VwGH Ro 2014/06/0058

VwGHRo 2014/06/00584.8.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. des Dr. A W, 2. der Dr. I W,

3. des Mag. Dr. G H, 4. des F F, 5. des K D und 6. des H D, alle in K, alle vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen die Bescheide der Kärntner Landesregierung 1. vom 24. Jänner 2011, Zl. 7-A-UVP- 1144/1-2011, betreffend Feststellung der UVP-Pflicht gemäß § 3a UVP-G 2000 und 2. vom 5. Dezember 2011, Zl. 7-B-BRM-917/7/2011, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5),

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Jänner 2011, Zl. 7-A-UVP-1144/1-2011 (Feststellung gemäß § 3a UVP-G 2000), wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Landeshauptstadt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen,

und

2. zu Recht erkannt:

Normen

32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §8;
BauO Krnt 1996 §23 Abs1 lite;
BauO Krnt 1996 §23 Abs2 lita;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3 lith;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3 liti;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §8;
BauO Krnt 1996 §23 Abs1 lite;
BauO Krnt 1996 §23 Abs2 lita;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3 lith;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3 liti;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 5. Dezember 2011, Zl. 7-B-BRM-911/7/2011 (Änderung der Baubewilligung), wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee vom 13. Jänner 2006 wurde der damaligen Projektwerberin (S GesmbH) gemäß §§ 6 lit. a, 17 und 18 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996) iVm den Kärntner Bauvorschriften die "Baubewilligung für die Erweiterung und Neugestaltung des bestehenden Stadions durch temporären Ausbau für die Fußball-EM 2008 auf ein Fassungsvermögen von rund 32.000 Zuschauer (EM-Stadion 2008), sowie Rückbau auf ein Fassungsvermögen von rund 12.000 Zuschauer (Basisstadion) mit angrenzendem Ballsportkompetenzzentrum und Fußball-Akademie" auf den Grundstücken Nr. 315, 317/2, 318/2, 327/2, 327/3, 328, 524 und .63, alle KG W, nach Maßgabe der näher bezeichneten Projektunterlagen unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.

Laut Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee vom 19. Juli 2007 der damaligen Projektwerberin gemäß § 22 K-BO 1996 nach Maßgabe der vorgelegten Änderungspläne und unter Anordnung der Weitergeltung der vorgeschriebenen Auflagen die Bewilligung zur Änderung der Baubewilligung vom 13. Jänner 2006 erteilt (dieser Bescheid liegt den Verfahrensunterlagen nicht bei).

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Jänner 2011 wurde auf Antrag der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 7 iVm § 3a Abs. 3 Z 1 und Abs. 5 iVm mit Anhang 1 Z 17 lit. a und Z 17 lit. b UVP-G 2000 festgestellt, dass für das Änderungsvorhaben "Sportpark Wörthersee-Stadion" auf den Grundstücken Nr. 315, 317/2, 318/1, 318/2, 319, 327/2, 327/3, 327/4, 328, 524 und .63, alle KG W, nach Maßgabe der vorgelegten Einreichunterlagen keine UVP nach diesem Bundesgesetz durchzuführen sei. Gegenstand dieses Verfahrens war "die Änderung des bestehenden Sportstadions durch die Verlängerung der Rückbauphase bis zur endgültigen Entscheidung über das allfällige Weiterbestehen des Wörthersee-Stadions in der Größe und mit dem Fassungsvermögen des für die Fußball EM-2008 errichteten Stadions (bis längstens 2017) und dessen Nutzung für den Regelbetrieb (Sportstadion mit einer Zuschauerkapazität von 18.000) und für den temporären Betrieb mit einer Zuschauerkapazität von 32.000 (einerseits) und (andererseits) für dessen permanentes Bestehen für den Regelbetrieb (Sportstadion mit einer Zuschauerkapazität von 18.000) und für den temporären Betrieb mit einer Zuschauerkapazität von 32.000".

Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist nunmehr die Eingabe der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee (nunmehrige Bauwerberin) vom 5. Mai 2011, mit der sie die "Abänderung der Baubewilligungen vom 13.01.2006, ..., und vom 19.07.2007, ..., gemäß § 22 K-BO; bauliche Änderungen sowie Änderung (Erweiterung) der Verwendung des Gebäudes; permanentes Bestehenbleiben des oberen Zuschauerranges" auf den Grundstücken Nr. 315, 317/2, 318/1, 318/2, 319, 327/2, 327/3, 327/4, 328, 524 und .63, KG W, beantragte. Für das bestehende "Sportpark Wörthersee-Stadion" sei eine Genehmigung für die Erweiterung und Neugestaltung des bestehenden Stadions durch temporären Ausbau für die Fußball-EM 2008 auf ein Fassungsvermögen von 32.000 Zuschauern (EM-Stadion 2008) sowie dessen Rückbau auf ein Fassungsvermögen von rund 12.000 Zuschauern (Basisstadion) erteilt worden. Das permanente Bestehenbleiben des Unterranges mit einer Zuschauerkapazität von rund 12.000 Zuschauern sei durch den rechtskräftigen Baubescheid vom 13. Jänner 2006 samt Änderungsbescheid vom 19. Juli 2007 genehmigt worden. Der mit Bescheid vom 13. Jänner 2006 genehmigte Rückbau auf das Basisstadion solle nunmehr unterbleiben und stattdessen die bestehende Baubewilligung dahingehend abgeändert werden, dass

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG nach dem Ablauf des 31. Dezember 2013 an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, ist in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen. Für die Behandlung der Revision sind in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 3. März 2015, Ro 2014/02/0112).

§§ 3, 19 und 40 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, idF BGBl. I Nr. 87/2009, lauten auszugsweise:

"Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Für Vorhaben, die in Spalte 2 und 3 des Anhanges 1 angeführt sind, ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Im vereinfachten Verfahren sind § 3a Abs. 2, § 6 Abs. 1 Z 1 lit. d und f, § 7 Abs. 2, § 12, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 5 und § 22 nicht anzuwenden, stattdessen sind die Bestimmungen des § 3a Abs. 3, § 7 Abs. 3, § 12a und § 19 Abs. 2 anzuwenden.

(2) ...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Die Entscheidung ist in erster und zweiter Instanz jeweils innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkenden Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung ist das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Der wesentliche Inhalt der Entscheidungen einschließlich der wesentlichen Entscheidungsgründe sind von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen oder zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(8) ...

Partei- und Beteiligtenstellung sowie Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

1. Nachbarn/Nachbarinnen: Als Nachbarn/Nachbarinnen gelten Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand des Vorhabens gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In- oder Ausland gefährdet werden könnten, sowie die Inhaber/Inhaberinnen von Einrichtungen, in denen sich regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen; als Nachbarn/Nachbarinnen gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe des Vorhabens aufhalten und nicht dinglich berechtigt sind; hinsichtlich Nachbarn/Nachbarinnen im Ausland gilt für Staaten, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, der Grundsatz der Gegenseitigkeit;

2. die nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Parteien, soweit ihnen nicht bereits nach Z 1 Parteistellung zukommt;

3. ...

§ 40. (1) In den Angelegenheiten des ersten und zweiten Abschnittes ist der Umweltsenat, auch im Fall einer Delegation gemäß § 39 Abs. 1 vierter Satz, nicht jedoch in Verfahren gemäß § 45, Berufungsbehörde und sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der §§ 5, 68 und 73 AVG. Er entscheidet auch über Wiederaufnahmsanträge nach § 69 AVG.

(2) ..."

§ 23 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996), LGBl. Nr. 62/1996, in der Fassung LGBl. Nr. 16/2009, lautet auszugsweise:

"§ 23

Parteien, Einwendungen

(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:

  1. a) ...
  2. e) die Anrainer (Abs. 2).

(2) Anrainer sind:

a) die Eigentümer (Miteigentümer) der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie

b) entfällt

(3) Anrainer im Sinn des Abs. 2 dürfen gegen die Erteilung der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend erheben, daß sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

  1. a) ...
  2. h) den Schutz der Gesundheit der Anrainer;
  3. i) den Immissionsschutz der Anrainer.

(4) ..."

Zum UVP-Feststellungsbescheid vom 24. Jänner 2011:

Die Revision wendet sich zwar inhaltlich gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Jänner 2011, mit dem festgestellt wurde, dass für das gegenständliche Bauvorhaben keine UVP durchzuführen sei. Es fehlen jedoch jegliche Ausführungen, auf Grund welcher Umstände die am 23. Mai 2014 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte ergänzte Revision gegen den Bescheid vom 24. Jänner 2011 rechtzeitig sein sollte. Bereits der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde gegen den UVP-Feststellungsbescheid vom 24. Jänner 2011 - abgesehen von sonstigen Prozesshindernissen - als verfristet zurück. Dagegen wird im Mangelbehebungsschriftsatz nichts vorgebracht. Ein Revisionspunkt fehlt.

