Normen
BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140003.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Marokkos, reiste im Jahr 2014 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. Jänner 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit seiner Homosexualität begründete.
2 Mit Bescheid vom 31. Juli 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Judikatur zur Verhandlungspflicht abgewichen. In der Beschwerde habe der Revisionswerber auf die unrichtige Beweiswürdigung der Behörde hingewiesen und diese bestritten. Das Bundesverwaltungsgericht habe den Kriterien des Verwaltungsgerichtshofes für die Durchführung einer Verhandlung in Asylsachen nicht Rechnung getragen. Das Verwaltungsgericht sei zudem von der Rechtsprechung zur Begründungspflicht abgewichen, zumal es Verfolgungshandlungen einräume, diese jedoch in weiterer Folge abschwäche und negiere. Auch in Bezug auf den subsidiären Schutz stelle sich die Frage, ob von einer ausreichenden Begründung ausgegangen werden könne, wenn nicht auf die persönliche Situation des Revisionswerbers in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage Bedacht genommen werde. In Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung sei im Rahmen der Abwägung nicht berücksichtigt worden, dass sich der Revisionswerber seit sechs Jahren im Bundesgebiet aufhalte, hier Familienangehörige habe und sozial integriert sei.
8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt:
9 Sofern die Revision zu ihrer Zulässigkeit eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, vermag sie nicht konkret und fallbezogen aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA‑VG abgewichen wäre (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2020/14/0269 bis 0271, sowie grundlegend zu diesen Leitlinien VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
10 Soweit die Revision Begründungsmängel moniert, werden damit Verfahrensmängel geltend gemacht, deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung der Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden muss (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/14/0363, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen. Es wird nicht ausgeführt, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu anderen Entscheidungen hätten führen können. Auch wird im pauschal gehaltenen Zulassungsvorbringen keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung aufgezeigt (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab VwGH 19.11.2020, Ra 2020/14/0192 bis 0196, mwN).
11 Soweit sich die Revision gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist. Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA‑VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA‑VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 7.10.2020, Ra 2020/14/0414, mwN).
12 Wenn der Revisionswerber seinen sechsjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet anspricht, übersieht er, dass das persönliche Interesse zwar grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, die bloße Aufenthaltsdauer jedoch nicht allein maßgeblich ist, sondern vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. wiederum VwGH 7.10.2020, Ra 2020/14/0414, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen, auch die vom Revisionswerber angesprochenen Umstände. Die Revision vermag nicht darzulegen, dass die festgestellten Umstände bei der Interessenabwägung in einer den Leitlinien der Rechtsprechung widersprechenden unvertretbaren Weise gewichtet worden wären oder inwiefern ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147, mwN) des Revisionswerbers zu seinen beiden Schwestern und Tanten bestünde.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 5. Februar 2021
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