VwGH Ra 2019/09/0165

VwGHRa 2019/09/016518.11.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision des ADir. A B, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Reichsstraße 7 (Seegarten), gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2019, W170 2224619‑1/2E, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz [nunmehr: Bundesdisziplinarbehörde]), den Beschluss gefasst:

Normen

BDG 1979 §43a
BDG 1979 §91
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090165.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Amtsdirektor in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist seit 1. Februar 2001 beim Bezirksgericht X als Rechtspfleger für Exekutions- und Insolvenzsachen tätig.

2 Nach Erstattung einer Disziplinaranzeige gegen den Revisionswerber durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Y mit Schreiben vom 31. Juli 2019 wurde mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 16. September 2019 gegen den Revisionswerber das Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er in Verdacht stehe

1. bis Februar 2019 die in der Exekutionsabteilung des Bezirksgerichts X tätige N.N. nach einer vermeintlichen Fehlleistung derselben über wesentliche Vorgänge in der Exekutionsabteilung nicht mehr informiert, diese nicht mehr gegrüßt, vielmehr diese zur Gänze ignoriert zu haben;

2. am 15. April 2019 ein Email an die Regionalverantwortlichen der Leistungseinheit Gerichtsvollzug (LEG) verfasst zu haben, in dem er vermeintliche Fehlleistungen des Gerichtsvollziehers Z.Z. aufgezeigt und schließlich ersucht habe, Z.Z. so schnell wie möglich vom Bezirksgericht X abzuziehen, „wobei es mit diesem dasselbe wie damals bei den Vollziehern [M.M.] und vor allem [A.A.] sei“, dies ohne mit diesem ein Gespräch geführt zu haben;

3. am 7. Juni 2019 in einer Dienstbesprechung mit der Vorsteherin des Bezirksgerichts X Dr. B.B. und dem Vorsteher der Geschäftsstelle dieser Dienststelle Amtsdirektor Regierungsrat G.G. aufgebracht auf Vorschläge der Vorsteherin zur Reduktion seiner überdurchschnittlichen Arbeitsbelastung reagiert zu haben, sich auf den unverrückbaren Standpunkt gestellt zu haben, dass ohnehin alles über seinen Kopf hinweg entschieden worden sei, jede Kooperation verweigert bzw. sich nicht an Kooperation interessiert gezeigt zu haben, das Oberlandesgericht Y einer verfehlten Personalpolitik geziehen und gesagt zu haben, dass er kein Problem damit habe, die Exekutionsabteilung „an die Wand“ zu fahren und er zum frühest möglichen Zeitpunkt in Pension gehen wolle, wobei er seinen Resturlaub konsumieren und dann am letzten Tag ohne vorhergehende Ankündigung das Pensionsgesuch abgeben werde,

und dadurch seine Dienstpflichten nach § 43a Abs. 1 Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) verstoßen und hiedurch schuldhaft Dienstpflichtverletzungen im Sinn des § 91 BDG 1979 begangen zu haben.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde teilweise Folge, behob den Spruchpunkt 2. des Bescheides ersatzlos und stellte das Disziplinarverfahren in diesem Punkt gemäß § 118 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 ein (Spruchpunkt A.II.). Im Übrigen wies es die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde ab (Spruchpunkt A.I.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen Spruchpunkt A.I. dieses Erkenntnisses.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden Verfahrensmängel geltend gemacht, weil das Bundesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber erstattete Äußerung an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Y vom 20. September 2019 und entsprechende Überlegungen in der Beschwerde nicht beachtet habe. Der Revisionswerber habe entgegen „§ 37 1. Satz AVG“ keine Gelegenheit bekommen, sich zur Disziplinaranzeige zu äußern. Hätte man ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben, wäre seiner Beschwerde Folge gegeben worden bzw. wäre aufgrund der genannten Äußerung eine Einvernahme erfolgt, „wären daraus andere entscheidungswesentliche Feststellungen zu treffen gewesen, insbesondere, dass ein Verhalten, das gemäß § 43a BDG 1979 verpönt ist, beim Disziplinarbeschuldigten nicht vorliegt“.

9 Der Revisionswerber zeigt mit seinen Ausführungen zur Zulässigkeit eine Rechtsfrage von der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht auf:

10 Vorauszuschicken ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen ist, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. In dieser Phase des Verfahrens ist zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen und hingegen allenfalls offenkundige Gründe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegeben sind. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Es besteht keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss (vgl. zu alldem etwa VwGH 24.1.2018, Ra 2017/09/0047; 28.3.2017, Ra 2017/09/0008; 21.6.2000, 99/09/0012).

11 Die Zulässigkeit der Revision setzt bei einem behaupteten Verfahrensmangel nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (unter anderem) voraus, dass die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang ‑ im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu gelangen ‑ konkret dargetan wird (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2016/08/0058, mwN).

12 Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen nicht gerecht. Der Revisionswerber legt nicht dar, welche Angaben er im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs erstattet hätte, das zu einer anderen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einleitung des Disziplinarverfahrens hätte führen können.

13 Wenn der Revisionswerber ein verletztes Parteiengehör in Bezug auf die Disziplinaranzeige releviert, ist überdies darauf hinzuweisen, dass er in der Beschwerde ohnehin seinen Standpunkt betreffend die Disziplinaranzeige, die ihm unstrittig zugestellt wurde, darlegen konnte, sodass der gerügte Verfahrensmangel schon deshalb nicht erblickt werden kann.

14 Insoweit der Revisionswerber ins Treffen führt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Äußerung an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Y und dementsprechende Ausführungen in der Beschwerde nicht beachtet habe, ist den Zulässigkeitsausführungen ebenfalls keine Relevanzdarlegung zu entnehmen. Darüber hinaus ist dem auch entgegenzuhalten, dass die in der Äußerung aufgeworfene Frage, ob das ihm vorgeworfene Verhalten den Tatbestand des § 43a BDG 1979 verwirklicht, im Einleitungsbeschluss gemäß der dargestellten Rechtsprechung nicht abschließend zu klären ist. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass das dem Revisionswerber vorgeworfene Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen grundsätzlich geeignet ist, eine Dienstpflichtverletzung darzustellen. Es ist daher nicht zu ersehen, in welcher Weise die vom Revisionswerber gewünschte Berücksichtigung seiner Äußerung und seines Beschwerdevorbringens zu einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte.

15 Der Revisionswerber legt auch nicht dar, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtlich geboten gewesen wäre (im Zusammenhang mit Einleitungsbeschlüssen grundlegend VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007).

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 18. November 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte