Normen
BAO §167 Abs2
BAO §21
BAO §22
BAO §23
EStG 1988 §22
EStG 1988 §25
EStG 1988 §47 Abs1
EStG 1988 §47 Abs2
EStG 1988 §83 Abs1
KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §1
UStG 1994 §12 Abs10
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130096.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird betreffend Umsatzsteuer 2007 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber vermietet Immobilien. Er ist weiters Gesellschafter der I GmbH und bezog in den Streitjahren (2007 bis 2011) als Geschäftsführer dieser Gesellschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
2 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom 25. Februar 2014 wurde u.a. ausgeführt, im Jahr 2003 seien Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Objekte K und A erklärt worden. Am 6. April 2004 sei ein Schreiben an das Finanzamt gerichtet worden, in dem mitgeteilt worden sei, die Vermietung werde auf gewerbliche Basis „umgestellt“. In diesem Jahr seien erstmals gewerbliche Einkünfte (Mieterlöse aus den beiden Objekten) erklärt worden. Weiters seien im Jahr 2004 Anzahlungen für im Bau befindliche Anlagen geleistet und in die Bilanz aufgenommen worden; in der Bilanz sei dazu vermerkt worden, dass es sich um die Errichtung eines Doppelhauses in M handle. Im Jahr 2005 seien weitere Anzahlungen für dieses Objekt bilanziert worden; es seien noch keine Mieteinnahmen erzielt worden. Die Vorsteuer für den Kauf sei in Abzug gebracht worden. Ab dem Jahr 2006 werde das Objekt M im Anlageverzeichnis des Gewerbebetriebs geführt. Auf Nachfragen im Rahmen der Außenprüfung sei mitgeteilt worden, dass es sich bei dem Objekt in M um den Wohnsitz des Revisionswerbers handle. Das Objekt werde an die I GmbH vermietet (monatlicher Mietzins 1.100 €); diese stelle das Gebäude ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer (dem Revisionswerber) gegen einen Sachbezug (monatlich 990 €) zur Verfügung. Ein Fremdwährungskredit diene zur Finanzierung des Objektes. Der Revisionswerber sei seit März 2006 im Objekt M mit Hauptwohnsitz gemeldet. Es gebe keinen schriftlichen Mietvertrag. Die Vermietung des Objektes an die I GmbH und die Nutzungsüberlassung an den Revisionswerber seien nach außen nicht erkennbar gewesen, da in den Einkommensteuererklärungen 2006 und 2007 andere Adressen als Wohnanschrift angegeben worden seien. Es sei auch kein Hinweis auf den Mieter der Liegenschaft M ersichtlich gewesen. Es liege eine unangemessene Vorteilszuwendung an den Geschäftsführer vor, die nach § 8 KStG 1988 in Verbindung mit § 22 BAO nicht zulässig sei. Von der Außenprüfung werde das Objekt M aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden; auch würden sämtliche Erlöse und Aufwendungen (samt Dotierung/Auflösung einer Rückstellung) betreffend dieses Objekt aus der Gewinnermittlung ausgeschieden. Die Entnahme erfolge für die Jahre 2007 bis 2011 jeweils zu den Buchwerten. Dieser Sachverhalt werde auch in der Umsatzsteuer berücksichtigt. Das Gebäude sei ab dem Jahr 2006 in Verwendung gestanden. Per 1. Jänner 2007 werde das Gebäude aus dem Betriebsvermögen entnommen. Es sei daher im Jahr 2007 eine Vorsteuerzehntelberichtigung (9/10) der geltend gemachten Vorsteuern vorzunehmen. Betreffend ein im Jahr 2011 angeschafftes Fenstergeländer sei bereits für das Jahr der Anschaffung eine Vorsteuerkorrektur (10/10) durchzuführen.
3 Mit Bescheiden vom 31. März 2014 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2011 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte Einkommensteuer und Umsatzsteuer für diese Jahre neu fest. In der Begründung der Wiederaufnahmebescheide verwies das Finanzamt jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.
