VwGH Ra 2020/15/0014

VwGHRa 2020/15/001427.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. Oktober 2019, Zl. RV/3101027/2017, betreffend Feststellung Gruppenträger 2011 und Körperschaftsteuer Gruppe 2011 (mitbeteiligte Partei: E GmbH in K, vertreten durch die Dr. Oberrauch, Seiwald & Partner Steuerberatungs- und Wirtschaftstreuhand GmbH in 6380 St. Johann, Wegscheidgasse 9), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1
BAO §119
BAO §167 Abs2
BAO §269
BAO §279
EStG 1988 §9
EStG 1988 §9 Abs1 Z4
EStG 1988 §9 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150014.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 3. März 2010 wurde das Bestehen einer Unternehmensgruppe zwischen der mitbeteiligten Partei (einer österreichischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung) als Gruppenträgerin und mehreren Gruppenmitgliedern ab der Veranlagung 2009 festgestellt.

2 Mit Bescheiden vom 14. November 2012 wurde das Einkommen des Gruppenträgers festgestellt und die Körperschaftsteuer 2011 für die Gruppe festgesetzt. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 wurde der Feststellungsbescheid berichtigt, mit weiterem Bescheid vom 19. Dezember 2012 der Festsetzungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert.

3 Im Bericht über das Ergebnis der ‑ u.a. Körperschaftsteuer 2011 betreffenden ‑ Außenprüfung vom 20. April 2017 wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte habe im Jahr 2010 zur Finanzierung des Betriebsgebäudes der polnischen Betriebsstätte bei der Bank X einen Kredit in Höhe von ca. 12 Mio. € mit einer Laufzeit von 13 Jahren aufgenommen. Es sei eine Verzinsung in Höhe des 3‑Monats‑Euribor mit einem Zuschlag von 1,5% vereinbart worden. Nahezu deckungsgleich sei eine Swap‑Vereinbarung ebenfalls mit der Bank X dahin getroffen worden, dass der variable Teil gegen eine Fixverzinsung in Höhe von 2,8% getauscht worden sei. De facto sei dadurch ein fixverzinster Kredit mit einem Zinssatz in Höhe von 4,3% entstanden. Diese Maßnahme sei mit Planungssicherheit für das Unternehmen begründet worden. Infolge des sinkenden Marktzinsniveaus nach Abschluss dieser Verträge seien der Revisionswerberin Verluste aus den Zinsaufwendungen des Swap‑Geschäftes erwachsen, die nach Angaben des Unternehmens dadurch begründet seien, dass bei Nichtabschluss des Swap‑Geschäftes durch die variable Verzinsung auf die Kreditlaufzeit niedrigere Zinszahlungen zu erwarten gewesen wären. Diese Verluste seien von der Bank X ermittelt und der Mitbeteiligten mitgeteilt worden. In Höhe dieser Beträge sei eine Rückstellung für drohende Verluste gebildet und der polnischen Betriebsstätte zugerechnet worden. Konkrete Umstände, die zu einer Drohverlustrückstellung berechtigten, seien von der Mitbeteiligten aber nicht nachgewiesen worden. Eine Drohverlustrückstellung sei demnach nach Ansicht der Außenprüfung nicht zulässig.

4 Mit Bescheiden vom 12. Juni 2017 wurde das Verfahren betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2011 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen und das Einkommen des Gruppenträgers 2011 (neu) festgestellt. Das Finanzamt verwies hiezu auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung. Mit Bescheid vom 14. Juni 2017 wurde die Körperschaftsteuer 2011 für die Gruppe gemäß § 295 Abs. 1 BAO festgesetzt.

5 Die Mitbeteiligte erhob gegen den neuen Feststellungsbescheid Gruppenträger 2011 und den Bescheid betreffend Körperschaftsteuer 2011 Beschwerde.

6 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 18. September 2017 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

7 Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte die angefochtenen Bescheide ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

9 Nach Darlegung des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, nach Abschluss der eingangs genannten Verträge (Kreditvertrag, Zinsswap‑Vertrag) sei es zu einem Absinken des marktüblichen Zinsniveaus gekommen. Dadurch seien der Mitbeteiligten Verluste aus dem Swap‑Geschäft erwachsen. Unabhängig von der Marktzinsentwicklung habe sich die Mitbeteiligte zur Zahlung des Festzinssatzes von 2,8% an die Bank X verpflichtet, demgegenüber habe sie von der Bank X eine variable Zinszahlung erhalten, die nach dem ‑ unter dem Festzinssatz liegenden ‑ 3‑Monats‑Euribor bemessen worden sei. Ohne Swap‑Geschäft wären durch den variablen Teil der Verzinsung des Kreditvertrages auf die Kreditlaufzeit niedrigere Zinszahlungen zu erwarten gewesen.

