VwGH Ra 2019/02/0072

VwGHRa 2019/02/007229.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. März 2019, Zl. LVwG 30.8-487/2019-2, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: K in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
AVG §18 Abs4
AVG §56
B-VG Art133 Abs6
B-VG Art133 Abs9
E-GovG 2004 §19 Abs3
VStG §24
VwGG §25a Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020072.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit einer als "Straferkenntnis" bezeichneten Erledigung vom 10. Jänner 2019 legte die revisionswerbende Partei dem Mitbeteiligten zur Last, er habe ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug außerhalb eines Parkplatzes nicht parallel zum Fahrbahnrand zum Halten aufgestellt, obwohl sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen anderes ergeben habe. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 23 Abs. 2 StVO verletzt, weshalb gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag) zu verhängen sei.

2 Nach dem unbestrittenen Akteninhalt enthält der Kopf der dem Mitbeteiligten zugestellten Ausfertigung dieser Erledigung nicht das Logo der Stadt Graz. Sie schließt jedoch mit der Fertigungsklausel "Für den Bürgermeister: (S. D.) (elektronisch unterschrieben)" sowie einer Amtssignatur, die mit der Bildmarke der Stadt Graz und dem Hinweis "Dieses Dokument ist amtssigniert und kann in der zuständigen Dienststelle der Stadt Graz verifiziert werden (...)" versehen ist, ab.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 18 Abs. 3 und 4 AVG als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend führte es aus, die angefochtene Erledigung könne keiner bestimmten Behörde zugeordnet werden, weil einerseits im Kopf keine Behörde genannt, andererseits die Erledigung nach ihrer Fertigungsklausel "Für den Bürgermeister" erlassen worden sei. Abgesehen von der Fertigungsklausel enthalte "der angefochtene Bescheid" weder in seinem Spruch noch in seiner Begründung irgendeinen Hinweis, welcher Behörde die Erledigung zugeordnet werden könne. Bei objektiver Betrachtung der Fertigungsklausel sei es dem durch die vorliegende Erledigung Betreffenden nicht erkennbar, welcher Behörde die als Straferkenntnis bezeichnete Erledigung zuzurechnen sei. Nach geltender Rechtsprechung dürfe diese Frage aber in keinem Fall dem "Spürsinn" des durch das Straferkenntnis betroffenen Adressaten überlassen werden. Die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln sei "vielmehr eine enge Nahebeziehung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter zuzusehen" und stelle "damit" eine rechtstaatliche Forderung von grundlegender Bedeutung dar. 5 Bei der Anführung der bescheiderlassenden Behörde müsse klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommen, welche Behörde gehandelt habe. Es genüge nicht, dass "die Behörde in Korrektur des äußeren Anscheins des jeweils angefochtenen Bescheides aus dem rechtlichen Zusammenhang erschlossen werden" könne. Auch wenn das Verwaltungsverfahren erster Instanz vom Bürgermeister der Stadt Graz geführt und der bezughabende Akt von diesem vorgelegt worden sei, sei "der verfahrensgegenständlich bekämpfte Bescheid" nach objektiven Gesichtspunkten einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar und könne nicht als Bescheid qualifiziert werden. Es sei somit von einem Nichtbescheid und davon auszugehen, dass diese Erledigung rechtlich nicht existent sei. Die dagegen erhobene Beschwerde sei deshalb mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben sowie der revisionswerbenden Partei "den Ersatz (ihres) Aufwands in gesetzmäßiger Höhe zuzuerkennen."

