European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140154.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 16. April 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er mit wirtschaftlichen Problemen in Bangladesch begründete. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Revisionswerber zusätzlich an, er habe sein Heimatland aufgrund von Verfolgung aufgrund seiner politischen Tätigkeit verlassen.
2 Mit Bescheid vom 30. Juni 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 18. März 2022, E 460/2022‑5, gemäß Art. 144 Abs. 2 B‑VG ablehnte und gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Sodann brachte der Revisionswerber die gegenständliche Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision Verfahrensmängel, insbesondere eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör, Begründungsmängel ‑ hier vor allem Feststellungsmängel ‑ und eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend. Weiter habe das BVwG die pandemiebedingte Situation in der medizinischen Versorgung außer Acht gelassen. Zuletzt rügt die Revision die erlassene Rückkehrentscheidung.
10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 4.11.2021, Ra 2021/14/0333 bis 0334, mwN).
11 Weiters unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0365, mwN).
12 In der Revision wird weder die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufgezeigt noch dargetan, weshalb das BVwG von Amts wegen von der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hätten ausgehen müssen. Der Revision ist auch nicht zu entnehmen, dass sich das BVwG über relevantes Vorbringen des Revisionswerbers hinweggesetzt hätte. Das Vorbringen, der Revisionswerber sei homosexuell und deshalb bei einer Rückkehr einer Gefährdung ausgesetzt, wird zudem erstmals im Revisionsverfahren erstattet, weshalb dieses Vorbringen unter das Neuerungsverbot fällt und damit unbeachtlich ist (§ 41 VwGG).
13 Wenn sich der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit der Revision zudem ‑ unter unterschiedlichen Aspekten ‑ gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts richtet und eine antizipierende Beweiswürdigung rügt, ist folgendes festzuhalten:
14 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach ständiger Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der ‑ zur Rechtskontrolle berufene ‑ Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 29.3.2021, Ra 2021/20/0066; 14.9.2021, Ra 2020/20/0405, jeweils mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich sowohl mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen im Rahmen der Erstbefragung als auch mit der im weiteren Verfahren vorgebrachten behaupteten Verfolgung aufgrund seiner politischen Tätigkeit auseinandergesetzt. Dabei führte es ‑ wie bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ mit näherer Begründung ins Treffen, dass der Revisionswerber einerseits sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens gesteigert habe und andererseits sämtliche Angaben zur politischen Aktivität und einem damit verbundenen Polizeieinsatz vage und oberflächlich geblieben seien. So habe der Revisionswerber keinerlei Wissen über die Partei, bei der er angeblich politisch tätig gewesen sei, gezeigt und jene Angaben, die er zur behaupteten Verfolgung gemacht hätte, seien widersprüchlich gewesen. Ebenso schloss es sich hinsichtlich der vorgelegten Anzeigen der Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl an, dass es sich bei diesen aufgrund ihrer Datierung am 21. Juni 2021 und den eigenen Angaben des Revisionswerbers, diese bereits am 17. April 2021 erhalten zu haben, um gefälschte Schriftstücke handeln müsse. Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird in der Revision nicht aufgezeigt.
16 In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass keine Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichts bestand, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass in seiner Aussage Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu seinem Nachteil ausschlagen würden (vgl. wieder VwGH 7.4.2022, Ra 2020/14/0360, mwN).
17 Zum Vorbringen hinsichtlich einer „antizipierende Beweiswürdigung“ ist auszuführen, dass eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung dann vorliegt, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird (vgl. etwa VwGH 21.3.2018, Ra 2018/02/0063). Der von der Revision erhobene Vorwurf betrifft aber nicht die unzulässige Vorwegnahme vermuteter Ergebnisse nicht aufgenommener Beweise, sondern ‑ erneut ‑ die Behauptung der unrichtigen Beweiswürdigung des BVwG zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, deren Unvertretbarkeit die Revision in ihrer Zulassungsbegründung ‑ wie bereits oben dargelegt ‑ nicht aufzeigen konnte.
18 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG habe die pandemiebedingte Situation der medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat des Revisionswerbers für den Fall einer Rückkehr nicht ausreichend beachtet, ist ihr wie folgt zu entgegnen:
19 Zur Frage der Voraussetzungen der Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 5.4.2022, Ra 2022/14/0057, mwN). Inwiefern solche über die bloße Möglichkeit hinausreichenden exzeptionellen Umstände beim Revisionswerber vorliegen, zeigt die Revision nicht auf.
20 Soweit sich die Revision gegen das Ergebnis der vorgenommenen Interessenabwägung wendet ist anzuführen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. VwGH 19.4.2022, Ra 2021/14/0382, mwN). Dass die Interessenabwägung des BVwG fallbezogen unvertretbar ist, zeigt die Revision mit ihrem pauschalen Hinweis auf deren Unverhältnismäßigkeit nicht auf.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2022
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