Die Revision gegen den UVP-Feststellungsbescheid vom 24. Jänner 2011 war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Zum Bescheid vom 5. Dezember 2011 betreffend die Änderung der Baubewilligung:

Dazu bringt die Revision vor, den revisionswerbenden Parteien sei im UVP-Feststellungsverfahren keine Parteistellung zugestanden. Das verfahrensgegenständliche Vorhaben sei jedoch UVPpflichtig, weil tatsächlich eine Neuerrichtung eines multifunktionellen Stadions zur Verhandlung stehe; dieses stehe nicht nur für Fußballveranstaltungen zur Verfügung, sondern auch für Konzerte und dergleichen. Somit liege künftig nicht mehr derselbe Verwendungszweck des Stadions vor. Für eine Neuerrichtung und Zweckerweiterung wäre ein UVP-Verfahren durchzuführen gewesen, in welchem die revisionswerbenden Parteien entsprechende Einwendungen erheben hätten können. Offenbar sei auch ein Freizeit- und Vergnügungspark samt Sportstadion mit 1.500 Stellplätzen für KFZ oder jedenfalls ein Freizeit- oder Vergnügungspark und Sportstadion im schutzwürdigen Gebiet der Kategorie A oder D mit einer Flächeninanspruchnahme von 5 ha und/oder 750 Stellplätzen für Parkplätze geplant, was ebenfalls eine UVP-Pflicht auslöse. Das betroffene Gebiet liege im Sanierungsgebiet nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft der Anlage 2 zum UVP-G 2000, in dem Vorhaben der Anlage 1 Ziffer 17 Spalte 3 UVP-G 2000 UVP-pflichtig seien. Es wäre daher ein UVP-Verfahren durchzuführen gewesen; die Feststellung, dass keine UVP-Pflicht vorliege, sei rechtswidrig.

Dem hielt die belangte Behörde die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 vom 24. Jänner 2011 entgegen, der es nicht erlaube, in den folgenden Materienverfahren wie dem vorliegenden Baubewilligungsverfahren den Feststellungsbescheid einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen. Anrainer, denen im Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukomme, könnten im nachfolgenden Baubewilligungsverfahren inhaltliche Bedenken gegen den UVP-Feststellungsbescheid nicht erfolgreich vortragen, ihnen blieben im Fall eines negativen Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 die nach den baurechtlichen Bestimmungen eingeräumten Parteienrechte zur Durchsetzung ihrer rechtlich geschützten Interessen.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der EuGH äußerte sich in seinem Urteil vom 16. April 2015 in der Rechtssache C-570/13 , Caroline Gruber gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten (im Folgenden: EuGH-Urteil "Gruber"), im Rahmen eines vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens zu der Frage, ob die Feststellung der UVP-Behörde, dass für ein Vorhaben keine UVP durchzuführen sei, auch für Nachbarn, denen im vorangegangen UVP-Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukam, Bindungswirkung entfalte, und diese den Nachbarn in nachfolgenden Genehmigungsverfahren entgegengehalten werden könne, auch wenn sie die Möglichkeit hätten, Einwendungen gegen das Vorhaben in diesem Genehmigungsverfahren zu erheben, und führte wie folgt aus:

"41 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Frau Gruber eine 'Nachbarin' im Sinne von § 75 Abs. 2 der Gewerbeordnung ist, wobei unter den Begriff 'Nachbar' alle Personen fallen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

42 Angesichts des Wortlauts dieser Bestimmung ist ersichtlich, dass die Personen, die unter den Begriff 'Nachbar' fallen, zur 'betroffenen Öffentlichkeit' im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 gehören können. Diese 'Nachbarn' sind jedoch nur zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Genehmigung zur Errichtung oder zum Betrieb einer Anlage berechtigt. Da sie im Verfahren zur Feststellung der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht Partei sind, können sie den UVP-Feststellungsbescheid auch nicht im Rahmen einer etwaigen Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid anfechten. Indem das UVP-G 2000 das Beschwerderecht gegen die Entscheidungen, mit denen festgestellt wird, ob die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Projekt erforderlich ist, auf die Projektwerber/Projektwerberinnen, die mitwirkenden Behörden, den Umweltanwalt und die Standortgemeinde beschränkt, nimmt es einer Vielzahl von Privatpersonen, insbesondere auch den 'Nachbarn', die möglicherweise die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 erfüllen, dieses Recht.

