VwGH Ra 2020/14/0454

VwGHRa 2020/14/045415.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der X Y, vertreten durch Mag. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2020, W274 2198999‑1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140454.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 22. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie aufgrund ihrer Konversion zum Christentum von ihrem Vater geschlagen und verstoßen worden sei. Aus Angst, dass er sie umbringen werde, sei sie geflohen.

2 Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht Folge und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Die Revisionswerberin erhob dagegen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichthof, der mit Beschluss vom 24. Februar 2021, E 3337/2020‑13, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichthof zur Entscheidung abtrat.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit eine fehlende bzw. unzureichende Begründung des angefochtenen Erkenntnisses geltend und wendet sich damit in der Sache gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes, das Misshandlungen und Bedrohungen durch den Vater der Revisionswerberin im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Apostasie oder Konversion, Hauskirchenbesuche im Iran und schließlich die Ernsthaftigkeit einer inneren Konversion in Österreich ‑ auch vor dem Hintergrund der äußerlichen Mitwirkung bei christlichen Gemeinschaften in Österreich ‑ als nicht glaubhaft erachtet hat.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens‑ bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2021/14/0038, mwN).

10 An diesen Leitlinien hat sich das Bundesverwaltungsgericht orientiert. Es hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Revisionswerberin und ein von ihr als Zeuge genannter Diakon vernommen wurden, im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung mit sämtlichen Beweismitteln auseinandergesetzt und dabei unter anderem auf Widersprüche und teils nicht nachvollziehbare oder unglaubwürdige Angaben hingewiesen.

11 Die Revision zeigt in ihrer Zulässigkeitsbegründung mögliche Erklärungen und andere Deutungen für diese Angaben der Revisionswerberin auf, stellt damit aber nicht dar, dass die Beweiswürdigung unschlüssig oder unvertretbar wäre. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit den Angaben des als Zeugen vernommenen Diakons auseinandergesetzt und im Erkenntnis die ehrenamtliche Tätigkeit der Revisionswerberin, ihre Gottesdienstbesuche und ihr religiöses Wissen berücksichtigt.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/14/0044, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juni 2021

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