VwGH Ra 2022/14/0219

VwGHRa 2022/14/021912.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des V A, vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Donau, Blütenstrasse 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2022, L506 2206684‑1/27E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140219.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 24. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, dass er im Iran zum Christentum konvertiert und dies an die iranische Regierung verraten worden sei.

2 Mit Bescheid vom 30. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Gänze als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse ‑ aus, der Revisionswerber habe aus näher genannten Gründen nicht glaubhaft darlegen können, dass er aufgrund eines inneren Entschlusses zum Christentum konvertiert sei. Es handle sich um eine Scheinkonversion.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision wendet sich in der Begründung ihrer Zulässigkeit gegen Aspekte der Beweiswürdigung des BVwG und führt dazu aus, das BVwG habe die Annahme einer Scheinkonversion mit zum Teil aktenwidrigen Begründungen, einer unverhältnismäßig überzogenen Erwartungshaltung und nicht nachvollziehbaren Ansichten gerechtfertigt. Zudem rügt die Revision die unterlassene Einvernahme eines näher genannten Kindheitsfreundes des Revisionswerbers.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit, die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens‑ bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 3.3.2022, Ra 2022/14/0042, mwN).

11 Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 19.4.2022, Ra 2021/14/0058, mwN).

12 Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass an das Wissen eines Asylwebers über den von ihm angenommenen Glauben bzw. einzelne theologische Fragestellungen keine überzogenen Erwartungen geknüpft werden dürfen (vgl. VwGH 6.4.2021, Ra 2021/18/0001; 25.3.2020, Ra 2020/14/0130). Jedoch handelt es sich auch bei der Beurteilung, welches Wissen konkret von einem Asylwerber erwartet werden kann, letztlich immer um eine Beurteilung im Einzelfall, bei der auch sonstige nach der konkreten Sachlage maßgebliche Umstände zu berücksichtigen sind (etwa, wenn es um Wissen geht, von dem angenommen werden kann, dass es eine die Konvertierung ernsthaft anstrebende Person jedenfalls erworben hat, umso mehr wenn sie angibt, an bestimmten kirchlichen Unterrichtseinheiten teilgenommen zu haben; vgl. erneut VwGH 25.3.2020, Ra 2020/14/0130).

13 Das BVwG hat sich in seiner Beweiswürdigung aber ohnedies nicht tragend auf die teilweise unrichtigen bzw. ausweichenden Antworten des Revisionswerbers zu christlichen Glaubensinhalten gestützt, sondern ausdrücklich festgehalten, dass kein spezifisches theologisches Wissen vom Revisionswerber verlangt oder erwartet werde. Maßgeblich für seine Beurteilung sei, dass der Revisionswerber eine innere, tatsächliche Hinwendung zum Christentum nicht plausibel habe darstellen können. Zu diesem Schluss kam das BVwG, nachdem es eine Verhandlung durchführte, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft und diesen zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, zu Inhalten des christlichen Glaubens und zum Praktizieren seines Glaubens ebenso befragt hat wie den Pastor, der den Taufvorbereitungskurs des Revisionswerbers geleitet und ihn getauft hat. In weiterer Folge setzte sich das BVwG im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung mit sämtlichen Beweismitteln auseinander. Das BVwG gelangte auf dieser Grundlage mit ausführlicher Begründung zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass nicht von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion des Revisionswerbers ausgegangen werden könne. Der Revision, die einzelne Aspekte der beweiswürdigenden Erwägungen anspricht, gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.

14 Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme des Kindheitsfreundes des Revisionswerbers, durch welchen der Revisionswerber in Kontakt mit dem Christentum gekommen sei, rügt, ist zunächst festzuhalten, dass eine solche Einvernahme vom Revisionswerber nicht beantragt wurde, sondern im Rahmen einer Stellungnahme eine Telefonnummer bekannt gegeben und angegeben wurde, dass diese dem Kindheitsfreund zuzurechnen sei und dieser bereit wäre, „im Rechtshilfeweg zeugenschaftlich“ einvernommen zu werden.

15 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 7.3.2022, Ra 2021/14/0385, mwN). Das BVwG hat das Vorliegen der vom Revisionswerber behaupteten Konversion in vertretbarer Weise verneint und sich ‑ entgegen den Behauptungen in der Revision ‑ auch mit dieser Mitteilung zur Telefonnummer des Kindheitsfreundes auseinandergesetzt und abschließend festgehalten, dass ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliege und weitere Erhebungen nicht notwendig seien. Ausgehend davon sind Gründe dafür, dass die von der Revision gerügte unterbliebene Einvernahme dieses Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, nicht ersichtlich.

16 Darüber hinaus ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ‑ um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen ‑ in der Revision konkret darzulegen ist, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 31.8.2021, Ra 2020/14/0061, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem pauschalen und nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht nach.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. September 2022

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