43 Dieser nahezu vollständige Ausschluss beschränkt die Tragweite des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 und ist daher nicht mit der Richtlinie vereinbar.

44 Folglich darf eine auf der Grundlage einer solchen nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, einen zur 'betroffenen Öffentlichkeit' im Sinne der Richtlinie 2011/92 gehörenden Einzelnen, der die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf ein 'ausreichendes Interesse' oder gegebenenfalls eine 'Rechtsverletzung' erfüllt, nicht daran hindern, diese Entscheidung im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten.

45 Die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung mit der Richtlinie 2011/92 unvereinbar ist, beschränkt nicht das Recht des Mitgliedstaats, zu bestimmen, was in seiner nationalen Rechtsordnung als 'ausreichendes Interesse' oder 'Rechtsverletzung' gilt, und zwar auch hinsichtlich der zur 'betroffenen Öffentlichkeit' gehörenden Privatpersonen einschließlich der Nachbarn, für die grundsätzlich eine Rechtsbehelfsmöglichkeit gegeben sein muss.

46 Damit ein von einem Einzelnen eingelegter Rechtsbehelf zulässig ist, müssen die mit der Richtlinie 2011/92 vereinbaren Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf das 'ausreichende Interesse' oder die 'Rechtsverletzung' erfüllt und vom nationalen Gericht festgestellt worden sein. In einem solchen Fall muss auch die fehlende Bindungswirkung der Verwaltungsentscheidung über die Erforderlichkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung festgestellt werden."

Der Verwaltungsgerichtshof hob sodann mit hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2015, Zl. 2015/04/0002, den den Anlassfall darstellenden Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten betreffend die Generalgenehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 356e Gewerbeordnung 1994 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf, weil die Beschwerdeführerin als Nachbarin Teil der "betroffenen Öffentlichkeit" sei und "ein ausreichendes Interesse" bzw. eine "Rechtsverletzung" im Sinn der mit der Richtlinie 2011/92 vereinbaren Kriterien des nationalen Rechts, nämlich der Gewerbeordnung, geltend gemacht habe. Daher müsse sie nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Möglichkeit haben, die Entscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten. Die Bindungswirkung des UVP-Feststellungsbescheides dürfe ihr nicht entgegengehalten werden.

Gleiches gilt für das gegenständliche Verfahren. Die revisionswerbenden Parteien waren unstrittig dem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nicht als Parteien beigezogen, ihnen kann somit die Bindungswirkung dieses Feststellungsbescheides auf Grund des EuGH-Urteils "Gruber" nicht entgegengehalten werden, sofern sie Teil der "betroffenen Öffentlichkeit" sind und im Sinn der K-BO 1996 "ein ausreichendes Interesse" haben bzw. eine "Rechtsverletzung" geltend machten. Zu diesen Voraussetzungen traf die belangte Behörde explizit keine Feststellungen, sie erkannte den revisionswerbenden Parteien jedoch Parteistellung nach der K-BO 1996 zu. Daher ist davon auszugehen, dass die revisionswerbenden Parteien die Kriterien des § 23 Abs. 1 lit. e iVm Abs. 2 lit. a K-BO 1996 erfüllen. In ihren Einwendungen machten sie subjektiv-öffentliche Nachbarrechte im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit und des Immissionsschutzes (§ 23 Abs. 3 lit. h und i K-BO 1996) geltend, mit denen sich die Baubehörden auch inhaltlich auseinandersetzten. Angesichts dessen waren die revisionswerbenden Parteien aber auch berechtigt, im Rahmen des Bauverfahrens Argumente für das Vorliegen einer UVP-Pflicht vorzubringen. Es wäre Aufgabe der Baubehörden gewesen, sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen. Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 durfte ihnen nicht entgegengehalten werden.

Unter Hinweis auf die Ausführungen im EuGH-Urteil "Gruber" war der Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2011 betreffend die Änderung der Baubewilligung für das Sportpark Wörthersee-Stadion wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das weitere Revisionsvorbringen war dabei nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich - hinsichtlich der revisionswerbenden Parteien im beantragten Umfang - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 4. August 2015

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