VwGH Ro 2014/05/0011

VwGHRo 2014/05/001129.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revisionen 1. der Dr. R P und 2. des Dr. E P, beide in W, beide vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Kirchgasse 5 (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2014/05/0019), sowie 3. der Dr. B V in W, vertreten durch Putz & Partner Rechtsanwälte in 1030 Wien, Reisnerstraße 12 (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2014/05/0011), gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 11. Dezember 2013, Zl. BOB - 543520/2013, betreffend Kostenersatz (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Abs1 Z2;
BauO Wr §129 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art151 Abs51 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwGG §63;
AVG §67a Abs1 Z2;
BauO Wr §129 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art151 Abs51 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwGG §63;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Erstrevisionswerberin und dem Zweitrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 sowie der Drittrevisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Zur Vorgeschichte kann auf das dieselben Revisionswerber betreffende hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2013, Zlen. 2011/05/0102, 0103, verwiesen werden. Daraus wird Folgendes hervorgehoben:

2 Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat), Magistratsabteilung 37, vom 21. Jänner 2004 wurde den (damaligen) Eigentümern der (im angefochtenen Bescheid) näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 2 und 4 Bauordnung für Wien (BO) der baupolizeiliche Auftrag erteilt, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die schadhafte gassenseitige Einfriedungsmauer standfest instand setzen zu lassen.

3 In der Folge wurde durch den Magistrat, Magistratsabteilung 48 (im Folgenden: MA 48), eine notstandspolizeiliche Sofortmaßnahme durchgeführt, deren Kosten mit EUR 23.811,25 für die Absicherung und Beleuchtung der schadhaften Stützmauer sowie tägliche Kontrollen beziffert wurden. Aus dem diesbezüglichen Rechnungsprotokoll vom 21. Mai 2010 ergibt sich, dass am 8. Oktober 2008 die schadhafte Stützmauer abgesichert und beleuchtet sowie danach tägliche Kontrollen durchgeführt worden seien, wobei ein Leistungsentgelt inklusive Wegzeit für den Zeitraum vom 8. Oktober 2008 bis 11. Mai 2010, ferner ein Minutentarif von EUR 2,15 und 11.183 angefallene Minuten, aber nur 11.075 verrechnete Minuten ausgewiesen wurden. Die einzelnen Einsätze sind in einem im Akt befindlichen umfangreichen Einsatzbericht festgehalten.

4 Mit Bescheid des Magistrates, Magistratsabteilung 25, vom 1. Juli 2010 wurden gemäß § 129 Abs. 6 BO den Revisionswerbern als Eigentümern der Baulichkeit die mit EUR 23.811,25 bestimmten Kosten für die durch die MA 48 durchgeführten Sicherungsmaßnahmen vorgeschrieben. Durch amtliche Wahrnehmungen seien an der gegenständlichen Baulichkeit Baugebrechen festgestellt worden, die eine unmittelbare Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen dargestellt hätten. Zur Beseitigung dieses gefahrdrohenden Zustandes habe die MA 48 die aus dem beigelegten Rechnungsprotokoll ersichtlichen Anordnungen wegen Gefahr im Verzug treffen und sofort vollstrecken müssen. Die der Behörde dabei erwachsenen Auslagen fielen den Verpflichteten zur Last.

5 Die von den Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien (im Folgenden: Bauoberbehörde) vom 5. Mai 2011 als unbegründet abgewiesen.

