VwGH Ra 2018/22/0003

VwGHRa 2018/22/000323.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des H I M in W, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1. Dezember 2017, VGW-151/004/5721/2017-20, betreffend Rückstufung gemäß § 28 NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs5;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220003.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. März 2017, mit dem festgestellt worden war, dass das unbefristete Niederlassungsrecht (Daueraufenthalt-EU) gemäß § 28 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) beendet sei, als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3 In der Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die im Fall einer Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes erfolgte Beurteilung als "auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend" gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) qualifiziert werden könne. Bei zwei Fahrlässigkeitsdelikten, die im Abstand von elf Jahren begangen worden seien, lasse sich nicht auf eine gefährliche oder verwerfliche Charaktereigenschaft schließen. Weiters stelle sich die Rechtsfrage, ob mit der "Schwere" der begangenen Straftaten (Hinweis auf Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen) "schwere Straftaten" im Sinn von § 9 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zu verstehen seien. In einem solchen Fall wäre § 53 Abs. 3 FPG als unionsrechtswidrig nicht anzuwenden.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Gemäß § 28 Abs. 1 NAG ist das Ende des unbefristeten Niederlassungsrechtes mit Bescheid festzustellen, wenn gegen einen Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, die Maßnahme aber im Hinblick auf § 9 BFA-VG nicht verhängt werden kann.

6 Nach § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

7 Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

8 Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, ist der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorzunehmen (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2016/22/0094, Rn. 11, mwN).

9 Das Verwaltungsgericht stellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 2002 wegen angeführter Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz und einem Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz (WaffG) zu einer noch nicht getilgten Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten verurteilt wurde, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten bedingt nachgesehen wurde.

10 Weiters wurde der Revisionswerber mit Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 3. März 2009 wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB verurteilt.

11 Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 27. August 2013 wurde der Revisionswerber wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens nach dem WaffG zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

12 Außerdem weist der Revisionswerber zwischen Oktober 2013 und Juni 2017 Bestrafungen wegen 94 Übertretungen nach dem Parkometergesetz sowie wegen Übertretungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes und des Meldegesetzes auf.

13 Dem Vorbringen des Revisionswerbers ist entgegen zu halten, dass sich aus dem Schuldspruch und der Begründung des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 2002 ergibt, dass der Revisionswerber vorsätzlich eine Waffe erworben und entgegen § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG unbefugt besessen hat. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 27. August 2013 wurde der Revisionswerber nunmehr wegen fahrlässiger Begehung des § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG bestraft. Diese Übertretungen nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG sind jedenfalls als gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet anzusehen. Eine gleiche schädliche Neigung kann auch in Fahrlässigkeitsdelikten im Vergleich mit Vorsatzdelikten zum Ausdruck kommen (VwGH 24.4.2001, 98/18/0350; OGH 12.10.1999, 14 Os 118/99).

14 Vor diesem Hintergrund zeigt der Revisionswerber mit dem Vorbringen zur Richtlinie 2003/109/EG keine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Gemäß Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Drittstaatsangehöriger die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verliert, wenn er in Anbetracht der Schwere der von ihm begangenen Straftaten eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung darstellt. Die Erfüllung des Tatbestands der Z 1 des § 53 Abs. 3 FPG in seiner letzten Variante ("mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist") rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Fremden eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0328, Rn. 9). Im Übrigen ist auch die zweite Variante des genannten Tatbestandes erfüllt, weshalb die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der den angeführten Bestrafungen zugrundeliegenden Taten vorgenommene Gefährdungsprognose - vor dem Hintergrund der wiederholten und zum Teil erheblichen Delinquenz des Revisionswerbers über einen langen Zeitraum - nicht unvertretbar ist.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2018

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