4 Der Revisionswerber erhob (u.a.) gegen diese Bescheide Beschwerden.
5 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 13. August 2015 wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab.
6 Der Revisionswerber beantragte, die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht (u.a.) diese Beschwerden als unbegründet ab. Die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2011 wurden abgeändert. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Erstbescheide betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2011 seien im Zeitraum zwischen Juni 2008 und Juli 2012 ergangen. Bei Erlassung dieser Bescheide habe der Abgabenbehörde lediglich bekannt sein können, dass der Revisionswerber gewerbliche Einkünfte bzw. Umsätze u.a. in Zusammenhang mit der Vermietung eines Objektes in M erwirtschafte. Der maßgebende Sachverhalt, auf den das Finanzamt die Wiederaufnahme gestützt habe, gehe aus den Abgabenerklärungen nicht hervor. Insbesondere habe der Revisionswerber in den Einkommensteuererklärungen seine Wohnadresse in M nicht angegeben. Erst im Zuge der Außenprüfung habe das Finanzamt feststellen können, dass der Revisionswerber ab März 2006 im Haus in M wohnhaft sei, er von der I GmbH für dieses Haus Mietzahlungen erhalte und ihm diese das Haus wiederum als Dienstwohnung zur Verfügung stelle. Diese relevanten Sachverhaltselemente seien der Abgabenbehörde somit erst während der Außenprüfung bekannt geworden. Allein aufgrund der Tatsache, dass der Revisionswerber ein Objekt in M in das Betriebsvermögen seines Gewerbebetriebes aufgenommen habe, lasse sich nicht schließen, dass dies zu Unrecht erfolgt sei. Mit der neuen rechtlichen Würdigung habe das Finanzamt die Konsequenzen aus dem Sachverhalt gezogen, der erstmals anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung so vollständig bekannt geworden sei, dass die Behörde zu den in den wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidungen habe gelangen können. Ein allfälliges Verschulden der Behörde an der Nichtausforschung von Sachverhaltselementen schließe die amtswegige Wiederaufnahme nicht aus. Festzuhalten sei aber auch, dass der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung jeweils bekannte Sachverhalt keinen Anlass für ergänzende Ermittlungen der Abgabenbehörde geboten habe. Verjährung liege ‑ wie näher begründet wird ‑ entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers nicht vor.
9 Der Revisionswerber habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Immobilienverwaltung als Einzelunternehmer und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der I GmbH bezogen; in den Streitjahren sei der Revisionswerber zu 25 % an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen.
10 Im Jahr 2005 habe der Revisionswerber Vorsteuer für den Kauf einer Doppelhaushälfte in M geltend gemacht. Für das Jahr 2006 habe der Revisionswerber die Immobilie in das Anlageverzeichnis des Gewerbebetriebes aufgenommen; ab März 2006 habe er dort seinen Hauptwohnsitz gemeldet. Bis zur Scheidung im Jahr 2008 habe auch die Ehegattin mit den beiden Kindern an dieser Adresse gewohnt. Das Haus mit einer verbauten Fläche von rund 46 m² umfasse ein Wohnzimmer, drei kleine Schlafzimmer, Nebenräume, Keller und ein Arbeitszimmer im Dachgeschoß.
