Normen
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140379.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Nigeria. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des Zweitrevisionswerbers.
2 Die Erstrevisionswerberin stellte bereits am 14. Jänner 2014 in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig negativ entschieden wurde.
3 In der Folge reiste die Erstrevisionswerberin nach Österreich, wo sie am 19. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 stellte. Als Gründe ihrer Flucht brachte sie wirtschaftliche und familiäre Probleme vor. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 15. September 2017 den Antrag der Erstrevisionswerberin ab, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Das Bundesverwaltungsgericht wies die von der Erstrevisionswerberin dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 25. Oktober 2017 als unbegründet ab. Die dagegen eingebrachte Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. April 2018, Ra 2017/20/0478‑11, zurückgewiesen.
4 Am 22. Mai 2018 stellte die Erstrevisionswerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den sie damit begründete, dass sie von Nigeria nach Griechenland geschickt worden sei, um dort als Prostituierte zu arbeiten. Sie sei ein Opfer von Menschenhandel geworden. Es drohe ihr Verfolgung durch die Menschenhändler bzw. Schlepper. Sie habe dies in ihrem ersten Asylverfahren in Österreich aus Furcht nicht vorgebracht, weil sie mit einem Juju‑Ritual belegt worden sei.
5 Am 28. September 2018 stellte die Erstrevisionswerberin für ihren am 6. September 2018 in Österreich geborenen Sohn, den Zweitrevisionswerber, einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei für diesen keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht wurden.
6 Mit den Bescheiden je vom 16. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Rückkehr legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
7 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser behob mit Erkenntnis vom 10. März 2020, E 2904‑2905/2019‑17, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, soweit damit die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebungen nach Nigeria unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die vorliegende Revision, die sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten wendet, führt zu ihrer Zulässigkeit aus, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit der drohenden Verfolgung der Erstrevisionswerberin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „Opfer von systematisch organisiertem Frauenhandel“, zur Gruppe von „Frauen, die in Europa als Prostituierte (zwangsweise) gearbeitet haben und nach Nigeria zurückkehren“ und „zur Volksgruppe der Edo, welche Prostitution von vorne herein ablehnt“ auseinandergesetzt. Weiters wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung, wonach dem Vorbringen der Erstrevisionswerberin, sie sei ein Opfer von Menschenhandel geworden, die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe die von ihm umfangreich getroffenen Feststellungen zum Menschenhandel in Nigeria nicht in seine beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogen.
13 Soweit die Revision ausgehend von der Richtigkeit des Vorbringens zu den Gründen der Flucht geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit der drohenden Gruppenverfolgung der Erstrevisionswerberin im Zusammenhang mit dem Umstand, dass sie als Angehörige der Volksgruppe der Edo Opfer von systematisch organisiertem Frauenhandel geworden sei und in Europa als Prostituierte (zwangsweise) gearbeitet habe, auseinandergesetzt, entfernt sie sich von den ‑ wenngleich zum Teil disloziert getroffenen ‑ Feststellungen des Verwaltungsgerichts, das das Fluchtvorbringen als unglaubwürdig beurteilt hat. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. etwa VwGH 13.08.2018, Ra 2018/14/0032, mwN). Schon deshalb wird mit diesem Vorbringen die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt.
14 Insofern sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0343, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen der Erstrevisionswerberin ausführlich auseinandergesetzt. Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht bei seinen Erwägungen auch aktuelle Länderberichte zum Menschenhandel in Nigeria und billigte zu, dass die Schilderung der Erstrevisionswerberin „in vielen Punkten den typischen Leidensweg eines Opfers von Frauenhandel entspreche“. Es stufte jedoch aufgrund näher dargelegter Widersprüche und Unschlüssigkeiten in den Angaben der Erstrevisionswerberin ihr Fluchtvorbringen als unglaubwürdig ein. Dass sich die beweiswürdigenden Erwägungen als unvertretbar darstellen würden, zeigt die Revision nicht auf.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 8. Juli 2020
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