Normen
32013R0604 Dublin-III Art2 litn;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art28;
32013R0604 Dublin-III Art49 Abs2;
AsylG 2005 §4a;
AsylG 2005 §5;
BFA-VG 2014 §22a Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1;
FrPolG 2005 §76a Abs2a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32013R0604 Dublin-III Art2 litn;
32013R0604 Dublin-III Art28 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art28;
32013R0604 Dublin-III Art49 Abs2;
AsylG 2005 §4a;
AsylG 2005 §5;
BFA-VG 2014 §22a Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2a Z1;
FrPolG 2005 §76a Abs2a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte I. und II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am 10. November 2013 von Italien kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Jänner 2014 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und Italien für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt. Unter einem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Italien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.
Am 17. Februar 2014 wurde der Revisionswerber in Wien (Bahnhofshalle Praterstern) im Zuge einer Personenkontrolle festgenommen und es wurde über ihn nach seiner Vernehmung mit Bescheid des BFA vom selben Tag gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angeordnet.
Gegen die "Verhängung der Schubhaft" mit dem genannten Bescheid und gegen "die andauernde Anhaltung in Schubhaft" erhob der Revisionswerber (vertreten durch den beigegebenen Rechtsberater) mit Schriftsatz vom 20. Februar 2014 eine "Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG", die er sowohl beim BFA als auch beim BVwG einbrachte.
Diese Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Februar 2014, das noch am selben Tag zugestellt wurde, gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt II.). Überdies wies das BVwG den Antrag des BFA auf Ersatz der Verfahrenskosten "gemäß" § 35 Abs. 1 VwGVG zurück (Spruchpunkt III.). Schließlich erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt IV.).
Die Begründung des BVwG lässt sich - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant - dahin zusammenfassen, dass im Hinblick auf die vom BFA gegen den Revisionswerber (in Verbindung mit der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005) erlassene durchsetzbare Anordnung der Außerlandesbringung vom 29. Jänner 2014 der Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FPG verwirklicht sei. Aufgrund näher dargestellter Umstände ging das BVwG auch von einem ausreichenden Sicherungsbedarf aus, der die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft unbedingt erforderlich mache; es habe keine Anhaltspunkte gegeben, die für die bloße Verhängung von gelinderen Mitteln gesprochen hätten. Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des infolge eines Hungerstreiks laufend ärztlich begutachteten Revisionswerbers bestünden entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht. Demzufolge sei die Beschwerde unbegründet und mit Spruchpunkt I. abzuweisen gewesen. Zu Spruchpunkt II. führte das BVwG noch ergänzend aus, es hätten sich keine maßgeblichen Umstände ergeben, dass zum Entscheidungszeitpunkt der konkrete Sicherungsbedarf weggefallen bzw. die Fortsetzung der Schubhaft nunmehr unverhältnismäßig geworden wäre, wobei auch die bevorstehende Überstellung des Revisionswerbers nach Italien zu berücksichtigen sei.
Gegen dieses Erkenntnis - bei verständiger Deutung ihres Inhaltes nur gegen dessen Spruchpunkte I. und II. (durch den nur den Kostenersatzantrag des BFA zurückweisenden Spruchpunkt III. wäre der Revisionswerber nicht in Rechten verletzt) - richtet sich die vorliegende Revision; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wie sich aus dem Weiteren ergibt: zulässige - Revision erwogen:
Mit Erkenntnis vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof - unter anderem auch aufgrund eines aus Anlass des vorliegenden Falles gestellten Antrages des Verwaltungsgerichtshofes (protokolliert zu G 172/2014) - § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers unter BGBl. I Nr. 41/2015).
Die auf die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 22a Abs. 1 BFA-VG gestützte Abweisung der Beschwerde mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses erweist sich somit schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig.
Im Übrigen wird dazu aber auch noch auf die sogleich folgenden Ausführungen zu dem vom BVwG mit Spruchpunkt II. vorgenommenen Fortsetzungsausspruch verwiesen.