6 Dazu führte die Bauoberbehörde (u.a.) aus, dass die Revisionswerber gegen die Maßnahme keine Beschwerde beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebracht hätten, sodass von der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auszugehen sei. Der Verpflichtete müsse es hinnehmen, wenn die Kosten der für die Durchführung des baupolizeilichen Auftrages erforderlichen und auch tatsächlich verrichteten Arbeiten höher seien, als sie bei Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären. Wenn die Revisionswerber vorbrächten, die Ersatzvornahme der Instandsetzung hätte weniger hohe Kosten verursacht als die bloße Absicherung, so sei dem entgegenzuhalten, dass das beträchtliche Ausmaß der angefallenen Kosten für die Sicherung sich aus der erforderlichen langen Dauer der Abschrankung ergebe, welche auf dem fortgesetzten Unterbleiben der Instandsetzung durch die Revisionswerber beruhe. Im Hinblick auf die bloß ganz allgemein gehaltenen Behauptungen der Revisionswerber zur Kostenhöhe ohne konkrete zahlenmäßige Gegendarstellungen sei auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Grundsatz der Amtswegigkeit im Verwaltungsverfahren die Partei nicht von der Obliegenheit befreie, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Der Behörde sei kein Verfahrensfehler vorzuwerfen, wenn diese auf Grund derartig unsubstanziierter Bestreitungen keine Beweiserhebungen mehr durchführe; dies umso mehr, als nur die tatsächlich aufgelaufenen Kosten (eine Minute sei mit EUR 2,15 verrechnet worden) vorgeschrieben worden seien. Die Endsumme ergebe sich aus der Multiplikation des Minutensatzes mit der Anzahl der angefallenen Anfahrts-, Arbeits- und Kontrollminuten im Ausmaß von 11.183 Minuten, wobei 11.075 Minuten verrechnet worden seien, und der Anfall der Minuten sei aus der tabellarischen Aufstellung im Einsatzbericht der MA 48 nachvollziehbar. In dieser Aufstellung werde zwischen Anfahrt, Absicherung und Beleuchtung, Kontrolle, Kontrolle mit Blinkerwechsel, teilweiser neuer Aufstellung, Einziehung, Rückfahrt und Fahrzeugbe- und -entladung differenziert, wobei die jeweils angegebene Minutenzahl plausibel und nachvollziehbar sei.

7 Dieser Berufungsbescheid wurde mit dem genannten Erkenntnis, Zlen. 2011/05/0102, 0103, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

8 Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof (u.a.) aus, im Hinblick darauf, dass die notstandspolizeiliche Maßnahme selbst, die Grundlage für das vorliegende Kostenersatzverfahren gewesen sei, vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht bekämpft worden sei, sei davon auszugehen, dass die Sicherungsmaßnahmen notwendig und zweckmäßig und damit rechtmäßig gewesen seien. Durch die Übermittlung des Rechnungsprotokolles der MA 48 mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei auch der Verpflichtung nach § 129 Abs. 6 BO, dem Verpflichteten die Kosten aufgeschlüsselt zur Kenntnis zu bringen, sodass er eine Möglichkeit zur Überprüfung habe, entsprochen worden. Der Verpflichtete könne allerdings mit substanziierten Darlegungen vorbringen, dass die Kosten unverhältnismäßig hoch seien. Wenn die Revisionswerber nun bemängelten, dass der angewandte Minutensatz von EUR 2,15 weder belegt noch gerechtfertigt sei, so komme diesem Vorbringen Berechtigung zu, weil die Bauoberbehörde diesen von ihr herangezogenen Minutensatz näher hätte begründen müssen und die zum Ersatz vorgeschriebenen Kosten nicht unverhältnismäßig hoch sein dürften. Dies bedeute, dass jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem nicht ein externes Unternehmen die Maßnahme durchgeführt und dafür Rechnung gelegt habe, die von der Behörde auf ihre Sachlichkeit überprüft worden sei, sondern die Gemeinde selbst (hier im Wege der MA 48) tätig geworden sei, die Vorschreibung einer näheren und sachlich nachvollziehbaren Begründung bedürfe, etwa durch vergleichsweise Heranziehung marktüblicher Kosten für die erbrachten Leistungen oder Kosten für vergleichbare Leistungen der Gemeinde, die diese in anderen Zusammenhängen mit gewisser Regelmäßigkeit erbringe (und für die möglicherweise sogar ein Tarif bestehe), oder auch durch Bezifferung des Zweckaufwandes, also der der Gemeinde entstehenden Kosten für Personal und Material in Verfolgung der konkreten Maßnahme. Der Hinweis darauf, dass es ein Verpflichteter hinnehmen müsse, wenn die Kosten für die Durchführung des baupolizeilichen Auftrages höher seien als die Kosten, die bei der Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten entstanden wären, genüge als Begründung für die Annahme eines bestimmten Minutensatzes nicht.

9 Im fortgesetzten Berufungsverfahren holte die Bauoberbehörde zur Höhe des vorgeschriebenen Minutensatzes von EUR 2,15 die Stellungnahme der MA 48 vom 14. August 2013 ein, in der diese Folgendes ausführte:

10 "...

