VwGH Ra 2020/19/0108

VwGHRa 2020/19/01083.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des R M in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf‑Dietrich‑Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 2020, Zl. W246 2184164‑1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190108.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 28. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung brachte er vor, seine Familie werde von den Taliban verfolgt, weil sein ältester Bruder vor zwanzig Jahren Kommandant der Partei „Hezb‑e Wahdat“ gewesen sei. Da die Familie nicht habe angeben können, wo sich der Bruder aufhalte, hätten die Taliban gedroht, den Revisionswerber mitzunehmen. Auch nach seiner Flucht hätten die Besuche der Taliban bei seiner Familie kein Ende genommen.

2 Mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit hier maßgeblich ‑ hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aus, das Vorbringen des Revisionswerbers betreffend die Verfolgung durch die Taliban auf Grund der Tätigkeit seines ältesten Bruders für die „Hezb‑e Wahdat“ sei nicht glaubhaft. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei dem Revisionswerber, der nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren könne, nicht zuzuerkennen, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Mazar‑e Sharif und Herat zur Verfügung stehe. In Hinblick auf die Rückkehrentscheidung sei davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib überwiege.

5 Mit Beschluss vom 10. März 2020, E 709/2020‑6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 11. März 2020, E 709/2020‑8, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision wendet sich im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG in Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.10.2020, Ra 2020/19/0298, mwN).

10 Soweit die Revision vorbringt, das „Kernargument“ für die Annahme mangelnder Plausibilität, auf das das BVwG seine auf den Fluchtgrund bezogene Beweiswürdigungserwägungen stütze, vermöge einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standzuhalten, gelingt es ihr schon deshalb nicht eine Unvertretbarkeit aufzuzeigen, weil sie dem BVwG eine von diesem nicht vorgenommene Schlussfolgerung unterstellt. Die Revision rügt, aus dem Umstand, wonach der Revisionswerber nicht darzulegen vermocht habe, aus welchem konkreten Grund die Taliban seinen Bruder erst viele Jahre nach dessen Aktivität für die Gruppe „Hezb‑e Wahdat“ zu verfolgen begonnen hätten, könne keinesfalls geschlossen werden, dass die vom Revisionswerber im Detail berichteten Verfolgungsereignisse nicht tatsächlich stattgefunden hätten.

Das BVwG erachtete es jedoch auf Grund der Angaben des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung für nicht plausibel, dass die Tätigkeit des Bruders für die Partei „Hezb‑e Wahdat“ zwar allen Dorfbewohnern im Dorf bereits von Anfang an bekannt gewesen sei, den Taliban aber erst viele Jahre nach deren Beendigung.

11 Die Revision rügt zudem, das BVwG habe sich ‑ ausgehend von der Annahme einer mangelnden Plausibilität einer Verfolgung durch die Taliban auf Grund der vormaligen Tätigkeit seines ältesten Bruders ‑ mit einer abstrakten Beweiswürdigung der vom Revisionswerber geschilderten fluchtauslösenden Ereignisse begnügt sowie wesentliche objektive Hintergrundfakten nicht berücksichtigt und es verabsäumt, eine ganzheitliche Würdigung des Fluchtvorbringens vorzunehmen.

Dabei lässt die Revision außer Acht, dass die Schilderungen des Revisionswerbers im Zuge der Erstbefragung, Einvernahme und mündlichen Verhandlung nach Ansicht des BVwG Ungereimtheiten aufwiesen, die sich aus den Einzelheiten der zeitlichen und räumlichen Umstände der behaupteten Ereignisse ergeben hätten. Soweit die Revision gleichzeitig die Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen, die das BVwG zu den genannten Ungereimtheiten angestellt habe, geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass diese keinen Eingang in die vom BVwG vorgenommene „Plausibilitätskontrolle“ gefunden haben.

12 Schließlich bringt die Revision vor, das BVwG habe den Boden einer schlüssigen Beweiswürdigung verlassen, weil es die Erforderlichkeit einer näheren Prüfung des Beweiswertes des vom Revisionswerber vorgelegten „Schreibens des Dorfältesten“ mit dem Hinweis verneint habe, dass in Afghanistan Gefälligkeitsbescheinigungen vorkämen. Auch sei das BVwG ohne fallbezogene Ermittlungen nicht dazu berechtigt gewesen, beweiswürdigend zu unterstellen, das vorgelegte Schreiben sei eine Gefälligkeitsbescheinigung, die wahrheitswidrig und wider besseres Wissen ausgestellt worden sei.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Revision, dass das BVwG auf der Grundlage seiner Würdigung des Fluchtvorbringens, den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben über den Inhalt des Schreibens und der von ihm getroffenen Länderfeststellung, wonach selbst bei formell echten Urkunden nicht in jedem Fall von inhaltlicher Richtigkeit ausgegangen werden könne, zu dem Schluss kam, auf eine Beantwortung der Frage nach der Echtheit des Schreibens verzichten zu können. Eine Unvertretbarkeit dieser Erwägung wird von der Revision nicht behauptet.