10 Die Verluste seien von der Bank X zu den Bilanzstichtagen ermittelt und der Mitbeteiligten mitgeteilt worden. In dieser Höhe habe die Mitbeteiligte zu den Bilanzstichtagen (jeweils 31.12.) der Jahre 2011 bis 2015 eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet und der polnischen Betriebsstätte zugeordnet. In den Bilanzen der Niederlassung in Polen seien entsprechende „Rückstellungen auf Verbindlichkeiten“ erfasst worden. Entsprechend sei in den Gewinn- und Verlustrechnungen der polnischen Niederlassung auch eine Dotierung Drohverlustrückstellung bzw. die gewinnerhöhende Auflösung der Drohverlustrückstellung zu den Bilanzstichtagen erfolgt.

11 Bei der Ermittlung des Einkommens des Streitjahres habe die Mitbeteiligte den auf die Betriebsstätte in Polen entfallenden Auslandsverlust entsprechend angesetzt (§ 2 Abs. 8 EStG 1988). Zu diesem Zweck sei der Auslandsverlust nach österreichischem Steuerrecht umgerechnet und mit den inländischen Einkünften der Mitbeteiligten ausgeglichen worden.

12 Übersteige am Bilanzstichtag der Wert der eigenen Leistungsverpflichtung den Wert der Gegenleistung, drohe also aus dem Geschäft ein Verlust, so sei dieser Verlust nach dem Vorsichtsprinzip sofort auszuweisen (Verpflichtungsüberhang). Grundgeschäft und Sicherungsgeschäft bildeten eine geschlossene Position. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften seien daher insoweit nicht zu bilden, als drohende Verluste aus dem Grundgeschäft durch Hilfs- oder Sicherungsgeschäfte abgefangen würden.

13 Der Kreditvertrag und das Zinssicherungsgeschäft seien im vorliegenden Fall als Bewertungseinheit zu behandeln. Das Kreditgeschäft und das Zinssicherungsgeschäft seien wirtschaftlich so zu verstehen, als hätte die Mitbeteiligte Fremdmittel zu den sich aus dem Interest Rate Swap ergebenden Konditionen aufgenommen. Es sei de facto der variable Teil der Verzinsung des Kreditvertrages gegen eine Fixverzinsung getauscht worden. Ein Rückstellungsbedarf bestehe insoweit, als der Mitbeteiligten infolge des sinkenden Marktzinsniveaus nach Abschluss der genannten Verträge Verluste aus den Zinsaufwendungen des Swap‑Geschäftes erwüchsen; die Fixverzinsung von 2,8% führe zu höheren Zinszahlungen als dies bei Beibehaltung der variablen Verzinsung der Fall gewesen wäre.

14 Bereits bei Bilanzerstellung für das Streitjahr 2011 sei aufgrund der Zinssatzkurve des 3‑Monats‑Euribor ersichtlich gewesen, dass dieses Geschäft aufgrund des erhöhten Zinsaufwandes ‑ gegenüber dem marktüblichen Zinsniveau ‑ zu einem entsprechenden Verlust führen werde. Die Mitbeteiligte hätte sich nun billiger refinanzieren können, der de facto fixverzinste Kredit sei aus der Sicht der Verhältnisse zum Bilanzstichtag zu teuer. Das Finanzamt habe das Vorbringen der Mitbeteiligten, das marktübliche Zinsniveau habe sich bis zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2011 für das Unternehmen nachteilig verändert, nicht in Frage gestellt. Damit sei zum Bilanzstichtag von einem Verpflichtungsüberhang aus dem Swapgeschäft auszugehen. Die von der Bank X ermittelten und dem Unternehmen zu den Bilanzstichtagen mitgeteilten Verluste aus dem Zinssicherungsgeschäft seien der Höhe nach unbestritten.