Zu dem festgesetzten Tarif können wir Ihnen mitteilen, dass die Tarifermittlung mittels Vollkosten-Minutensatz erfolgt. Für den Tarif ‚Notstandpolizeiliche Maßnahmen' wurde durch externe Experten (Firma Q. ...) eine Begutachtung durchgeführt. Der Notstandspolizeiliche-Maßnahmen-Vollkostensatz pro Einsatzstunde/- minute umfasst die Kosten für den Fahrer, den Mitfahrer, das Fahrzeug, den Bereitschaftsdienst, die Unterkunft, die gesamte Verwaltung der Notstandspolizeilichen Maßnahmen sowie den erforderlichen Materialaufwand. Weiters umfasst der NPM-Vollkostensatz auch die anteiligen Verwaltungskosten der MA 48 sowie die Kostenanteile der Zentralregieleistungen des Magistrates Wien.

Festgestellt wurde weiters, dass die vorliegende Kostenermittlung der Methodik der Tarif- und Gebührenermittlung der MA 48 entspricht und somit das Gleichheitsprinzip in der Wahl der Kalkulationsmethodik erfüllt ist. Es wurde bestätigt, dass auf Basis der vorliegenden Kalkulationsgrundlagen der Ergebnisse aus der Befundaufnahme und den durchgeführten Analysen die Kalkulation nachvollziehbar und schlüssig ist sowie dem Prinzip der tatsächlich erwachsenen Kosten für NPM pro Einsatzzeit entspricht.

Der gültige Vollkostensatz betrug zum Zeitpunkt des 08.10.2008 EUR 2,15 (netto) und wurde nach einer Evaluierung im Jahr 2009 per 01.01.2010 auf EUR 2,45 (netto) erhöht."

11 Zu dieser Stellungnahme der MA 48 brachte die Drittrevisionswerberin mit Schriftsatz vom 3. September 2013 (u.a.) vor, dass sie nicht mehr bücherliche (Mit‑) Eigentümerin der genannten Liegenschaft sei und diese Stellungnahme nichts an ihren bisherigen Ausführungen zu ändern vermöge.

12 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber äußerten sich zur Stellungnahme der MA 48 in ihrem Schriftsatz vom 10. September 2013 im Wesentlichen (u.a.) dahin, dass diese den nach dem Erkenntnis, Zlen. 2011/05/0102, 0103, maßgeblichen Kriterien nicht gerecht werde, darin Angaben zu konkreten externen Kosten oder marktüblichen Kosten zur Gänze fehlten, ein Stundensatz von EUR 129,- jedenfalls bei weitem überhöht und daher unverhältnismäßig sei und die Beauftragung eines externen Unternehmens lediglich einen Bruchteil dieses Aufwands ausgelöst hätte.

13 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen der Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

14 Dazu führte die Bauoberbehörde (u.a.) aus, dass sie nunmehr gehalten sei, der neuerlichen Entscheidung die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (im Erkenntnis, Zlen. 2011/05/0102, 0103) zugrunde zu legen (§ 63 Abs. 1 VwGG). Wie der Stellungnahme der MA 48 vom 14. August 2013 zu entnehmen sei, handle es sich beim herangezogenen Minutensatz von EUR 2,15 um einen sogenannten Vollkostensatz pro Minute für notstandpolizeiliche Maßnahmen, und zwar Vollkostensatz deshalb, weil dieser jegliche Leistungen im Zusammenhang mit der notstandspolizeilichen Maßnahme inkludiere. So würden nicht - wie bei externen Unternehmen regelmäßig der Fall - Wegzeiten und Materialkosten zusätzlich zu der Arbeitszeit verrechnet, sondern es seien diese von dem herangezogenen Minutensatz bereits umfasst. Zumal die Vornahme einer notstandspolizeilichen Maßnahme jedenfalls auch einer gewissen Organisation bzw. Verwaltung durch den Magistrat bzw. die MA 48 bedürfe (z.B. das Bestellen des erforderlichen Materials), sei es sehr wohl gerechtfertigt, dass in dem Vollkostenminutensatz von EUR 2,15 auch anteilig der Gemeinde entstehende Verwaltungskosten enthalten seien. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die gegenständliche Tarifermittlung (Minutensatz für notstandspolizeiliche Maßnahmen) seitens des Unternehmens Q. einer somit externen und unabhängigen Begutachtung unterzogen worden sei. In Anbetracht dieser Ausführungen sei der herangezogene Minutensatz von EUR 2,15 jedenfalls nicht unverhältnismäßig hoch.

