechtsrichtigkeit seiner im Einzelfall getroffenen Entscheidung; die Fokussierung im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung auf eine vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsfall zu lösende und über diesen Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage fehlt jedoch. Damit wird den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge getan.

18 Wenn die revisionswerbende Partei über die Zulässigkeitsbegründung des LVwG hinaus im Zulässigkeitsvorbringen der Revision als Argument gegen die bekämpfte Vorschreibung von Vorlageaufwand (lediglich) pauschal behauptet, von der belangten Behörde seien näher bezeichnete Fotos nicht vorgelegt worden, und sich im Zusammenhang damit zur Begründung der Zulässigkeit der Revision auf näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruft, ist ihr zu entgegnen, dass im Erkenntnis vom 3. August 2004, 99/13/0252, Vorlageaufwand nicht zugesprochen wurde, weil die vorgelegten Geschäftsstücke die wesentlichen Verfahrensschritte nicht ausreichend wiedergegeben hatten. Die Revision unterlässt es in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Zusammenhang mit dieser zum VwGG ergangenen Rechtsprechung völlig, einen Bezug zum Revisionsfall herzustellen und zeigt insbesondere nicht ansatzweise auf, dass die dem LVwG von der belangten Behörde vorgelegten Akten die wesentlichen Verfahrensschritte nicht ausreichend wiedergegeben hätten (vgl. hiezu etwa auch VwGH 5.4.2019, Ra 2019/01/0107, mwN). 19 Die Revision war aus diesen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. August 2019

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