European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140553.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Ägyptens, stellte am 17. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund regierungskritischer Gedichte von den ägyptischen Behörden verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheid vom 24. März 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, das BVwG habe die Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen, weil es nicht dargelegt habe, weshalb es die Angaben des Revisionswerbers als widersprüchlich und unplausibel beurteilt. Seine neuerliche Einreise in den Herkunftsstaat im August 2014 sei nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers in Zweifel zu ziehen. Zudem habe das BVwG die für die oppositionelle Muslimbruderschaft schwierige Situation und die politisch motivierten Verfahren außer Acht gelassen und das Vorbringen übersehen, dass ihn aufgrund der Mitgliedschaft bei der Muslimbruderschaft ein Todesurteil erwarte. Dem Revisionswerber fehle im Fall der Rückkehr die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Eine neuerliche Anstellung des Revisionswerbers als Stuckateur sei nicht selbstverständlich. Aufgrund der Covid‑19‑Pandemie werde der Revisionswerber nicht die notwendige Lebensgrundlage vorfinden. Weiters habe es das BVwG unterlassen, nähere Feststellungen zur Art der Erkrankungen des Revisionswerbers zu treffen. Es bestünden Anhaltspunkte für schwerwiegende Erkrankungen und zu deren (unzureichenden) Behandlungsmöglichkeiten in der Heimatregion. Schließlich wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Rückkehrentscheidung. Im Rahmen der Abwägung nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz sei das BVwG von der Judikatur abgewichen, weil der Revisionswerber über fünf Jahre im Bundesgebiet aufhältig sei und „Integrationsmerkmale“ aufweise.
8 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0520, mwN).
9 Das BVwG setzte sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht auseinander und gelangte nach Durchführung einer Verhandlung im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu wertenden Beweiswürdigung mit näherer, nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis, dass dieses Vorbringen aufgrund widersprüchlicher und unplausibler Angaben, insbesondere zu den zentral behaupteten Vorfällen nach seiner Wiedereinreise nach Ägypten im Jahr 2014, nachdem er zuvor in Katar gelebt habe, nicht glaubwürdig sei und im Fall der Rückkehr des Revisionswerbers keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgung oder Gefährdung zu erwarten sei. Entgegen dem Revisionsvorbringen befasste sich das BVwG auch mit dem Vorbringen des Revisionswerbers im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft, stufte dieses aber ebenfalls als unglaubwürdig ein. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass die vom BVwG vorgenommene, auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht nehmende Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.
10 Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0554, mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, es nicht darauf ankommt, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2‑Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390, mwN).
12 Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2020/20/0387, mwN).
13 Die Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung, die sich unter anderem in einem Verweis auf wirtschaftliche Auswirkungen der Covid‑19‑Pandemie erschöpft, ohne aufzuzeigen, von welchen konkreten Auswirkungen der Revisionswerber betroffen wäre, bieten keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Revisionswerber bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit einer Lage konfrontiert wäre, in der eine reale Gefahr („real risk“) für die Befriedigung seiner existentiellen Grundbedürfnisse sowie eine drohende Verletzung seiner durch Art. 2 und Art. 3 EMRK garantierten Rechte zu gewärtigen wäre (vgl. dazu VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht legte fallbezogen im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes zu Grunde, dass die grundlegende Versorgung des Revisionswerbers bei einer Rückkehr nach Ägypten gewährleistet sei, weil er an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide, arbeitsfähig und arbeitswillig sei, über Schulbildung und Berufserfahrung sowie einen ausgeprägten familiären Rückhalt verfüge. Dies wird in der Revision nicht substantiiert bestritten.
14 Das BVwG stellte zum Gesundheitszustand fest, dass dem Revisionswerber ein Stent eingesetzt worden sei, er an Bluthochdruck und Gonarthrose leide sowie eine Knieoperation erhalten habe. Soweit die Revision in der Zulässigkeitsbegründung das Unterlassen näherer Feststellungen zu den Erkrankungen des Revisionswerbers und den Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand sowie zum Zugang zur medizinischen Versorgung rügt, macht sie Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier das Fehlen von Feststellungen ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung der Verfahrensfehler als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 13.1.2021, Ra 2020/14/0072 bis 0075, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist dem Vorbringen in der Revision nicht zu entnehmen.
15 Soweit die Revision die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz anspricht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 7.10.2020, Ra 2020/14/0414, mwN).
16 Das BVwG berücksichtigte im Rahmen seiner Interessenabwägung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände. Es wies darauf hin, dass der Revisionswerber für seinen knapp über fünfjährigen Aufenthaltszeitraum keine außergewöhnlichen integrationsverfestigenden Maßnahmen gesetzt habe. Die privaten Interessen erachtete es zudem als durch den unsicheren Aufenthaltsstatus relativiert, weshalb die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens überwögen. Dass die Interessenabwägung unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 5. März 2021
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