15 Sofern die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber vorbrächten, dass Angaben zu konkreten externen oder marktüblichen Kosten weiterhin zur Gänze fehlten, übersähen sie, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis, Zlen. 2011/05/0102, 0103, grundsätzlich eine nähere und sachlich nachvollziehbare Begründung des herangezogenen Minutensatzes gefordert habe und lediglich als Beispiel, wie eine solche aussehen könnte, unter anderem die vergleichsweise Heranziehung marktüblicher Kosten genannt habe. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber sei nunmehr der herangezogene Minutensatz ausreichend und sachlich nachvollziehbar begründet und eine vergleichsweise Heranziehung marktüblicher Kosten nicht erforderlich. Dabei sei festzuhalten, dass diese vergleichsweise Heranziehung auch insofern schwer wäre, als externe Unternehmen üblicherweise nicht minutenweise, sondern halbstunden- oder stundenweise (pro Arbeiter) abrechneten, was dazu führe, dass im Gegensatz zu den bei einem externen Unternehmen entstehenden Kosten den Revisionswerbern nur die tatsächlich erbrachten Leistungen minutengenau kostenmäßig vorgeschrieben würden.

16 Ferner sei festzuhalten, dass die Bekanntgabe der Drittrevisionswerberin, dass sie nicht mehr bücherliche Liegenschaftseigentümerin sei, nicht von Relevanz sei, zumal die Kosten der notstandspolizeilichen Maßnahmen dem Eigentümer (jedem Miteigentümer), der während der Durchführung der Arbeiten (Mit-) Eigentümer der Baulichkeit sei bzw. gewesen sei, vorzuschreiben seien.

17 Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Revisionen, in denen beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

18 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG an die Stelle der Bauoberbehörde getretene Verwaltungsgericht Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte in beiden Revisionsverfahren, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten.

II.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

20 Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 4 Abs. 1 und 5 fünfter Satz iVm § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 122/2013 für die Behandlung der vorliegenden Revisionen die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß gelten.

21 Auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 der Techniknovelle 2012, LGBl. Nr. 64, ist im vorliegenden Fall die BO, LGBl. Nr. 11/1930, idF LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden.

22 § 129 BO lautet auszugsweise:

23 "Benützung und Erhaltung der Gebäude;

vorschriftswidrige Bauwerke

§ 129. ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. ...

...

(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Behörde auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Bauwerkes anordnen und sofort vollstrecken lassen.

..."

24 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber bringen vor, dass die vorgeschriebenen Kosten für die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen überhöht seien. Diese unverhältnismäßig hohen Kosten würden durch das von der Bauoberbehörde als Grundlage für ihre Entscheidung herangezogene Schreiben der MA 48 vom 14. August 2013 keinesfalls - wie vom Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis gefordert - ausreichend begründet und seien damit nicht nachvollziehbar. So führe die Bauoberbehörde lediglich aus, dass es sich hiebei um einen Vollkostensatz handle, welcher sowohl jegliche Leistungen im Zusammenhang mit der notstandspolizeilichen Maßnahme als auch anteilig die der Gemeinde entstehenden Verwaltungskosten inkludiere. Konkrete Angaben darüber seien jedoch nicht gemacht worden. Die Bauoberbehörde hätte Feststellungen über die konkrete Zusammensetzung der vorgeschriebenen Kosten treffen müssen, und es mangle insbesondere an einer detaillierten ziffernmäßigen Aufschlüsselung dieser Kosten, vor allem, welcher Anteil auf die Verwaltungskosten und welcher auf die Leistungen im Zusammenhang mit der notstandspolizeilichen Maßnahme falle. Zudem sei eine Bezifferung der der Gemeinde entstandenen Kosten für Personal und Material gänzlich unterblieben. Nach wie vor könne nicht nachvollzogen werden, ob diese Kosten verhältnismäßig seien. Die Bauoberbehörde hätte zur Höhe der Kosten Vergleiche anstellen müssen, zumal für die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen kein externes Unternehmen beauftragt worden sei, und habe weder marktübliche Kosten noch Kosten für ähnliche Leistungen der Gemeinde vergleichsweise herangezogen. Es sei lediglich ein Hinweis auf die Tarifermittlung der MA 48 als "NPM-Vollkostensatz" erfolgt, womit jedoch dem Konkretisierungsgebot nach wie vor nicht entsprochen worden sei, weil das Schreiben vom 14. August 2014 als Grundlage für eine neuerliche Entscheidung ebenso wenig geeignet sei wie die in der Vergangenheit ohne jede Begründung vorgenommene Entscheidung. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass im Rahmen des öffentlichen Dienstes oder der Privatwirtschaft Arbeiten in einer Höhe entlohnt würden, die solche Kosten auslösten. Bei Heranziehung von Vergleichswerten hätte die Bauoberbehörde zum Ergebnis kommen müssen, dass die vorgeschriebenen Kosten jedenfalls überhöht seien.