15 Der Sachverhalt sei in seiner Gesamtheit steuerrechtlich nicht anders zu beurteilen, als hätte die Mitbeteiligte mit der Bank X von vornherein einen Kreditvertrag mit einer Fixzinsvereinbarung abgeschlossen. Komme es durch das Absinken des Marktzinsniveaus nach Zugang einer fix verzinslichen Verbindlichkeit zu einer Überverzinslichkeit, werde der Erwerber des ganzen Betriebes diese Verbindlichkeit aufgrund der höheren Zinsverpflichtungen mit einem höheren Wert ‑ nämlich zuzüglich der nicht vermeidbaren erwarteten Mehrkosten, die bis zur (vorzeitigen) Tilgung dieser Verbindlichkeit entstehen ‑ berücksichtigen. Der beizulegende Wert einer solchen Verbindlichkeit sei damit höher als der Erfüllungsbetrag.

16 Beruhe die Überverzinslichkeit einer Darlehensverbindlichkeit darauf, dass das Marktniveau gesunken sei, so sei handelsrechtlich in Höhe des Barwertes der Mehrzinsen eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. In der Steuerbilanz komme anstelle der Rückstellungsbildung der Ansatz des höheren Teilwertes in Betracht. Der Teilwert entspreche der Summe aus dem Rückzahlungsbetrag und der in der Handelsbilanz wegen der Überverzinslichkeit zu bildenden Rückstellung. Sei der Teilwert einer Verbindlichkeit gestiegen, so müsse der rechnungslegungspflichtige Gewerbetreibende den höheren Wert ansetzen. Der höhere Teilwert einer Verbindlichkeit sei im Jahr der Entstehung auszuweisen.

17 Der Beschwerde sei daher Folge zu geben. Die im Jahr 2011 gebildete Drohverlustrückstellung sei für das Swap‑Geschäft zulässig. Das Einkommen des Gruppenträgers sei daher um diesen Betrag zu reduzieren.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Finanzamts.

19 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

21 Zur Zulässigkeit macht die Revision u.a. geltend, das Bundesfinanzgericht habe gegen seine amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen. Hätte das Bundesfinanzgericht etwa Ermittlungen zum Marktzinsniveau vorgenommen, so hätte es festgestellt, das der 3‑Monats‑Euribor am Abschlussdatum der Swap‑Vereinbarung 0,861% betragen habe und etwas mehr als ein Jahr später (am 30. Dezember 2011, zum Stichtag, zu dem die Drohverlustrückstellung gebildet worden sei) auf 1,356% gestiegen gewesen sei. Zum Zeitpunkt der erstmaligen Rückstellungsbildung sei demnach ein dauerhaftes Absinken des Marktzinsniveaus noch gar nicht absehbar gewesen.

22 Bereits mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt, sie ist auch begründet.

23 Es ist Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, alle erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Abgabenpflicht zu beurteilen. Wenn die Ermittlungsergebnisse des Finanzamts nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes für eine abschließende Beurteilung noch nicht ausreichen, liegt es daher am Bundesfinanzgericht, im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht (unter Beachtung der Mitwirkungspflichten des Abgabepflichtigen) als notwendig erachtete Ermittlungsschritte (etwa auch unter ergänzender Befragung der Betriebsprüfer oder auch Erteilung ‑ bestimmter ‑ Ermittlungsaufträge an die Abgabenbehörde gemäß § 269 BAO) zu setzen und nach Maßgabe der Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO in Auseinandersetzung mit den bisherigen Verfahrensergebnissen und den Parteienvorbringen den entscheidungswesentlichen Sachverhalt festzustellen (vgl. VwGH 19.10.2016, Ra 2016/15/0058; 31.1.2018, Ro 2016/15/0020, mwN). Insbesondere besteht diese Pflicht zur Sachverhaltsermittlung gerade in dem Fall, in dem das Bundesfinanzgericht eine andere rechtliche Beurteilung als das Finanzamt vertritt, da in einem derartigen Fall bisher an sich irrelevante Sachverhaltselemente (wie hier die Frage, ob und in welcher Weise sich das Marktzinsniveau verändert hat) relevant werden können.

24 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 können Rückstellungen u. a. für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nach § 9 Abs. 3 EStG 1988 nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist. Gemäß § 9 Abs. 5 EStG 1988 (in der hier anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 13/2014) sind Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag zumindest zwölf Monate beträgt, mit 80% des Teilwertes anzusetzen.

25 Bei der ‑ hier vorliegenden ‑ Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2014/15/0012; 29.3.2017, Ra 2016/15/0005, mwN).

