European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150010.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin betreibt ein Taxiunternehmen. Sie meldete sämtliche Dienstnehmer als freie Dienstnehmer zur Sozialversicherung an und behandelte sie steuerlich als Selbständige.
2 Nach einer bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung qualifizierte der Prüfer die bei der Revisionswerberin beschäftigten Taxilenker für den Zeitraum 2015 bis 2017 steuerlich als Dienstnehmer iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988. Am 15. November 2018 erließ das Finanzamt den Feststellungen des Prüfers Rechnung tragende Haftungsbescheide für die Lohnsteuer der Jahre 2015 bis 2017 sowie Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2017. Zur Begründung verwies das Finanzamt auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung sowie die Niederschrift über die Schlussbesprechung.
3 Die Revisionswerberin erhob fristgerecht Beschwerden gegen die genannten Bescheide, welche sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Taxilenker rechtlich richtig als freie Dienstnehmer eingestuft und als solche richtig angemeldet worden seien. Die ergangenen Bescheide seien rechtswidrig.
4 Mit Stellungnahme vom 8. März 2019 brachte die Revisionswerberin vor, die Taxifahrer seien nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und könnten Fahrten ablehnen. Die Fahraufträge über Funk seien von der Funkzentrale zugeteilt worden. Die Fahrer müssten sich nicht bei der Funkzentrale anmelden, sondern nur die Registrierkasse, die ebenfalls über das Funkdisplay laufe, verwenden. Den Taxifahrern sei von der Revisionswerberin ‑ soweit verfügbar ‑ ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden. Eine Pflicht, zu diesen Zeiten auch Taxifahrten durchzuführen, habe nicht bestanden. Der Standort der Taxis sei nicht von der Revisionswerberin vorgegeben worden. Die Taxis hätten nicht am Betriebsstandort abgestellt werden müssen. Oft hätten sich die Fahrer untereinander ausgemacht, wo die Fahrzeuge übergeben würden. Im Krankheitsfall hätten die Taxifahrer die Anweisung gehabt, sich kurz bei der Revisionswerberin zu melden und den Umstand des Krankheitsfalls bekannt zu geben. Es wäre auch möglich gewesen, einen Vertreter bekannt zu geben, was aber großteils in Ermangelung einer Dienstpflicht nicht geschehen sei. Es habe ein generelles Vertretungsrecht bestanden. Die Taxifahrer hätten auch für andere Taxiunternehmen fahren dürfen. Die Fahrer hätten Fahrtenbücher/Dienstbücher geführt, dies sei aber nach Einführung der Registrierkassa obsolet geworden. Arbeitszeitaufzeichnungen seien von der Revisionswerberin nicht geführt worden.
5 Das Finanzamt legte die Beschwerden ‑ nach abweisenden Beschwerdevorentscheidungen und Vorlageantrag der Revisionswerberin ‑ dem Bundesfinanzgericht vor. Dieses wies die Beschwerden als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs, des Inhalts eines schriftlichen „Freien Dienstvertrags“ eines Lenkers sowie einer auszugsweisen Darstellung der Befragungen der Taxilenker ging das Bundesfinanzgericht von folgendem Sachverhalt aus:
7 Die Taxifahrer hätten sich gegenüber der Revisionswerberin zum Lenken eines Taxifahrzeuges mit allen damit verbundenen Tätigkeiten verpflichtet. Innerhalb der Zeit, in der ihnen das Taxi zur Verfügung gestellt worden sei, hätten sie sich die Zeit nach Auftragslage selbst eingeteilt. Arbeitszeitaufzeichnungen seien nicht geführt worden. Die Übergabe der Fahrzeuge sei an verschiedenen Orten erfolgt, die sich die Fahrer untereinander ausgemacht hätten. Der Fahrzeugschlüssel sei in einer am Fahrzeug angebrachten Schlüsselbox verwahrt worden. Die Taxifahrer hätten bei Arbeitsbeginn den Funk einstellen müssen und ihre Aufträge - mit Ausnahme der Beauftragung durch Stammkunden sowie durch Kunden am Standplatz - in der Folge von der Funkzentrale zugewiesen erhalten. Nach der vertraglichen Grundlage mit der Revisionswerberin hätten Einzelfahrten theoretisch abgelehnt werden können. Seitens der Funkzentrale habe so ein Ablehnungsrecht nicht bestanden. Nur ausnahmsweise hätten die Fahrer gegenüber der Funkzentrale die Beförderung von z.B. betrunkenen oder verschmutzten Personen ablehnen dürfen. Tatsächlich habe eine unbegründete Ablehnung der Aufträge zu einer Strafzahlung oder Sperre durch die Funkzentrale geführt, weshalb dies nicht vorgekommen sei.