11 Das Einfamilienhaus habe dem Wohnbedürfnis des Revisionswerbers und bis zur Scheidung auch jenem seiner Familie gedient. Die Vermietung des Hauses und die gleichzeitige Nutzung des Hauses als Dienstwohnung seien als Scheingeschäfte zu beurteilen. Dazu komme noch, dass der Inhalt des angeblich mündlich abgeschlossenen Mietvertrages nicht konkret feststellbar sei. So sei etwa laut Angaben des Revisionswerbers eine Wertsicherung vereinbart gewesen; Wertsicherungsbeträge seien aber nie geltend gemacht worden. Unklar sei die Vereinbarung auch hinsichtlich der Tragung der Betriebskosten des Hauses. Ein eindeutiger Inhalt des Mietvertrages fehle auch insofern, als gegenüber der Betriebsprüferin eine Vermietung an die I GmbH zu eigenen Wohnzwecken des Revisionswerbers und seiner Familie angegeben worden sei. Erst nach Abschluss der Außenprüfung sei erstmals eine Mitnutzung des Hauses für betriebliche Zwecke des Dienstgebers behauptet worden. Eine Nutzung des Einfamilienhauses als Übernachtungsmöglichkeit für Geschäftsfreunde und Mitarbeiter der I GmbH sei nicht nachvollziehbar und nicht glaubwürdig. Die in Zusammenhang mit dem Objekt in M geltend gemachten Aufwendungen seien nicht betrieblich veranlasst gewesen; sie seien vielmehr durch den Haushalt und die Lebensführung des Revisionswerbers bedingt gewesen. Was den als Büro eingerichteten Raum im Dachgeschoß des Hauses in M betreffe, sei glaubhaft, dass der Revisionswerber diesen als Arbeitszimmer für seine Geschäftsführertätigkeit verwendet habe.
12 Die Vermietung des privat genutzten Hauses in M an die I GmbH sowie die Aufnahme in das Anlageverzeichnis des Gewerbebetriebes seien steuerlich nicht anzuerkennen. Weder für das gesamte Gebäude noch für bestimmte einzelne Räume habe eine überwiegende betriebliche Nutzung festgestellt werden könne. Die Wohnung des Steuerpflichtigen gelte als notwendiges Privatvermögen. Durch die Aufnahme von notwendigem Privatvermögen in das Anlageverzeichnis werde aus Privatvermögen kein Betriebsvermögen. Es fehle daher ertragsteuerlich die betriebliche Veranlassung der damit zusammenhängenden Aufwendungen; diese seien gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abzugsfähig. Das habe zur Folge, dass diese Leistungen umsatzsteuerlich als nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten und der Vorsteuerabzug nicht zulässig sei.
13 Zum Arbeitszimmer im Dachgeschoß sei festzuhalten, dass ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nicht abzugsfähig sei. Da dem Revisionswerber in den Geschäftsräumlichkeiten der I GmbH als Arbeitnehmer ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden sei, sei im häuslichen Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen gelegen.
14 Das Finanzamt habe zu Recht die als Mieterträge erklärten Nettobeträge nicht unter den Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. die Erlöse nicht als umsatzsteuerbar erfasst. Die von der I GmbH erhaltenen Mietzahlungen seien dem Revisionswerber aber unbestritten zugeflossen. Da der Zahlungsgrund nicht im Mietvertrag zu sehen sei, werde von einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis ausgegangen. Den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sei daher ein Betrag von 13.200 € jährlich (1.100 € x 12) hinzuzurechnen. Bei dieser Sachlage sei aber der Ansatz von Sachbezügen unter den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht mehr gerechtfertigt. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sei damit ein Betrag von 11.880 € jährlich (990 € x 12) in Abzug zu bringen. Insgesamt sei daher der Differenzbetrag von jeweils 1.320 € jährlich zu den Einkünften hinzuzurechnen.
15 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 13. Juni 2022, E 4326/2020‑8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Gesetzgeber verfolge mit § 209a BAO ‑ in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ‑ den Zweck, die Erledigung eines vom Steuerpflichtigen selbst eingebrachten Rechtsmittels auch nach Ablauf der Verjährungsfrist zu ermöglichen, wobei es dem Steuerpflichtigen unbenommen ist, eine Beschwerde zurückzunehmen (§ 256 BAO), und gegen eine allfällige Behördensäumnis hinreichende Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.
