VwGH Ra 2021/01/0159

VwGHRa 2021/01/015926.5.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des H A R, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2021, Zl. W182 2233208‑1/13E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs2
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
MRK Art8
MRK Art8 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010159.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Afghanistans ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ in der Sache der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431-0433, mwN).

6 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gegen die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 wegen eines „besonders schweren Verbrechens“ (der Revisionswerber wurde 2018 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach dem SMG und 2019 wegen des Vergehens der versuchten Nötigung strafgerichtlich verurteilt; vgl. zum Drogenhandel als typischerweise schweres Verbrechen etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456, mwN).

7 Die Zulässigkeitsbegründung wendet sich vielmehr gegen die Rückkehrentscheidung und die dabei fallbezogen vorgenommene Gesamtabwägung und weist darauf hin, dass sich der Revisionswerber seit mehr als 15 Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhalte.

8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN).

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt auch ein mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend zu einem Überwiegen des persönlichen Interesses, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Insbesondere strafrechtliche Verurteilungen stellen derartige Umstände dar, die die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland und eine erfolgte Integration relativieren können, wobei in dem Zusammenhang auch länger zurückliegende Straftaten berücksichtigt werden können (vgl. VwGH 2.4.2021, Ra 2021/01/0091, mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 8.7.2020, Ra 2019/14/0272, mwN; vgl. auch die Rechtsprechung des EGMR, der Drogenhandel als Plage [„scourge“] bezeichnet und daher hartes Vorgehen nationaler Behörden dagegen billigt, jüngst EGMR 15.10.2020, Akbay u.a./Deutschland, 40495/15, Z 110).

11 Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Straftaten ist der durchgeführten Interessenabwägung nicht entgegen zu treten.

12 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht gerecht.

13 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2021

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