13 In Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, die Entscheidung des BVwG leide an gravierenden Begründungs- und Feststellungsmängeln, die es unmöglich gemacht hätten, eine einzelfallbezogene Zumutbarkeitsprüfung hinsichtlich der von ihm angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternativen in Herat‑Stadt und Mazar‑e Sharif im Sinn näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzunehmen. Ohne genaue Kenntnis der in beiden Städten bestehenden sozio‑ökonomischen Lebensmöglichkeiten lasse sich nicht beurteilen, ob ein Versuch, sich in diesen Städten dauerhaft anzusiedeln, für den Revisionswerber bloß mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder mit existenzgefährdenden, als unzumutbar einzustufenden sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen verbunden wäre. Die Entscheidung lasse jedoch im Dunkeln, auf Grund welcher konkreten, die sozio‑ökonomische Lage für alleinstehende Rückkehrer ohne soziales Netzwerk in den genannten Städten betreffenden Feststellungen das BVwG zu dem Schluss gelange, der Revisionswerber könne sich dort seine Existenz durch Arbeit sichern. Die allgemeinen landeskundlichen Feststellungen sozio‑ökonomischen Inhalts, die vom BVwG getroffen worden seien, könnten ein solches Ergebnis nicht schlüssig hervorbringen. Sowohl die vom BVwG herangezogenen als auch weitere von der Revision ins Treffen geführte Länderberichte sprächen vielmehr gegen eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers in den beiden Städten. Zudem habe das BVwG nicht geprüft, ob es dem Revisionswerber in einer der beiden Städte möglich sei, sich auf Dauer niederzulassen, ohne gezwungen zu sein, ein Leben in unbilligen Härten führen zu müssen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere nicht erkennbar, welche Vorteile es dem Revisionswerber bringen sollte, dass er eine mehrjährige Berufserfahrung als Hirte und Eigentümer eines Lebensmittelgeschäfts in seinem Heimatdorf habe.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 20.8.2020, Ra 2020/19/0239, mwN).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung weiters dargelegt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können. Demzufolge reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. erneut VwGH Ra 2020/19/0239, mwN).

16 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. etwa VwGH 22.9.2020, Ra 2019/19/0414, mwN).

17 Das BVwG traf im vorliegenden Fall auf der Grundlage einschlägiger Länderberichte Feststellungen zur Sicherheits- und zur Versorgungslage in Herat‑Stadt und Mazar‑e Sharif. Es setzte sich sowohl mit den UNHCR‑Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 als auch mit dem EASO‑Leitfaden zu Afghanistan vom Juni 2018 sowie vom Juni 2019 auseinander und berücksichtigte Anfragebeantwortungen zur Versorgungslage in Herat‑Stadt und Mazar‑e Sharif in Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Folgen anhaltender Dürre im Jahr 2018. Das BVwG ging bei der Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative davon aus, dass sich der Revisionswerber im erwerbsfähigen Alter befinde, gesund sei, zwar keine Schule besucht habe, jedoch von seinem älteren Bruder über einen Zeitraum von etwa sieben Jahren zu Hause unterrichtet worden sei. Der Revisionswerber verfüge über mehrjährige Berufserfahrung als Hirte sowie als Eigentümer eines Lebensmittelgeschäfts, spreche Dari und könne bei einer Rückkehr zu Beginn durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Die Revision zeigt ‑ auch unter Berücksichtigung der von ihr vorgelegten Länderinformationen zu Mazar‑e Sharif und Herat‑Stadt ‑ nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG, dem Revisionswerber stehe vor diesem Hintergrund in den Städten Mazar‑e Sharif und Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/19/0262, mwN; siehe zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans auch ohne familiäre Kontakte VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0406, mwN; zu schiitischen Hazara VwGH 27.4.2020, Ra 2019/19/0429, mwN).

18 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit schließlich vor, das BVwG habe bei der Interessenabwägung im Rahmen der Rückkehrentscheidung gegen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verstoßen, indem es unterlassen habe, alle für den Einzelfall relevanten Umstände miteinzubeziehen. Zum einen hätte der sich aus den Feststellungen des BVwG ergebende Umstand, dass der Revisionswerber beim Versuch, sich in Herat‑Stadt oder Mazar‑e Sharif als Fremder eine Existenz aufzubauen, mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu rechnen habe, berücksichtigt werden müssen. Zum anderen hätte die vom BVwG festgestellte, ehrenamtlich erbrachte Tätigkeit des Revisionswerbers im Rahmen der Pflege, Betreuung und Therapie eines mehrfach behinderten Mädchens als außergewöhnliches Integrationskriterium berücksichtigt und einzelfallbezogen gewichtet werden müssen.

19 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das BVwG zum einen ‑ anders als die Revision nahelegt ‑ zu dem Schluss gelangte, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr nach Herat‑Stadt oder Mazar‑e Sharif in der Lage sein werde, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unangemessene Härten zu führen, sodass eine besondere Berücksichtigung der von der Revision geltend gemachten außergewöhnlichen Schwierigkeiten unter dem Aspekt des Privatlebens nicht geboten war. Zum anderen berücksichtigte das BVwG entgegen der Behauptung in der Revision die wichtige Rolle des Revisionswerbers bei der Betreuung des behinderten Mädchens, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass auch dies nicht das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände begründete, weil im Hinblick auf die zwischen dem Revisionswerber und dem von ihm betreuten Mädchen bestehende Beziehung für den Revisionswerber, und nicht für das betreute Mädchen, eine außergewöhnliche Konstellation vorliegen müsste, was aus Sicht des BVwG nicht erkennbar sei.

20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2020

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