16 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts ‑ nach seinen Revisionspunkten, Begründung zur Zulässigkeit und Revisionsgründen nur soweit es die Wiederaufnahme der Verfahren sowie Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2011 betrifft ‑ wendet sich auch die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es seien die steuerlichen Konsequenzen für Sachverhalte, die sich bereits in Vorjahren zugetragen hätten, zu Unrecht erst im Jahr 2007 gezogen worden. Vorsteuern, die nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts im Jahr 2005 zu Unrecht geltend gemacht worden seien, könnten aber nicht in einem Folgejahr (2007) berichtigt werden. Das Finanzamt sei von einer unangemessenen Vorteilszuwendung an den Geschäftsführer ausgegangen, die gemäß § 8 KStG 1988 iVm § 22 BAO nicht zulässig sei. Das Bundesfinanzgericht stütze sich hingegen auf § 20 Abs. 1 EStG 1988, was im Widerspruch zur Rechtsprechung stehe (Hinweis auf VwGH 26.7.2017, Ra 2016/13/0025). Das Bundesfinanzgericht habe damit auch den Wiederaufnahmegrund ausgetauscht. Dies widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur „Sache“ des Verfahrens im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme (Hinweis auf VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0012). Die Hinzurechnung betreffend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sei ermittlungsfrei und hochspekulativ erfolgt. Das Bundesfinanzgericht verstoße damit auch gegen das Überraschungsverbot. Das angefochtene Erkenntnis stehe auch mit sich selbst in unlösbarem Widerspruch, weil dieselben Zahlungen auf Basis desselben Sachverhalts nicht der Umsatzsteuer, sehr wohl aber der Einkommensteuer unterliegen. Stelle man aber einen Konnex mit dem Dienstverhältnis her, wären die Zahlungen des Revisionswerbers an den Dienstherrn von 950 € monatlich zuzüglich Umsatzsteuer gegenzurechnen gewesen; es hätte nur die Nettogröße herangezogen werden dürfen.
17 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Die Revision ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
1. Wiederaufnahme
20 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren u.a. von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
21 Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. z.B. VwGH 9.12.2021, Ra 2021/13/0040; 13.10.2022, Ro 2022/15/0016).
22 Das Finanzamt ‑ und ihm folgend das Bundesfinanzgericht ‑ stützten die Wiederaufnahme auf den im Prüfungsbericht näher dargelegten Sachverhalt. Demnach sei erst im Zuge der Außenprüfung hervorgekommen, dass der Revisionswerber im Objekt M seinen Wohnsitz habe; das Objekt werde vom Revisionswerber an die I GmbH vermietet, die es dem Revisionswerber wiederum als Sachbezug zur Verfügung stelle. Es gebe keinen schriftlichen Mietvertrag; die Vermietung sei nach außen nicht erkennbar gewesen, insbesondere sei auch in den Abgabenerklärungen diese Anschrift nicht als Wohnsitz des Revisionswerbers angegeben worden.
23 Dieser Sachverhalt wird in der Revision nicht bestritten; in der Revision wird auch nicht bestritten, dass dieser Sachverhalt der Abgabenbehörde erst im Zuge der Außenprüfung bekannt geworden war. Demnach lagen insoweit aber neu hervorgekommene Tatsachen vor. Dass diese Tatsachen vom Bundesfinanzgericht rechtlich anders beurteilt wurden, ändert nichts daran, dass es sich um denselben Tatsachenkomplex handelt; ein Austausch oder ein „Nachschieben“ eines Wiederaufnahmegrundes liegt damit ‑ entgegen dem Vorbringen in der Revision ‑ nicht vor.
24 Diese neu hervorgekommenen Tatsachen sind ‑ wie noch zu zeigen sein wird ‑ auch geeignet, zu im Spruch anders lautenden Bescheiden zu führen, sodass sich die Revision betreffend Wiederaufnahme als unbegründet erweist.
2. „Vermietung“ des Objektes in M
25 Zutreffend ist, dass eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende ‑ entgegen der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts ‑ (an sich) nicht dem § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 unterliegt. Diese Sachverhaltskonstellation ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmissbrauches oder auch eines Scheingeschäfts zu prüfen (vgl. VwGH 26.7.2017, Ra 2016/13/0025, mwN).
