VwGH Ra 2019/02/0184

VwGHRa 2019/02/018413.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Nibelungengasse 11/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2019, Zl. W210 2138108-1/50E, betreffend Übertretung des FM-GwG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Finanzmarktaufsichtsbehörde; oberste Verwaltungsbehörde: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4
BWG 1993 §99d
FM-GwG 2017 §35 Abs1
FM-GwG 2017 §35 Abs2
VStG §24
VStG §31
VStG §32
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VStG §9
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020184.L07

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.162,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte in dieser Rechtssache wird auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 2019, Ro 2018/02/0023, verwiesen (Vorerkenntnis). Hervorzuheben ist daraus, dass die FMA mit Straferkenntnis vom 13. September 2016 die revisionswerbende Partei als juristische Person zur Zahlung einer Geldstrafe verhielt, weil die im Tatzeitraum zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle der mit der Durchführung der Aufgaben befassten Mitarbeiter die Begehung eines näher angeführten Verstoßes ermöglicht hätten. Der dagegen von der revisionswerbenden Partei erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26. Juni 2018 Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Dieses Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorerkenntnis vom 29. März 2019 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. 2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde in der Schuldfrage ab und änderte den Spruch des Straferkenntnisses dahin, dass an Stelle der zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer der im Tatzeitraum zum besonderen Beauftragten zur Sicherstellung der Einhaltung der §§ 40 ff BWG zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung bestellte Dr. B., der im Tatzeitraum auch verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG gewesen sei, aufgrund dieser Funktion eine Kontrollbefugnis innerhalb der revisionswerbenden Partei ausgeübt habe und damit ebenfalls Inhaber einer Führungsposition innerhalb der revisionswerbenden Partei gewesen sei, die Begehung dieses Verstoßes durch die mit der Durchführung der Aufgaben befassten Mitarbeiter im Sinne des § 35 Abs. 2 FM-GwG ermöglicht und selbst im Sinne des § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG gegen die Verpflichtungen verstoßen habe. 3 Die Geldstrafe hat das Verwaltungsgericht herabgesetzt und die Revision für nicht zulässig erklärt.

4 Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, führte das Verwaltungsgericht in der Begründung aus, dass im fortgesetzten Verfahren zu Tage gekommen sei, dass die FMA im Mai 2019 das Verfahren "gegen den zur Vertretung nach außen befugten Geschäftsleiter gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG" eingestellt habe, weil Gründe der Verfolgung entgegengestanden seien. Dieser sei somit nicht mehr strafbar. Der in Rede stehende verantwortliche Beauftragte Dr. B., der auch Geldwäschebeauftragter und Compliance Officer gewesen sei, sei im Verfahren beim Verwaltungsgericht am 12. April 2018 als Zeuge einvernommen worden, wie auch bereits vor der belangten Behörde FMA. Grundsätzlich würde ein Austausch der Zurechnungsperson einem Austausch der vorgeworfenen Tat gleich kommen und wäre rechtswidrig. Im vorliegenden Fall sei aber zu gewärtigen, dass in der Verfolgungshandlung vom 18. Dezember 2015 neben dem zur Vertretung nach außen Befugten gemäß § 9 Abs. 1 VStG laut dem - dort beigelegten - Firmenbuch aber eben auch Dr. B. in seiner Funktion als "besonderer Beauftragter zur Sicherstellung der Einhaltung der §§ 40 ff zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung ..." als Zurechnungsperson genannt werde. Somit liege auch im Hinblick auf die Zurechnung über seine Person eine rechtzeitige Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vor.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

6 Die FMA hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Als zulässig erachtet die revisionswerbende Partei die Revision, weil durch das Absehen von der Bestrafung gemäß § 99d Abs. 5 BWG bzw. § 22 Abs. 6 Z 2 FMABG hinsichtlich Dr. B. ein Verfolgungshindernis eingetreten sei, das auch gegenüber der juristischen Person wirke, die demnach nicht mehr bestraft werden könne. Zudem sei der vom Verwaltungsgericht vorgenommene Austausch der Zurechnungsperson unzulässig und das rechtliche Gehör sei nicht gewahrt worden.

8 Zu den aufgeworfenen Rechtsfragen fehlt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision zulässig ist; sie ist auch berechtigt.

9 Es trifft zu, dass Dr. B. in der Aufforderung zur Rechtfertigung der FMA vom 18. Dezember 2015 an die revisionswerbende Partei neben dem zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer namentlich angeführt wurde, allerdings ohne dass auf eine Funktion als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG hingewiesen wurde.