8 Die Fahrer seien verpflichtet gewesen, bei Inbetriebnahme des Fahrzeuges bestimmte, vorgegebene Schritte zu setzen, wie das Einschalten des Funks und des Fahrpreisanzeigers, das Erfassen der genauen Daten des Taxameters (Gesamtkilometerstand, Besetztkilometerstand sowie gesamter Erlös, der auf dem Taxameter ausgewiesen gewesen sei) und des Tachometers (Kilometerstand zu Beginn und Ende der Schicht). Diese Aufzeichnungen hätten von den Taxifahrern vor und nach jeder Schicht auf den von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellten Vordrucken geführt und bei der Revisionswerberin abgegeben werden müssen. Mit Einführung der Registrierkassa sei diese Datenerfassung obsolet geworden.
9 Die Aufzeichnungen der Fahrer und Daten der Registrierkassa seien von der Revisionswerberin kontrolliert und eine prozentuelle Entlohnung in Höhe von 40% bis 45% des (vom Fahrer persönlich erzielten) Umsatzes ausbezahlt worden. Sämtliche Ausgaben, wie etwa Treibstoff und Öl, seien von der Revisionswerberin getragen worden.
10 Weiters führte das Bundesfinanzgericht aus, dass in zumindest einem Fall die Revisionswerberin in der Nacht die Taxameter- und Kilometerstände eines Fahrzeugs „kontrolliert haben dürfte“. Ansonsten „dürfte“ die Kontrolle durch einen Vergleich der angegebenen Kilometerstände zwischen Tag‑ und Nacht‑Taxifahrern erfolgt sein.
11 Grundsätzlich seien die Taxifahrer zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen, hätten sich jedoch vertreten lassen können. Urlaube und Krankenstände hätten gemeldet werden müssen.
12 Die Revisionswerberin habe ihren Fahrern die erforderlichen wesentlichen Betriebsmittel (Taxifahrzeug mit kompletter Ausstattung wie Fahrpreisanzeiger, Fahrgasterfassungssystem, Taxifunk, digitales Kassasystem mit Drucker, Bankomatkassa) zur Verfügung gestellt.
13 Das Bundesfinanzgericht kam vor dem Hintergrund dieser Feststellungen zur Beurteilung, dass die Taxifahrer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zur Revisionswerberin gestanden und in deren geschäftlichen Organismus eingegliedert gewesen seien. Sie hätten sich tatsächlich nicht vertreten lassen und kein Unternehmerrisiko getragen, weshalb das Gesamtbild der Tätigkeit als Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs 2 EStG 1988 zu qualifizieren sei.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, dass das angefochtene Erkenntnis „von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche bzw. die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet werde“. Aus den Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG Steiermark) zu Zl. 33.12‑3166/2018 vom 17. Jänner 2019 sowie den Entscheidungen Zl. 30.15‑1438/2014 und Zl. 35.15‑2591/2014 vom 24. Juni 2014, die zu vergleichbaren Sachverhalten ergangen seien, ergebe sich, dass die angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zuwider laufe oder die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu uneinheitlich sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich zwar mehrfach mit der sozialversicherungsrechtlichen, nicht jedoch mit der steuerrechtlichen Qualifikation von Taxilenkern befasst. Es fehle auch an gesicherter Rechtsprechung zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sozialversicherungsrechtlich als freie Dienstnehmer eingestufte Taxilenker steuerrechtlich als „echte“ Dienstnehmer qualifiziert werden könnten.