25 Die Drittrevisionswerberin macht geltend, dass im angefochtenen Bescheid keine überprüfbaren Feststellungen zur Höhe der vorgeschriebenen Kosten getroffen worden seien. Zwar sei es im Grunde zutreffend, dass im Kostenersatzverfahren die Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nicht mehr zu überprüfen sei. Dies könne jedoch nicht das Ausmaß der Tätigkeit, wenn dieses über jenes Ausmaß, das dem allenfalls vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu bekämpfenden Bescheid zu entnehmen sei, hinausgehe, betreffen. Die Drittrevisionswerberin habe erstmals mit dem Einsatzbericht, der den Parteien mit dem Bescheid vom 1. Juli 2010 übermittelt worden und worin von einer täglichen Kontrolle die Rede sei, Kenntnis über das Ausmaß der Tätigkeit und der Überprüfung erlangt. Durch diese überschießende Maßnahme seien die exorbitant hohen Kosten entstanden. Die Drittrevisionswerberin habe überdies den Bescheid hinsichtlich des Ausmaßes der Maßnahmen durch ihre Berufung vom 12. Juli 2010 bekämpft, weil nicht einzusehen sei, dass Sicherungsmaßnahmen in einer Art und Weise gesetzt würden, die einer täglichen Überprüfung bedürften. Wenn die Bauoberbehörde die Auffassung vertrete, dass der Anfall der Minuten aus der tabellarischen Aufstellung im Einsatzbericht der MA 48 ersichtlich sei, so lasse sie hiebei außer Acht, dass den Parteien vor der Vorschreibung der Gebühr niemals eine solche Aufstellung zugestellt worden sei, sondern nur der Einsatzbericht, aus dem lediglich 112 Minuten Arbeitsaufwand ersichtlich seien. Eine tabellarische Aufstellung sei kein Bestandteil des Einsatzberichtes, der den Parteien mit dem Bescheid vom 1. Juli 2010 übermittelt worden sei, und auch kein Bestandteil des Berufungsbescheides, sodass eine Nachvollziehbarkeit jedenfalls unmöglich sei. Damit gehe auch die Begründung fehl, wonach es bereits deshalb bei der Bestätigung der erstinstanzlichen Vorschreibung zu verbleiben habe, weil die Drittrevisionswerberin die Höhe der Vorschreibung nicht substanziiert bestritten habe. Davon ausgehend hätte durch den angefochtenen Bescheid höchstens ein Kostenersatz in Höhe von EUR 240,80 vorgeschrieben werden können. Aber auch dieser Betrag werde bestritten, weil die Anwendung eines Minutensatzes insbesondere deshalb als willkürlich und unbegründet erscheine, da es üblich sei, dass Absicherungsarbeiten von einem Unternehmen durchgeführt würden, das die Kosten aufschlüssele (nach Arbeitsaufwand, verbrauchtem Material, Fahrzeiten und dergleichen) sowie übersichtlich und nachvollziehbar in einer Rechnung zur Zahlung vorschreibe. Eine derartige Aufschlüsselung sei weiterhin nicht vorgenommen worden, und der bloße Hinweis auf anteilige Verwaltungskosten der MA 48 sowie auf die Kostenanteile der Zentralregieleistungen des Magistrates sei nicht ausreichend.

26 Ferner sei der Behörde bekannt gewesen, weshalb die Drittrevisionswerberin nicht in der Lage gewesen sei, Maßnahmen, die die Einsturzgefahr beseitigt hätten, gegen die ausdrückliche Haltung der weiteren Miteigentümer zu setzen. Es wäre daher jedenfalls auch die Pflicht der Behörde gewesen, anstatt derart exorbitant hohe Kosten auflaufen zu lassen, eine die Einsturzgefahr - etwa durch schlichte Abtragung der Mauer - beseitigende Maßnahme durchzuführen.