26 Das zwischen Gesellschaftern einer GmbH und der GmbH bestehende Naheverhältnis gebietet es, behauptete Vereinbarungen an jenen Kriterien zu messen, welche für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden. Diese Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. z.B. VwGH 3.1.2023, Ra 2021/15/0107).
27 Wie das Bundesfinanzgericht mit näherer Begründung dargelegt hat, konnte ein eindeutiger und klarer Inhalt der mit der I GmbH abgeschlossenen Vereinbarungen nicht festgestellt werden. Die Mietkonstruktion sei ebenso wenig fremdüblich wie eine Nutzung des Hauses durch Familienfremde ohne schriftliche Fixierung und konkrete Abgrenzung; es entspreche auch nicht fremdüblichen Bedingungen, eine vereinbarte Wertsicherung des Mietentgelts nicht zu verrechnen. Gestützt auf diese Feststellungen ist davon auszugehen, dass insoweit keine steuerlich zu berücksichtigende Vereinbarung vorliegt (vgl. neuerlich VwGH 3.1.2023, Ra 2021/15/0107; vgl. auch VwGH 26.11.2015, Ro 2014/15/0044).
28 Dem Bundesfinanzgericht ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es die auf die „Mietkonstruktion“ bezogenen Zahlungen weder als gewerbliche Einkünfte (aus einer Vermietung des Revisionswerbers) noch als Umsätze berücksichtigte und auch die damit verbundenen Ausgaben und geltend gemachten Vorsteuern in allen Streitjahren (insbesondere auch im Jahr 2007) nicht berücksichtigte.
3. Vorsteuerberichtigung
29 Ändern sich bei einem Gegenstand, den der Unternehmer in seinem Unternehmen als Anlagevermögen verwendet oder nutzt, in den auf das Jahr der erstmaligen Verwendung folgenden vier (bei Grundstücken ‑ in der Fassung vor BGBl. I Nr. 22/2012; vgl. § 28 Abs. 38 Z 2 UStG 1994 ‑ neun) Kalenderjahren die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, so ist nach § 12 Abs. 10 UStG 1994 für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges durchzuführen. Die Berichtigung hat für das Jahr der Änderung zu erfolgen.
30 Aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ist nicht ableitbar, dass es im Jahr 2007 zu einer Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 12 Abs. 10 UStG 1994 gekommen wäre. Das Bundesfinanzgericht geht offenkundig davon aus, dass das Objekt M niemals als Betriebsvermögen des Revisionswerbers zu behandeln gewesen wäre und zu keinem Zeitpunkt ein umsatzsteuerlich zu berücksichtigendes Leistungsverhältnis dazu bestanden hatte oder beabsichtigt war. Daraus wäre aber abzuleiten, dass die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Leistungsbezuges sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht unverändert geblieben sind, weshalb kein Raum für eine Vorsteuerberichtigung bleibt. § 12 Abs. 10 UStG 1994 dient nämlich nicht der Korrektur fehlerhafter Entscheidungen betreffend die ursprüngliche Vorsteuerabzugsberechtigung, die aufgrund rechtskräftiger Veranlagung verfahrensrechtlich unabänderlich geworden sind und hinsichtlich derer gerade keine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist (vgl. VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0084; 23.11.2022, Ro 2021/15/0017). Jedenfalls kann aber aus dem Umstand, dass der Revisionswerber dieses Objekt ab März 2006 als seinen Wohnsitz nutzte, nicht abgeleitet werden, dass im Jahr 2007 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, die für dieses Jahr zu einer Vorsteuerberichtigung führen könnte. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher betreffend Umsatzsteuer 2007 als rechtswidrig.
