VwGH Ra 2021/14/0120

VwGHRa 2021/14/01204.5.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätinnen Mag. Schindler und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Veap Elmazi, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 2021, W226 2000629‑5/3E, betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §22 Abs1
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140120.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Er stellte am 30. Jänner 2013 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Der Antrag wurde im Beschwerdeverfahren vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 2013 als unbegründet abgewiesen.

2 Nach Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ am 21. Juli 2014 und der Bewilligung einer „Rot‑weiß‑rot‑Karte plus“ am 2. Mai 2015 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. November 2018 eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, erließ ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab. Der Revisionswerber erhob dagegen kein Rechtsmittel.

3 Am 21. April 2020 stellte der Revisionswerber einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er seine kritische politische Meinung in einem Blog äußere und aufgrund dessen Morddrohungen aus Tschetschenien erhalte. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 4. Juni 2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2020 als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.

5 Am 13. Jänner 2021 stellte der Revisionswerber einen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

6 Nachdem dem Revisionswerber im Rahmen seiner Einvernahme vom BFA zur Kenntnis gebracht worden war, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag im Rahmen des Zulassungsverfahrens wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, hob das BFA mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom 26. Februar 2021 den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.

7 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss sprach das BVwG gestützt auf § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) aus, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei. Die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das BVwG für nicht zulässig.

8 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung nicht die ‑ zum Entscheidungszeitpunkt ‑ aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt. Zudem seien hinsichtlich der Corona‑Pandemie keine substantiellen Feststellungen getroffen worden und das Bundesverwaltungsgericht sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen. Außerdem habe das Bundesverwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung anberaumt.

13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt:

14 Soweit die Revision die mangelnde Aktualität der Länderberichte sowie Feststellungsmängel und Begründungsmängel hinsichtlich der Covid‑19‑Situation im Herkunftsstaat des Revisionswerbers als Zulässigkeitsgründe ins Treffen führt, macht sie Verfahrensmängel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieses Verfahrensmangels, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzutun (vgl. VwGH 12.03.2021, Ra 2021/14/0064, mwN; VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0291, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen jedoch nicht entnehmen.

15 Soweit die Revision die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass § 22 Abs. 1 BFA‑VG ‑ unionsrechtskonform ‑ so zu verstehen ist, dass das BVwG zwar ohne Verhandlung entscheiden kann, die Norm aber kein „Verhandlungsverbot“ statuiert, sondern dem BVwG die Möglichkeit offen lässt, erforderlichenfalls eine Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451, mwN).

16 Die Revision legt mit ihrem pauschalen Vorbringen allerdings nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise eine Ergänzung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht geboten sein kann, abgewichen wäre (vgl. VwGH 10.09.2019, Ra 2019/14/0258, mwN).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2021

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