26 Gemäß § 198 Abs. 8 Z 1 UGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind. Nach § 211 Abs. 1 zweiter Satz UGB (idF vor BGBl. I Nr. 22/2015) sind Rückstellungen in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung notwendig ist.

27 Übersteigt am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung, droht also aus dem Geschäft ein Verlust, so kann dieser im Weg einer Rückstellung jener Periode zugewiesen werden, in welcher sich die Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung einstellt. Für die Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Bilanz anzusetzen ist, sind jene Verhältnisse maßgeblich, die am Bilanzstichtag bestanden haben (vgl. VwGH 16.5.2007, 2006/14/0019, VwSlg. 8230/F).

28 Drohverlustrückstellungen sind anzusetzen, wenn aus konkreten Geschäftsfällen ein Verpflichtungsüberhang droht. Der Abgabepflichtige hat dazu gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 konkrete Umstände nachzuweisen, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/15/0005).

29 Die mit einer Rückstellung zu berücksichtigenden Umstände müssen am Bilanzstichtag bereits vorliegen, es ist dabei im Sinne der „subjektiven Richtigkeit der Bilanz“ stets auf den Kenntnisstand abzustellen, den der Unternehmer bei Bilanzerstellung hatte oder hätte haben müssen (vgl. neuerlich VwGH 29.3.2017, Ra 2016/15/0005, mwN).

30 Im Allgemeinen ist jedes einzelne schwebende Geschäft für sich darauf zu prüfen, ob daraus ein Verlust droht (vgl. Doralt, EStG12, § 9 Tz 37). Eine Qualifizierung mehrerer Rechtsgeschäfte als einheitliches Rechtsgeschäft ist aber jedenfalls dann geboten, wenn ein unmittelbarer zeitlicher (und betraglicher) Zusammenhang zwischen den einzelnen Rechtsgeschäften besteht, sie in unmittelbarem Zusammenhang zueinander bereits im Vorhinein vereinbart wurden und somit hinsichtlich ihrer späteren Abwicklung keine weiteren Dispositionen möglich waren (vgl. VwGH 19.10.2016, Ro 2014/15/0014).

31 Einheitlich zu beurteilen sind insbesondere jene Geschäfte, die unmittelbar aufeinander bezogen abgeschlossen wurden (vgl. näher zum „Saldierungsbereich“ Mühlehner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, 58. Lfg, § 9 Tz 125 ff; vgl. auch ‑ zu „Bewertungseinheiten“ ‑ Doralt/Mayr, EStG14, § 6 Tz 217; sowie Mayr, Rückstellungen in der Handels‑ und Steuerbilanz, 228 ff).

32 Dem Bundesfinanzgericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es im vorliegenden Fall ‑ entsprechend auch dem Vorbringen der Mitbeteiligten ‑ davon ausgegangen ist, dass eine Bewertungseinheit der beiden Verträge vorliegt. Die Zinsswap‑Vereinbarung entspricht von der Bemessungsgrundlage und den jeweiligen Fälligkeiten den Zinsfälligkeiten des Kreditvertrags. Die Zinsswap‑Vereinbarung dient der Mitbeteiligten zur Absicherung gegen das Risiko einer Zinssatzänderung. Wie sie selbst vorbringt, diente diese Maßnahme der Planungssicherheit für das Unternehmen. Auf Grund dieses Zusammenhangs zwischen dem Grundgeschäft (Kreditvertrag) und dem Sicherungsgeschäft (Zinsswap‑Vereinbarung) ist für die Frage der Bildung einer Drohverlustrückstellung aus schwebenden Geschäften bei wirtschaftlicher Betrachtung von einem einheitlichen Geschäft auszugehen, das darin besteht, dass ein Kredit über ca. 12 Mio. € über einen Zeitraum von 14 Jahren (2010 bis 2024) zu einem Fixzinssatz von 4,3% p.a. (1,5% zuzüglich 2,8%) eingeräumt wird.

33 Das Finanzamt bestreitet in der Revision nicht, dass „überverzinsliche Verbindlichkeiten“ zu ertragsteuerlichen Konsequenzen führen. Es führt aber insbesondere aus, es sei fraglich, ob in einem derartigen Fall eine Rückstellung zu bilden sei oder aber ob der Teilwert der Verbindlichkeit zu erhöhen wäre. Dies würde zu unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen (keine Wertaufholungspflicht bei Verbindlichkeiten; andere Regelung ‑ im Hinblick auf eine Betriebsstätte in Polen ‑ betreffend Nachversteuerung). Diese Konsequenzen würden sich allerdings hier erst in den Folgejahren ergeben. Für die Ermittlung des steuerlichen Einkommens im Jahr 2011 ist dies hingegen unbeachtlich, sodass diese Frage hier offen bleiben kann.

