Normen
BFA-VG 2014 §22a Abs3
EURallg
FrPolG 2005 §76 Abs1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4
VwGG §42 Abs2 Z1
32013R0604 Dublin-III Art2 litn
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RO2015210021.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber ist ein serbischer Staatsangehöriger, der im Dezember 2013 in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. In Österreich stellte er nach seiner Einreise keinen solchen Antrag.
Nachdem sich die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 bereit erklärt hatten, den Revisionswerber gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) wieder aufzunehmen, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 10. Oktober 2014 (u.a.) gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung und es sprach aus, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Schweden zulässig sei.
In der Folge verhängte das BFA gegen den Revisionswerber zur Sicherung seiner Abschiebung mit Mandatsbescheid vom 2. Jänner 2015 gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft.
Die gegen die Verhängung der Schubhaft mit dem genannten Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung am 8. Jänner 2015 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. Jänner 2015 gemäß Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG ab (Spruchpunkt A.I.). Weiters verpflichtete das BVwG den Revisionswerber gemäß § 35 VwGVG zum Aufwandersatz an den Bund (Spruchpunkt A.II.) und wies demzufolge das Kostenersatzbegehren des Revisionswerbers ab (Spruchpunkt A.III.). Schließlich erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B.).
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese - wie sich aus dem Weiteren ergibt: zulässige - Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Aktenvorlage erwogen:
Die gegen den Revisionswerber angeordnete Schubhaft diente der Sicherung seiner - am 14. Jänner 2015 dann auch effektuierten -
Überstellung gemäß der Dublin III-VO nach Schweden und stützte sich auf Art. 28 der genannten unionsrechtlichen Verordnung in Verbindung mit der innerstaatlichen Norm des § 76 Abs. 1 FPG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Februar 2015, Ro 2014/21/0075, allerdings zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur auf Grundlage von Art. 28 Dublin III-VO, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt und dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-VO ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedürfe. Die in diesem Erkenntnis konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG) würden diesem Erfordernis nicht gerecht werden. Daran anknüpfend vertrat der Verwaltungsgerichtshof dann in seinem Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0080, die Auffassung, diese Überlegungen hätten auch für den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG Gültigkeit, zumal darin nur abstrakt auf die Notwendigkeit der Schubhaft - ohne Typisierung von Fluchtgefahr begründenden Umständen - Bezug genommen werde. Auch bei dieser Bestimmung ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein Rückgriff auf Kriterien, die der Gerichtshof in seiner bisherigen Judikatur diesbezüglich für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, nicht ausreiche, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Dazu kann des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse verwiesen werden (siehe zu einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation auch noch das hg. Erkenntnis vom 23. April 2015, Ro 2015/21/0007).
Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a., § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers unter BGBl. I Nr. 41/2015). Die auf die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 22a Abs. 1 BFA-VG gestützte Abweisung der Beschwerde erweist sich somit auch deshalb als inhaltlich rechtswidrig.
Aus all diesen Gründen, die im Ergebnis auch in der Revision geltend gemacht werden, war das angefochtene Erkenntnis (einschließlich der an die Beschwerdeabweisung mit Spruchpunkt A.I. anknüpfenden Kostenentscheidungen in den Spruchpunkten A.II. und A.III.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. Juni 2015
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