4. Nichtselbständige Einkünfte - „Verböserung“
31 Wenn der Revisionswerber zur „Verböserung“ durch das Bundesfinanzgericht geltend macht, bei Berücksichtigung der (auf die „Mietkonstruktion“ gestützten) Zahlungen der I GmbH an den Revisionswerber hätten auch die damit verknüpften Zahlungen des Revisionswerbers (950 € pro Monat zuzüglich Umsatzsteuer) berücksichtigt und gegengerechnet werden müssen (es hätte nur die Nettogröße herangezogen werden dürfen), so ist zu erwidern, dass Zahlungen des Revisionswerbers an die I GmbH im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung der Wohnung an den Revisionswerber ‑ nach den insoweit nicht bekämpften Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ‑ nicht vorlagen. Die Zurverfügungstellung wurde vielmehr steuerlich durch Ansatz eines Sachbezugs berücksichtigt (monatlich 990 €). Dieser Sachbezug wurde vom Bundesfinanzgericht ausgeschieden, sodass die Abänderung („Verböserung“) nur im Umfang der „Nettogröße“ (Differenzbetrag) erfolgte.
32 Der Revisionswerber macht dazu weiters geltend, die erstmalige Hinzurechnung durch das Bundesfinanzgericht verstoße gegen das Überraschungsverbot; der Konnex der Zahlungen der I GmbH an den Revisionswerber mit dem Dienstverhältnis sei bloße Spekulation.
33 Ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot (vgl. zu diesem z.B. VwGH 14.9.2017, Ra 2016/15/0015; 31.1.2018, Ra 2016/15/0014) führt aber nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist (vgl. VwGH 3.3.2023, Ra 2020/13/0071). Die Revision kann die Relevanz des (behaupteten) Verfahrensmangels nicht aufzeigen:
34 Dass ‑ gestützt auf die „Mietkonstruktion“ ‑ Zahlungen der I GmbH an ihren Gesellschafter‑Geschäftsführer (den Revisionswerber) erfolgten, ist unbestritten. Bei Einkünften eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist für steuerliche Zwecke zwischen der Stellung als Geschäftsführer und jener als Gesellschafter zu unterscheiden. Insbesondere ist zu unterscheiden zwischen ‑ steuerlich verschieden zu behandelnden ‑ Bezügen des Geschäftsführers aus seiner Tätigkeit für die Gesellschaft (vgl. dazu z.B. VwGH 1.6.2016, 2013/13/0061) und (verdeckten) Ausschüttungen an diese Person als Gesellschafter (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/15/0059). Bezüglich der Wertung eines Geschäftsführerbezuges als verdeckte Ausschüttung kommt es dabei insbesondere auf die Angemessenheit der „Gesamtausstattung“ der Entlohnung an (vgl. VwGH 30.12.2020, Ra 2019/15/0126, mwN).
35 Im Rahmen der Außenprüfung wurde zwar insoweit eine „unangemessene Vorteilszuwendung“ an den „Geschäftsführer“ angenommen, die nach § 8 KStG 1988 iVm § 22 BAO nicht zulässig sei. Es ist aber nicht erkennbar (und wird auch in der Revision nicht behauptet), dass die Gesamtausstattung des Revisionswerbers ‑ unter Einbeziehung der Zahlung eines Betrags von monatlich 1.100 €, der als „Mietzins“ bezeichnet wurde ‑ fremdunüblich wäre. Ein anderer Veranlassungszusammenhang wird auch in der Revision nicht behauptet. Damit ist dem Bundesfinanzgericht nicht entgegenzutreten, wenn es diese Zahlung im Rahmen der nichtselbständigen Einkünfte des Revisionswerbers berücksichtigt hat.
36 Der vom Revisionswerber überdies behauptete Widerspruch, dass diese Zahlung zwar der Einkommensteuer, nicht aber der Umsatzsteuer unterworfen wurde, liegt ebenfalls nicht vor: Die Zahlung des Entgelts im Rahmen eines Dienstverhältnisses unterliegt beim Empfänger der Einkommensteuer; eine Umsatzsteuerpflicht (vgl. dazu VwGH 29.1.2020, Ra 2019/13/0115) besteht insoweit aber nicht.
37 Das angefochtene Erkenntnis war daher betreffend Umsatzsteuer 2007 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
38 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. Mai 2023
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