10 In der Folge erließ die FMA das Straferkenntnis vom 13. September 2016 gegen die revisionswerbende Partei mit dem Zusatz, dass sich die Verantwortlichkeit der juristischen Person durch die Ermöglichung des näher genannten Verstoßes der zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle der mit der Durchführung der Aufgaben befassten Mitarbeiter ergebe. Weder ist dort von einem verantwortlichen Beauftragten noch namentlich von Dr. B. die Rede. 11 Im nunmehr angefochtenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht den Spruch des Straferkenntnisses dahin, dass Zurechnungsperson an Stelle der zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer der im Tatzeitraum zum besonderen Beauftragten zur Sicherstellung der Einhaltung der §§ 40 ff BWG zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung bestellte Dr. B. sei.

12 Nach § 44a Z 1 VStG ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird vgl. (etwa VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0094, mwN).

13 Unter der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG ist ein und dasselbe Verhalten des Täters, unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der Tat, zu verstehen (VwGH 30.6.1994, 94/09/0035). 14 Eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG berechtigt das Verwaltungsgericht nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln. Ein unzulässiges Austauschen des Tatvorwurfs stellt nach den Grundsätzen der hg. Judikatur eine im Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Erweiterung des Tatvorwurfs bzw. die Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts dar (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/01/0409, mwN). 15 Eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus besteht nicht. So stellt etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG dar (VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN).

16 Nach dieser Judikatur kommt ein Austausch des Täters durch das Verwaltungsgericht einer unzulässigen Erweiterung/Änderung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG gleich, weil unter Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG ein und dasselbe Verhalten eines bestimmten Täters zu verstehen ist. 17 Als Täter der hier in Rede stehenden Übertretung des § 35 Abs. 2 FM-GwG kommt nur eine die Überwachung oder Kontrolle vernachlässigende Führungsperson nach Abs. 1 leg. cit. in Frage, weil nur eine solche nach § 9 VStG strafbar sein kann, während der die Pflichtverletzung begehende Mitarbeiter in diesem Zusammenhang mangels Strafbarkeit als Täter nicht in Betracht kommen kann. 18 Die besondere Konstellation im Revisionsfall ergibt sich aus dem Umstand, dass das Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen Dr. B. als natürliche Person, sondern gegen die juristische Person geführt wird, der Dr. B.s Pflichtverletzung zugerechnet werden soll. Zu dieser Zurechnung hat der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 29. März 2019, Ro 2018/02/0023, ausgeführt:

"Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, ist ihre Strafbarkeit gemäß § 99d BWG eine Folge des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer Führungsperson. Demgemäß ist für die Wirksamkeit der gegen die juristische Person gerichteten Verfolgungshandlung die genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person vonnöten. Eine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG muss nämlich eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Richtet sich ein so erhobener Vorwurf gegen die juristische Person, so ist - wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person - darin auch der Vorwurf gegen die darin genannte natürliche Person enthalten."

19 Der der Verantwortlichkeit der revisionswerbenden Partei als juristischer Person letztlich zu Grunde liegende Tatvorwurf ist vor diesem Hintergrund im Sinne der zitierten Judikatur zu § 44a Z 1 VStG untrennbar mit den im Straferkenntnis konkret genannten Tätern verbunden. Werden die Täter (erst) im Beschwerdeverfahren ausgetauscht, handelt es sich nicht mehr um das im Straferkenntnis vorgeworfene "ein und dasselbe Verhalten des Täters", das die Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG individualisiert und konkretisiert. Damit stellt aber auch im Verwaltungsstrafverfahren gegen die juristische Person der oben zitierten Judikatur folgend der Austausch der Täter erst im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht eine unzulässige Änderung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinne des § 50 VwGVG dar.

20 Die FMA hat in dem beim Verwaltungsgericht angefochtenen Straferkenntnis vom 13. September 2016 die Verantwortlichkeit der revisionswerbenden Partei (als juristische Person) auf die Zurechnung des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der beiden Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei gestützt, während das Verwaltungsgericht als Zurechnungsperson die zur Vertretung nach außen berufenen Geschäftsführer durch den verantwortlichen Beauftragten Dr. B. ersetzte.

21 Dadurch hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

22 Auf die in der Revision darüber hinaus gestellten Rechtsfragen war nicht mehr einzugehen, zumal diese nur dann wesentlich gewesen wären, wenn das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu Recht gegen Dr. B. geführt worden wäre. 23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz erfolgt im begehrten Umfang und beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2019

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