19 In der Folge befasst sich die Revision mit ausgewählten sozialversicherungsrechtlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Berufsgruppe der Taxifahrer. Sie argumentiert, dass aufgrund der vereinbarten Umsatzbeteiligung ohne Mindestumsatzerwartung, dem Fehlen eines Konkurrenzverbotes, der fehlenden Bindung an bestimmte Arbeitszeiten, dem Vorliegen eines generellen Vertretungsrechts, der (seitens der Revisionswerberin sanktionslosen) Möglichkeit zur Ablehnung von Fahraufträgen und der mangelnden Kontrolle durch die Revisionswerberin kein Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 begründet werde. Dass den Taxilenkern wesentliche Betriebsmittel, nämlich das Fahrzeug samt Zubehör, zur Verfügung gestellt werde, schade nicht. Gerade das Fehlen derartiger wesentlicher eigener Betriebsmittel sei ein Tatbestandsmerkmal für einen arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmer iSd § 4 Abs 4 ASVG.
20 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
21 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. z.B. VwGH 19.8.2020, Ra 2020/13/0052).
22 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen (berufsgruppenunabhängigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018, Pkt. 5.2; sowie 21.3.2018, Ra 2016/13/0051). Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. VwGH 29.6.2016, 2013/15/0281). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 1.9.2015, Ra 2015/15/0014).
23 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit aus einem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur steuerrechtlichen Qualifikation von Taxilenkern ableitet, übergeht sie sowohl die ständige, berufsgruppenunabhängige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 (vgl. nochmals VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018, 21.3.2018, Ra 2016/13/0051) als auch das - in der Revision ohne nähere inhaltliche Befassung zitierte - Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, 88/14/0115 sowie das weitere Erkenntnis vom 24. November 2011, 2008/15/0180 betreffend Taxilenker.
24 Wenn die Revision ferner versucht eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit einem vermeintlichen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zu den Entscheidungen des LVwG Steiermark zu begründen, ist ihr zu entgegnen, dass ein allfälliges Abweichen der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in keiner Weise bedeutet, dass iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG „die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet“ worden wäre (vgl. VwGH 14.5.2020, Ra 2020/22/0004; 9.8.2017, Ra 2016/08/0149). Im Übrigen betreffen die genannten landesverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ausschließlich die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Taxifahrern, wobei es sich beim Begriff des Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um einen eigenständigen Begriff des Steuerrechts handelt und es nicht darauf ankommt, wie dies in anderen Rechtsgebieten beurteilt wird (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2018/13/0092; 19.8.2020, Ra 2020/13/0052; 2.2.2010, 2009/15/0191).
25 Aus diesem Grund besteht auch weder eine in der Zulässigkeitsbegründung unter Heranziehung von sozialversicherungsrechtlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes behauptete Uneinheitlichkeit der hg. Rechtsprechung noch eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von dieser. Im Übrigen beschränkt sich dieses Revisionsvorbringen auf eine nahezu wortgleiche Übernahme der rechtlichen Beurteilung in den genannten Erkenntnissen des LVwG Steiermark zur Einstufung der Dienstverhältnisse im Sinne von § 4 Abs. 2 und Abs. 4 ASVG (LVwG Steiermark, 17.1.2019, Zl. 33.12-3166/2018; 24.6.2014, Zl. 30.15-1438/2014 und Zl. 35.15‑2591‑2014 jeweils Punkt 2.a bis 2.g), lässt aber eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 vermissen.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. März 2021
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