Diese Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG die für die Fortsetzung der Schubhaft gegen den Revisionswerber maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, gründete das BVwG spruchgemäß lediglich auf den - verfassungsrechtlich unbedenklichen (siehe das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2015, G 151/2014 u.a., Rz 63) - Abs. 3 des § 22a BFA-VG, somit auf eine ausschließlich verfahrensrechtliche Norm. Der materiell zu Grunde liegende Schubhafttatbestand, der die Fortsetzung der Schubhaft erlaube, blieb dagegen in diesem Spruchpunkt des Erkenntnisses ungenannt. Aus dem Verweis auf die Entscheidungsgründe zu Spruchpunkt I., mit dem unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 erster Fall FPG die Beschwerdeabweisung vorgenommenen wurde, in Verbindung mit der Annahme, dass sich die diesbezüglich maßgeblichen Umstände nicht geändert hätten, lässt sich allerdings der Begründung entnehmen, dass das BVwG die Fortsetzung der Haft zur Sicherung der Überstellung des Revisionswerbers nach Italien gemäß der Dublin III-VO unter Berufung auf die genannte Bestimmung des FPG für gerechtfertigt erachtete.
Es wurde allerdings außer Acht gelassen, dass für den vorliegenden Fall - ungeachtet der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz vor dem 1. Jänner 2014 - gemäß Art. 49 Abs. 2 erster Satz zweiter Halbsatz der Dublin III-VO deren Art. 28 gilt, zumal sich diese Bestimmung im Kapitel VI betreffend das "Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren" befindet. Die demnach fallbezogen gebotene Bezugnahme auf Art. 28 Dublin III-VO fehlt jedoch sowohl im Schubhaftbescheid des BFA als auch im angefochtenen Erkenntnis des BVwG, was schon allein vor dem Hintergrund des hg. Erkenntnisses vom 19. Februar 2015, Zl. Ro 2014/21/0075, rechtswidrig ist.
In dem genannten Erkenntnis wurde nämlich zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur auf Grundlage von Art. 28 Dublin III-VO, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt. Im Übrigen wurde in diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, aber auch festgehalten, dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-VO ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedarf. Gemäß dem genannten Erkenntnis vom 19. Februar 2015 werden die dort konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG) diesem Erfordernis nicht gerecht. Dasselbe gilt für den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG, zumal darin nur abstrakt auf die Notwendigkeit der Schubhaft - ohne Typisierung von Fluchtgefahr begründenden Umständen - Bezug genommen wird. Auch bei dieser Bestimmung ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein Rückgriff auf Kriterien, die der Gerichtshof in seiner bisherigen Judikatur diesbezüglich für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, nicht ausreicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/21/0080).
Das trifft sinngemäß auch für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Schubhafttatbestand des § 76a Abs. 2a Z 1 erster Fall FPG zu. Danach hat das BFA über einen Asylwerber - es sei denn, einer Anhaltung stünden besondere Umstände in seiner Person entgegen - Schubhaft anzuordnen, wenn gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 4a oder § 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wurden und die Schubhaft (u.a.) zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist. Auch diese Bestimmung stellt somit - neben der Anknüpfung an ein bestimmtes Stadium des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz (Erlassung einer durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung in den zuständigen Mitgliedstaat) - nur auf die generell umschriebene Notwendigkeit der Schubhaft ab. Auch diese Bestimmung enthält somit keine ausreichenden Kriterien zur Konkretisierung von "Fluchtgefahr".
Demnach erweisen sich auch im vorliegenden Fall die Verhängung der Schubhaft und der Fortsetzungsausspruch des BVwG als inhaltlich rechtswidrig.
Das angefochtene Erkenntnis war daher aus all den angeführten Gründen in den bekämpften Spruchpunkten I. und II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 19. Mai 2015
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