34 Die Revision bestreitet aber insbesondere, dass tatsächlich eine überverzinsliche Verbindlichkeit vorliegt.

35 Hiezu ist zunächst zu beachten, dass ‑ wie das Finanzamt in der Revision behauptet und wogegen sich die Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung inhaltlich nicht wendet; der Zinssatz 3‑Monats‑Euribor ist im Übrigen allgemein notorisch ‑ der in der Vereinbarung genannte variable Zinssatz zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung etwa 0,9% betragen hat und bis zum Bilanzstichtag 31.12.2011 angestiegen ist (auf ca. 1,4%).

36 Aus der Zinsswap‑Vereinbarung resultierte sohin ‑ wenn auch bloß zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung statisch und isoliert betrachtet ‑ ein deutlicher Überhang zugunsten der Bank (im Ausmaß von fast 2% der Bemessungsgrundlage). Damit war das Zinsswap‑Geschäft (bei isolierter Betrachtung) von vornherein ein Geschäft, aus dem sich ein Verlust für die Mitbeteiligte ergeben würde.

37 Dabei ist aber zunächst schon fraglich, ob sich die (isoliert betrachtete) Unausgewogenheit im Streitjahr 2011 eingestellt hat; die Vereinbarungen, aus denen sich der Verpflichtungsüberhang ergab, wurden bereits im Jahr 2010 geschlossen. Im Jahr 2011 hätte sich insoweit ‑ im Hinblick auf die Veränderung des zu Grunde liegenden variablen Zinssatzes ‑ wohl sogar eine Reduktion des Verpflichtungsüberhangs ergeben.

38 Dieser vereinbarte Leistungsüberhang (zugunsten der Bank) ist aber damit zu erklären, dass die Mitbeteiligte dadurch ‑ wie sie selbst ausführt ‑ Planungssicherheit erlangte; sie erreichte damit eine Absicherung eines Zinssatzes gegen allenfalls eintretende Marktzinserhöhungen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte diesen Verlust aus dem Sicherungsgeschäft in Kauf genommen hat, weil sie sich davon andere wirtschaftliche Vorteile versprochen hat, was für einen weiten Saldierungsbereich spricht (vgl. Mayr, Rückstellungen in der Handels‑ und Steuerbilanz, 235 ff [Bewusste Verluste]; Jakom/Laudacher, EStG, 2019, § 9 Tz 55).

39 Vor diesem Hintergrund ist aber darauf zu verweisen, dass fix verzinste Kredite marktüblich andere, nämlich im Allgemeinen höhere Zinssätze aufweisen als variabel verzinste Kredite, und zwar umso höhere, je länger der Zeitraum der Fixverzinsung dauern soll (vgl. etwa die von der Österreichischen Nationalbank veröffentlichten Kreditzinssätze an nicht‑finanzielle Unternehmen, woraus sich im Übrigen ebenfalls ergibt, dass die Zinssätze im Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2010 angestiegen sind).

40 Dass aber ‑ bei einheitlicher Betrachtung der beiden Verträge ‑ der vereinbarte Zinssatz bei langfristiger Fixverzinsung marktunüblich geworden wäre, wurde von der Mitbeteiligten bisher nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den ‑ überdies ohne Erhebungen getroffenen und daher mit Verfahrensmängeln behafteten ‑ Feststellungen des Bundesfinanzgerichts. Die von der Mitbeteiligten hiezu vorgelegten Urkunden (die Mitteilungen der Bank) sind zu einem Nachweis hiefür nicht geeignet. Soweit nachvollziehbar wurde hiemit der Verpflichtungsüberhang aus dem (isoliert betrachteten) Zinsswap‑Vertrag mitgeteilt. Dieser Überhang enthält aber auch gerade die von der Mitbeteiligten bewusst eingegangen Mehraufwendungen für das Erreichen einer langfristigen Fixzinsvereinbarung. Eine Drohverlustrückstellung kann aber nicht darauf gestützt werden, dass eine ‑ bewusst gewählte ‑ langfristig vereinbarte Fixverzinsung zu höheren Zinszahlungen führt als es bei einer variablen Verzinsung der Fall gewesen wäre.

41 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 27. April 2020

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