27 Dazu ist Folgendes auszuführen:

28 Wie bereits im genannten Vorerkenntnis dargelegt wurde, ist es für eine auf § 129 Abs. 6 BO gestützte Vorschreibung der Kosten von Sicherungsmaßnahmen wesentlich, dass diese Sicherungsmaßnahmen -objektiv gesehen - erforderlich waren, um einer Gefahrensituation zu begegnen, wobei es rechtlich unerheblich ist, ob den Verpflichteten am Unterbleiben der Gefahrenabwehr ein Verschulden trifft. Ob die Voraussetzungen des § 129 Abs. 6 BO vorgelegen sind und die von der Behörde in Auftrag gegebenen Arbeiten demnach notwendig und zweckmäßig und zulässig waren, kann jedoch im Verfahren über die Bezahlung der Kosten dieser Maßnahme nicht überprüft werden. Wurden nämlich die nach § 129 Abs. 6 BO durchgeführten notstandspolizeilichen Maßnahmen nicht vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpft, dann kann die Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Maßnahmen im Kostenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden, weil hier insoweit mangels Bekämpfung die Rechtmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahmen anzunehmen ist, die auch deren Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes umfasst. Hiebei ist der Grund, weshalb die Anfechtung der Maßnahme beim unabhängigen Verwaltungssenat unterblieb, im Kostenersatzverfahren nicht von Bedeutung (vgl. zum Ganzen nochmals das genannte Vorerkenntnis, mwN).

29 Die Drittrevisionswerberin zeigt daher mit ihrem Vorbringen, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, Maßnahmen, die die Einsturzgefahr beseitigt hätten, zu setzen, und es die Pflicht der Behörde gewesen wäre, anstatt derart exorbitant hohe Kosten auflaufen zu lassen, eine die Einsturzgefahr beseitigende Maßnahme durchzuführen, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

30 Das von den Revisionen gegen die Höhe des vorgeschriebenen Kostenbetrages erstattete Vorbringen, dass dieser Betrag nicht nachvollzogen werden könne, ist hingegen berechtigt.

31 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

32 Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind die Verwaltungsbehörden somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung - sofern nicht der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage vorliegt - gebunden. Erfolgte die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides, weil es die belangte Behörde unterlassen hatte, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass die belangte Behörde jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen. Diese Bindungswirkung nach § 63 VwGG bezieht sich auch auf einen Übergangsfall im Sinne des Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2014/05/0064, mwN).

33 Für die Aufhebung des im ersten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheides vom 5. Mai 2011 mit dem Vorerkenntnis, Zlen. 2011/05/0102, 0103, war tragender Grund, dass die Bauoberbehörde die Heranziehung des genannten Minutensatzes von EUR 2,15 nicht ausreichend und sachlich nachvollziehbar - etwa durch vergleichsweise Heranziehung marktüblicher Kosten für die erbrachten Leistungen oder Kosten für vergleichbare Leistungen der Gemeinde, die diese in anderen Zusammenhängen mit gewisser Regelmäßigkeit erbringt (und für die möglicherweise sogar ein Tarif besteht), oder auch durch Bezifferung des Zweckaufwandes, also der der Gemeinde entstehenden Kosten für Personal und Material in Verfolgung der konkreten Maßnahme - begründet hatte.

34 Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat die Bauoberbehörde zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass sie im Hinblick auf § 63 Abs. 1 VwGG ihrer neuerlichen Entscheidung die für die genannte Aufhebung maßgebliche Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde zu legen habe, jedoch mit ihrer übrigen Bescheidbegründung der mit dem genannten Erkenntnis überbundenen Rechtsansicht nicht entsprochen. So werden ihre auf die genannte Stellungnahme der MA 48 gestützten Ausführungen, wonach es sich bei dem Minutensatz um einen Vollkostensatz pro Minute für notstandpolizeiliche Maßnahmen handle, der jegliche Leistungen im Zusammenhang mit der notstandspolizeilichen Maßnahme inkludiere, und es gerechtfertigt sei, dass in diesem Vollkostenminutensatz auch anteilig der Gemeinde entstehende Verwaltungskosten enthalten seien, weil die Vornahme einer notstandspolizeilichen Maßnahme jedenfalls auch einer gewissen Organisation bzw. Verwaltung durch die MA 48 bedürfe, sowie dass die gegenständliche Tarifermittlung seitens des Unternehmens Q. einer externen und unabhängigen Begutachtung unterzogen worden sei, den Anforderungen an eine ausreichend und sachlich nachvollziehbare Begründung nicht gerecht. Auch die allgemeine Beschreibung der vom Minutensatz grundsätzlich umfassten Kosten ist hiefür nicht ausreichend.

35 Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

36 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Juni 2016

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