VwGH Ro 2014/03/0024

VwGHRo 2014/03/002426.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Elektrizitätswerke Wels AG in Wels, vertreten durch Lichtenberger & Partner Rechtsanwälte, 1010 Wien, Wollzeile 17, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 16. Dezember 2013, Zl M 1.1/12-106, betreffend Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
TKG 2003 §35;
TKG 2003 §36 Abs1;
TKG 2003 §37 Abs1;
VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid, der der Revisionswerberin am 20. Dezember 2013 zugestellt wurde, hat die belangte Behörde unter Spruchpunkt A. ("Marktdefinition") gemäß § 36 Abs 2 TKG 2003 festgestellt, dass der Vorleistungsmarkt "Physischer Zugang zu Netzinfrastrukturen" ein der sektorspezifischen Regulierung unterliegender Markt ist. - A.1., dass dieser Markt folgende Produkte/Dienstleistungen umfasst:

"a) Kupferdoppelader- Teilnehmeranschlussleitungen einschließlich Teilabschnitten davon (Teilentbündelung), einschließlich gemeinsamer Zugang (shared use), im Anschlussnetz;

b) Glasfaser- Teilnehmeranschlussleitungen (Fibre-to-the-Home, FTTH) einschließlich Teilabschnitten davon (Teilentbündelung) im Anschlussnetz;

c) Virtuelle Entbündelung über Kupfer- und/oder Glasfaser-Teilnehmeranschlussleitungen (Fibre-to-the-Cabinet, FTTC; Fibre-tothe-Building; FTTB; Fibre-to-the-Home, FTTH);

d) Eigenleistungen unter Verwendung von Kupfer- und/oder Glasfaser-Teilnehmeranschlussleitungen (inkl. Fibre-to-the-Cabinet - FTTC; Fibre-to-the-Building - FTTB; Fibre-to-the-Home - FTTH)" - A.2.,

und dass der Markt das gesamte Bundesgebiet umfasst. - A.3.

Unter Spruchpunkt B. ("Beträchtliche Marktmacht") wurde gemäß §§ 36 Abs 1 iVm 37 Abs 1 iVm 35 TKG 2003 festgestellt, dass die A1 Telekom Austria AG (iF: A1) auf dem Vorleistungsmarkt "Physischer Zugang zu Netzinfrastrukturen" über beträchtliche Marktmacht verfügt.

Unter Spruchpunkt C. ("Auferlegung von Verpflichtungen") wurden der A1 gemäß § 37 Abs 1 TKG 2003 näher konkretisierte (Spruchpunkte C.1. bis C.5., Seiten 2 bis 18 des angefochtenen Bescheids) spezifische Verpflichtungen auferlegt.

Mit Spruchpunkt D. ("Aufhebung von Verpflichtungen") schließlich wurden die der A1 mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 2010, M 3/09-103, auferlegten Verpflichtungen betreffend den Markt "Physischer Zugang zu Netzinfrastrukturen (Vorleistungsmarkt)" iSd § 1 Z 3 TKMV 2008 aufgehoben.

1.1. § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) lautet (auszugsweise):

"Verwaltungsgerichtshof

§ 4. (1) Ist ein Bescheid, gegen den eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung beim Verwaltungsgerichtshof zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden, läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diesen Bescheid nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann gegen ihn vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Wurde gegen einen solchen Bescheid vor Ablauf des 31. Dezember 2013 Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben und läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG.

...

(5) Die Revision gemäß den Abs. 1 bis 3 ist unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Die Revision gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung ist unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Eine solche Revision hat gesondert die Gründe zu enthalten, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen. Ob eine solche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, ist vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen. Für die Behandlung der Revision gelten die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann. Für Revisionen gegen Bescheide anderer als der im zweiten Satz genannten Verwaltungsbehörden gelten die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht.

..."

Art. 133 Abs. 4 B-VG idF BGBl I Nr 51/2012 lautet:

"(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist."

Der gegen den Bescheid der belangten Behörde - einer Behörde gemäß Art 20 Abs 2 Z 3 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung - am 12. Februar 2014 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revisionsschriftsatz enthält zur Frage, ob die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegen, folgende Ausführungen:

"Die erste zu lösende Rechtsfrage besteht darin, welchen Ermessensspielraum die belangte Behörde bei der Verhängung von Auflagen in einem Marktanalyseverfahren nach § 36 TKG 2003 hat und ob sie diesen Ermessensspielraum im vorliegenden Fall dadurch überschritten bzw nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat, dass sie Auflagen gegenüber A1 zwar angeordnet, diese aber insofern eingeschränkt hat, als sie der A1 unter bestimmten Umständen ein Ablehnungsrecht (Spruchpunkte C.1.1.1. bis C.1.1.4.) gegeben hat. Die potentielle Berührung vergleichbarer Fälle ist auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes insbesondere deshalb gegeben, weil sich die Lösung der Rechtsfrage in allen künftigen Marktanalyseverfahren stellt, solche in regelmäßigen Abständen (alle drei Jahre, vgl § 36 TKG 2003) für eine Reihe von Märkten (vgl die TKMVO) durchzuführen sind und durch die Entscheidungen in den Marktanalyseverfahren die Marktbedingungen auf den österreichischen Telekommunikationsmärkten entscheidend geprägt werden.

Die zweite zu lösende Rechtsfrage bezieht sich auf die Grundsätze des Verfahrens und die Verhinderung von Fehlentscheidungen aufgrund von Verfahrensfehlern. Gemäß Kodek in Rechberger, ZPO Zivilprozessordnung3 (2006), muss die Rechtsfrage an sich über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinaus Bedeutung haben. Da aber die Rechtssicherheit und Rechtseinheit geschützt werden sollen, kann auch ein Fehler des Berufungsgerichts, der nicht zu grundlegenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofs Anlass bietet - wie etwa einer Aktenwidrigkeit oder Mangelhaftigkeit - erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukommen, liegt es doch nicht nur im Interesse der betroffenen Partei, sondern auch im allgemeinen Interesse, dass Fehlentscheidungen verhindert werden (aaO Rz 12 zu § 502 ZPO). Auch einem Verfahrensfehler kann insofern erhebliche Bedeutung zukommen, liegt es doch nicht nur im Interesse der betroffenen Partei, sondern auch im allgemeinen Interesse, dass Fehlentscheidungen verhindert werden (aaO Rz 14). Im vorliegenden Fall macht die Rw. das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Beweisaufnahme und Unschlüssigkeit des Gutachtens, und damit einen erheblichen Verfahrensmangel geltend, durch den die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet ist. Es liegt nicht nur im Interesse der betroffenen Partei, sondern im Interesse aller von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Marktteilnehmer (Anbieter und Endkunden), und somit auch im allgemeinen Interesse der Teilnehmer des Telekommunikationsmarktes, dass Fehlentscheidungen verhindert werden, die durch schwere Fehler in der Beweisaufnahme zustande kommen.

Den im gegenständlichen Verfahren zu lösenden Rechtsfragen kommt allen samt grundsätzliche Bedeutung zu, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beiden Rechtsfragen fehlt.

Die potentielle Berührung vergleichbarer Fälle ist auf Grund des vorliegenden Sachverhalts gegeben. Die Revision ist insofern gemäß § 4 Abs 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz iVm Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig zu erklären."

Mit diesem Vorbringen wird von der Revisionswerberin nicht konkret aufgezeigt, welche Rechtfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.

In Marktanalyseverfahren nach dem fünften Abschnitt des TKG 2003 kommt der Regulierungsbehörde, die im Fall, dass ein Unternehmen auf dem relevanten Markt über beträchtliche Marktmacht verfügt, diesem zwingend geeignete spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen hat, bei Prüfung der Regulierungsinstrumente und Auswahl unter diesen ein umfassender Beurteilungsspielraum (Regulierungsermessen) zu (vgl VwGH vom 28. November 2013, 2010/03/0168, und vom 23. Oktober 2013, 2010/03/0175). Das - wiedergegebene - Vorbringen der Revisionswerberin legt weder eine Überschreitung des in Marktanalyseverfahren gegebenen Spielraums durch die belangte Behörde noch einen relevanten Verfahrensmangel dar.

Der Umstand allein, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten können, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit iSd Art 133 Abs 4 B-VG.

Nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung können im Übrigen die von § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG geforderte gesonderte Darlegung, warum die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegen, nicht ersetzen (vgl VwGH vom 28. Februar 2014, Ro 2014/03/0005).

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG iVm § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG in dem nach § 12 Abs 2 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 26. März 2014

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