7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Abweisung der Revision beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Es ist vorwegzunehmen, dass nach der hg. Rechtsprechung die "Bagatellgrenze" des § 25a Abs. 4 VwGG - weder die gegen den Mitbeteiligten verhängte Strafe noch der Strafrahmen des § 99 Abs. 3 lit. a StVO überschreiten diese Grenze - nicht auch Amtsrevisionen erfasst, sodass eine Amtsrevision zur Sicherung der Einheit und Gesetzmäßigkeit der Vollziehung unabhängig von der Höhe der verhängten Strafe und des Strafrahmens möglich ist (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0102; 15.4.2016, Ra 2014/02/0058). Die vorliegende Amtsrevision ist daher nicht schon von vornherein absolut unzulässig.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht stütze seine Entscheidung darauf, dass das Straferkenntnis wegen des Fehlens eines Logos nicht der revisionswerbenden Partei zugeordnet werden könne und daher nichtig sei. Damit sei es in einer unvertretbaren, äußerst formalistischen Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Aus dieser ergebe sich mit letzter Deutlichkeit, dass eine auf der Erledigung angebrachte mängelfreie Amtssignatur die bescheiderlassende Behörde erkennen ließe und damit die Erledigung im Sinn des § 18 Abs. 4 AVG volle Wirksamkeit erlange. Die Amtssignatur des vom Verwaltungsgericht als nichtig qualifizierten Straferkenntnisses erfülle sämtliche Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 E-GovG, weshalb das Privileg des § 18 Abs. 4 AVG voll zum Tragen komme. Die hilfsweise Heranziehung eines Logos zur Eruierung der bescheiderlassenden Behörde bedürfe es dagegen nicht.

10 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und begründet.

11 § 18 AVG lautet (auszugsweise):

"Erledigungen

(...)

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(...)"

12 § 19 E-GovG lautet (auszugsweise):

"Amtssignatur

(...)

(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen."

13 Nach der hg. Rechtsprechung kann im monokratischen System der Behördenleiter - wie im gegenständlichen Fall der Bürgermeister - untergeordnete Organwalter innerhalb seiner Behörde ermächtigen, in seinem Namen ("Für den Bürgermeister" oder "im Auftrag") Erledigungen zu genehmigen, wobei die Erteilung einer solchen Approbationsbefugnis eine Angelegenheit der behördeninternen Organisation darstellt und die Ermächtigung eines untergeordneten Organwalters von der Leitungsbefugnis des Behördenleiters umfasst ist (vgl. VwGH 10.12.2013, 2013/05/0039, mwN).

14 Für die Annahme, dass der Unterzeichnerin des gegenständlichen Straferkenntnisses keine Berechtigung, bei dessen Erlassung für den Bürgermeister in dessen Namen zu handeln, eingeräumt worden wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. 15 § 19 Abs. 3 E-GovG sieht vor, dass bei amtssignierten Erledigungen der Hinweis auf die Amtssignatur und die Bildmarke anzugeben sind. Die Bildmarke soll der "leichteren Erkennbarkeit der Herkunft des Dokuments" dienen (vgl. ErläutRV 290 BlgNR 23. GP 6). Es geht also darum, dass die Stelle, der die Erledigung zugerechnet werden soll, leichter erkennbar ist (vgl. dazu VwGH 27.1.2016, Ra 2015/03/0068). Erfüllt die einer Partei zugestellte Ausfertigung des Dokuments diese Anforderungen, so kommt das Privileg des § 18 Abs. 4 AVG, wonach Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke keine weitere Voraussetzung zu erfüllen haben, zur Anwendung (vgl. im Umkehrschluss VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102, mwN). 16 Die dem Mitbeteiligten zugestellte Ausfertigung des Straferkenntnisses enthält (neben der elektronischen Unterschrift der Genehmigungsberechtigten) sowohl den Hinweis auf die Amtssignatur des Dokuments als auch die Bildmarke der Stadt Graz. Damit sind sämtliche Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 E-GovG erfüllt, weshalb gemäß § 18 Abs. 4 AVG das Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei zuzurechnen ist.

17 Weil das Verwaltungsgericht dies verkannte und von der Nichtigkeit des gegenüber dem Mitbeteiligten erlassenen Straferkenntnisses ausging, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war (VwGH 26.2.2019, Ra 2018/02/0116, mwN).

Wien, am 29. Juli 2019

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