VwGH Ro 2015/04/0006

VwGHRo 2015/04/000618.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision 1. der Dr. D K und 2. des Dr. A K, beide in W und beide vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Mag. Johann Huber und Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom 15. Mai 2013, Zl. Senat-AB-11-0365, betreffend Änderung der gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Z GmbH in W), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs8;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 18. Oktober 2011 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer Betriebsanlage in W durch die Errichtung und den Betrieb eines Betriebsrestaurants erteilt.

2 1.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich gab mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Mai 2013 der dagegen erhobenen Berufung der revisionswerbenden Parteien keine Folge (Spruchpunkt I.). Er sprach weiters aus, dass die Anlage mit näher bezeichneten, im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Projektunterlagen übereinstimmen müsse (Spruchpunkt II.) und ergänzte drei zusätzliche Auflagen (Spruchpunkt III.) sowie einen Absatz in der Projektbeschreibung hinsichtlich der Müllentsorgung (Spruchpunkt IV.).

3 In der Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat zusammengefasst aus, es könne auf Grund der schlüssigen Gutachten der lärmtechnischen, luftreinhaltetechnischen und medizinischen Amtssachverständigen zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass auf Grund der Immissionen, die durch die gegenständlichen Änderungen der Betriebsanlage auf dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien hervorgerufen würden, keine unzumutbaren Belästigungen bzw. keine Gesundheitsgefährdungen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten seien. Die revisionswerbenden Parteien hätten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, geeignete Gegengutachten vorzulegen, nicht Gebrauch gemacht.

4 2. Mit Beschluss vom 24. Februar 2015, B 766/2013, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese unter einem gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab.

5 In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde (Revision) beantragten die revisionswerbenden Parteien, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen und den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates aufheben.

6 3. Auf eine vom Verfassungsgerichtshof nach dem 31. Dezember 2013 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Bescheidbeschwerde ist § 4 VwGbk-ÜG sinngemäß anzuwenden (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Mai 2015, Ro 2014/10/0064). Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, für die die Regelung des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG Anwendung findet. Richtet sich die Revision - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, ist sie unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Dies ist vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen. Eine solche Revision hat gesondert die Gründe zu enthalten, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen. Für ihre Behandlung sind die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 4.1. Die revisionswerbenden Parteien führen zur Zulässigkeit der Revision aus, der angefochtene Bescheid weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil ihm nicht schlüssige und nachvollziehbare Gutachten zu Grunde lägen. Diese enthielten weder eine konkrete Auseinandersetzung (etwa hinsichtlich der Müllabfuhr) mit den bestehenden örtlichen Verhältnissen noch mit den zu erwartenden, von der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen. Die vorliegenden Gutachten wiesen erhebliche Mängel auf und setzten sich nicht abschließend mit den konkreten Gegebenheiten auseinander. Der Unabhängige Verwaltungssenat gehe zwar von der Schlüssigkeit der Gutachten aus, ohne allerdings darzutun, woraus sich diese ergebe. Auch die eingeholten ergänzenden Gutachten würden wiederum nicht alle relevanten Gegebenheiten berücksichtigen.

9 Den revisionswerbenden Parteien ist zwar zuzugestehen, dass Einwendungen gegen die Schlüssigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens auch dann Gewicht haben können, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also auch ohne Gegengutachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 2013, 2012/06/0148, sowie die bei Hengstschläger/Leeb, AVG (2005) § 52 Rz. 64 zitierte Judikatur). Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel aber voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0047, mwN).

Im vorliegenden Fall zeigen die revisionswerbenden Parteien mit ihren diesbezüglichen, nicht weiter substantiierten Ausführungen die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang nicht auf. Soweit in diesem Zusammenhang auf die weiteren Revisionsausführungen verwiesen wird, ist festzuhalten, dass die Gründe für die Revisionszulässigkeit gesondert anzuführen sind und ein Verweis auf sonstige Revisionsausführungen nicht genügt (siehe etwa den hg. Beschluss vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/06/0054, mwN).

10 4.2. Die revisionswerbenden Parteien wenden sich in ihren Zulässigkeitsausführungen zudem gegen die mangelnde Einräumung von Parteiengehör. Die eingeholten Ergänzungsgutachten seien ihnen nicht zugestellt bzw. zur Kenntnis gebracht worden, wodurch sie keine Gelegenheit zur Stellungnahme - allenfalls zur Entgegnung mit Hilfe eines Privatgutachtens - gehabt hätten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe die Verpflichtung, gemäß § 45 Abs. 3 AVG auch im Fall der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch die Einholung weiterer Gutachten Parteiengehör zu gewähren.

11 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Dort wird auf Seite 18 festgehalten, dass die von der Berufungsbehörde aufgenommenen Ermittlungsergebnisse sowohl der mitbeteiligten Konsenswerberin als auch den revisionswerbenden Parteien zur Kenntnis übermittelt und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Dies ergibt sich auch aus den Verwaltungsakten, ebenso der Umstand, dass die Berufungswerber zu den ergänzenden Gutachten mit Schreiben vom 13. Mai 2013 auch eine umfassende Stellungnahme abgegeben haben.

12 4.3. Schließlich rügen die revisionswerbenden Parteien im Rahmen ihres Zulässigkeitsvorbringens, dass der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides insofern falsch sei, als der Berufung nicht "keine Folge gegeben wird", sondern vielmehr in Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgelegten Projektänderungen und Ergänzungen, denen man mit konkreten Auflagen Rechnung getragen habe, "in der Sache selbst neu entschieden" worden sei.

13 Soweit sich dieses Vorbringen gegen die in Spruchpunkt I. verwendete Formulierung "keine Folge gegeben wird" richtet, zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf, inwieweit sie allein dadurch in ihren Rechten verletzt sind, zumal über die im Berufungsverfahren vorgenommenen Änderungen - wie die revisionswerbenden Parteien selbst einräumen - inhaltlich entschieden wurde.

14 Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Wie weit eine Antragsänderung konkret gehen darf, hängt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch entscheidend davon ab, ob die Änderung vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides oder erst im Zuge eines allfälligen Berufungsverfahrens erfolgt. Zwar ist auch dort eine Antragsänderung - weiterhin - grundsätzlich zulässig, allerdings zieht § 66 Abs. 4 AVG solchen Projektmodifikationen engere Grenzen als der bloß auf das Wesen der Sache abstellende § 13 Abs. 8 AVG. So ist die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nämlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf die "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2014, 2013/12/0224). Ist diese nicht überschritten, hat die Behörde das Verfahren nach der Antragsänderung insoweit zu ergänzen, als dies in Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist. Im Mehrparteienverfahren darf die Änderung keine zusätzlichen subjektiven Rechte mitbeteiligter Parteien berühren und darüber hinaus auch bisher geltend gemachte Rechte nicht anders tangieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2013, 2012/06/0092). Im vorliegenden Fall erachtete der Unabhängige Verwaltungssenat die Änderung für zulässig, weil sie das Wesen des Projektes nicht ändere und zu keinen neuen oder größeren Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 führe. Dass gegenständlich die "Sache" des erstinstanzlichen Verfahrens überschritten worden sei oder die Antragsänderung zusätzliche subjektive Rechte oder bisher geltend gemachte Rechte anders berühre, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht einmal behauptet.

15 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. August 2017

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