VwGH Ra 2019/19/0494

VwGHRa 2019/19/049428.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A A, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2019, W274 2186143-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190494.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 25. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, er habe sich bereits im Iran für das Christentum interessiert. Als das bekannt geworden sei, habe er flüchten müssen. In Österreich sei er vom Islam zum Christentum konvertiert und in einer Baptistengemeinde getauft worden, sodass ihm nunmehr im Iran wegen Glaubensabfalls Verfolgung drohe.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Jänner 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Das BVwG erachtete es nicht als glaubhaft, dass der Revisionswerber bereits im Iran Interesse am Christentum gezeigt habe und deshalb bedroht worden sei bzw. er aufgrund eines inneren Entschlusses tatsächlich zum Christentum konvertiert sei. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG habe das Vorbringen des Revisionswerbers zu Unrecht nicht als glaubhaft erachtet. Zum Beweis habe der Revisionswerber zwei Schreiben der Baptistengemeinde, der er angehöre, vorgelegt. Das BVwG habe in seinem Erkenntnis "erstmals" die Ansicht vertreten, dass durch diese Schreiben das Vorbringen des Revisionswerbers nicht belegt werde. Damit habe das BVwG gegen das in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannte "Überraschungsverbot" verstoßen. Ausgehend von seiner Ansicht sei das BVwG auch verpflichtet gewesen, weitere Erhebungen durchzuführen. Der Pastor, der die Bestätigungen der Baptistengemeinde verfasst habe, hätte als Zeuge vernommen werden müssen. Dieser Pastor sei nämlich zwar bei der mündlichen Verhandlung verhindert gewesen, eine Einvernahme zu einem späteren Zeitpunkt wäre nach dem Inhalt der Schreiben jedoch möglich gewesen.

9 Das BVwG hat sich im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den religiösen Aktivitäten bzw. der aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers beschäftigt. Es ist aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung unter Beachtung diverser Ungereimtheiten bzw. Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers zur Auffassung gelangt, dass eine Scheinkonversion vorliege. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung legt die Revision nicht dar (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 29.8.2019, Ra 2019/19/0304).

10 Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "Überraschungsverbot" entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2018/21/0169, mwN). Mit ihrem Vorbringen, das auf eine Verpflichtung des BVwG abzielt, vor der Entscheidung bekannt zu geben, dass es die Konversion des Revisionswerbers aus einem inneren Entschluss nicht als bescheinigt erachte, vermag die Revision einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot nicht darzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass der ermittelte Sachverhalt, wenn die eigenen Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden, sowie die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel - wie im vorliegenden Fall die Bestätigungsschreiben der Baptistengemeinde - und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung dieser Partei nicht vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl. VwGH 9.2.2018, Ra 2017/20/0426; 23.2.2017, Ra 2016/20/0089; jeweils mwN).

11 Eine Einvernahme des Pastors wurde nicht beantragt. Soweit die Revision das Unterbleiben einer Einvernahme von Amts wegen rügt, ist darauf zu verweisen, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017; 19.3.2019, Ra 2018/01/0223; jeweils mwN). Gründe dafür, dass die unterbliebene Einvernahme des Pastors nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, sind nicht ersichtlich.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2019

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