VwGH Ra 2016/21/0328

VwGHRa 2016/21/032820.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des Z M in W, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. September 2016, G311 2015785- 1/19E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und eines befristeten Einreiseverbotes sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FSG 1997 §37 Abs3;
FSG 1997 §37 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016210328.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, kam Anfang 2002 - knapp vor Vollendung seines 18. Lebensjahres - nach Österreich, wobei ihm am 21. Jänner 2002 eine letztlich bis 10. November 2009 verlängerte Niederlassungsbewilligung erteilt wurde. Ein danach gestellter Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" wurde mit rechtskräftigem Bescheid vom 22. März 2010 zurückgewiesen. Ungeachtet dessen verblieb der Revisionswerber in Österreich.

2 Aus der geschiedenen Ehe des Revisionswerbers mit einer Österreicherin entstammt eine 2003 geborene Tochter, die ebenfalls österreichische Staatsbürgerin ist und im Haushalt der Mutter lebt. Mit dieser Tochter besteht ein regelmäßiger Besuchskontakt. Der Revisionswerber hat seit acht Jahren eine serbische Lebensgefährtin und mit ihr zwei gemeinsame Kinder (geboren 2009 und 2011), denen, wie ihrer Mutter, ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" erteilt wurde. Die Lebensgefährtin, die über eine "Gemeindewohnung" verfügt, bezieht - ihren Angaben zufolge - "Notstandshilfe und Mindestsicherung", wovon auch der Lebensunterhalt des (zumindest) seit August 2011 nicht mehr berufstätigen Revisionswerbers bestritten wird. In Österreich befinden sich neben den Eltern des Revisionswerbers noch weitere Verwandte.

3 Vor allem im Hinblick auf mehrere vom Revisionswerber begangene Straftaten, die auch zu entsprechenden gerichtlichen Verurteilungen geführt hatten, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen ihn - unter gleichzeitigem Ausspruch, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde - gemäß § 52 Abs. 1 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit vier Jahren befristetes Einreiseverbot, wobei die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen festgesetzt wurde. Unter einem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei.

4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. September 2016 nur insoweit statt, als es die Dauer des - auch auf Abs. 2 Z 1 und 2 des § 53 FPG gestützten - Einreiseverbotes auf neun Monate herabsetzte. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Diesbezüglich bemängelt die Revision zunächst die vom BVwG iSd 53 FPG getroffene Gefährdungsprognose mit dem Hinweis, "das Strafgericht kam jeweils mit geringen Geldstrafen bzw. bedingten Freiheitsstrafen gegen den Revisionswerber aus"; außerdem liege die letzte Straftat bereits mehr als fünf Jahre zurück.

8 Richtig ist, dass die strafgerichtlichen Sanktionen zweimal in Form von Geldstrafen, zweimal in Form von bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von drei Monaten und fünf Monaten und einmal (zuletzt) in Form einer kombinierten Geldstrafe mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt wurden. Das BVwG, das die dem Revisionswerber jeweils zur Last gelegten Tathandlungen für die vorliegende Beurteilung ausreichend feststellte, führte aber zusammenfassend zu Recht ins Treffen, dass die Straftaten (Unterschlagung eines gefundenen Mobiltelefons, zweimalige Sachbeschädigung durch absichtliches Auffahren auf ein Auto und durch Fußtritte gegen dessen Tür mit einem Schaden von 4.650 EUR sowie Schlag mit der Hand auf ein Autodach, wiederholte gefährliche Drohung mit dem Umbringen und zweimalige schwere Körperverletzung einerseits durch einen Schlag mit einer Eisenstange auf den Kopf und andererseits durch einen Faustschlag ins Gesicht) gegen verschiedene Rechtsgüter gerichtet gewesen seien und dass sich der Revisionswerber durch die vorhergehenden Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen. Zutreffend hat das BVwG in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, dass den Revisionswerber nicht einmal die Ankündigung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes "zum Umdenken" bewogen habe und er auch danach noch einmal straffällig geworden sei. Diese letzte Straftat wurde zwar bereits im Dezember 2010 begangen, doch hat das BVwG zu Recht die nachfolgende - eine Gefährdungsprognose ebenfalls stützende - Begehung schwerer Verkehrsdelikte durch den Revisionswerber in seine Beurteilung einbezogen. So wurde über ihn mit Straferkenntnis vom 1. Oktober 2011 gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 letzter Satz StVO wegen der Verweigerung der Feststellung des Atemluftalkoholgehalts eine Geldstrafe von 3.000 EUR verhängt. Mit demselben Straferkenntnis kam es auch zur Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 37 Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 FSG wegen Lenkens eines KFZ ohne Lenkberechtigung, wobei der Revisionswerber wegen gleichartiger Delikt noch zweimal (im Oktober 2013 und im September 2014) gemäß § 37 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FSG bestraft werden musste.

9 In diesem Zusammenhang meint die Revision zwar, die Verweigerung der Messung des Atemluftalkoholgehaltes könne eine Gefährdung nicht begründen und es sei nicht erkennbar, "was die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes damit zu tun hat". Damit verkennt der Revisionswerber, dass es sich bei diesem Delikt auch unter dem Gesichtspunkt des Fremdenrechts um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung handelt (vgl. idS etwa schon das Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/18/0409, mwN). Dem entsprechend wurde (u.a.) auch die rechtskräftige Bestrafung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO in den Katalog der Z 1 des § 53 Abs. 2 FPG aufgenommen, deren Vorliegen die dort umschriebene, ein Einreiseverbot in der Dauer bis zu fünf Jahren rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indiziert. Gleiches gilt für die ebenfalls in der genannten Bestimmung aufgelistete Bestrafung gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG. Auch beim Lenken eines Fahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung handelt es sich um eine Verhaltensweise, deren Relevanz für eine Gefährdungsprognose iSd § 53 Abs. 2 FPG keineswegs als gering zu veranschlagen ist (siehe das zur vergleichbaren Bestimmung des § 36 Abs. 1 FrG 1997 ergangene Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2004/18/0026, Punkt II.1.3. der Entscheidungsgründe; vgl. in diesem Sinn etwa auch das Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2003/18/0277, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Das wird in der Revision auch nicht in Abrede gestellt. Zu Recht ging das BVwG im Übrigen davon aus, dass auch die Z 2 des § 53 Abs. 2 FPG ("wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1.000 EUR ... rechtskräftig bestraft wurde") im vorliegenden Fall verwirklicht ist. Überdies ist aber auch noch der Tatbestand der Z 1 des § 53 Abs. 3 FPG in seiner letzten Variante ("mehr als einmal auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist") erfüllt, was grundsätzlich die Annahme rechtfertigt, der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, von deren Wegfall das BVwG im Hinblick auf die erwähnten, danach begangenen, ebenfalls im Zusammenhang mit der körperlichen Integrität Anderer stehenden Verwaltungsstrafdelikte nicht ausgehen musste. Das BVwG durfte daher in vertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen für das nach § 53 FPG verhängte Einreiseverbot - der unrechtmäßige Aufenthalt als Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG wird in der Revision ohnehin nicht bestritten - ausgehen.

10 In der weiteren Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision noch gegen die vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung und führt in diesem Zusammenhang die eingangs dargestellten familiären Verhältnisse des Revisionswerbers ins Treffen. Soweit darüber hinaus erstmals vorgebracht wird, die Lebensgefährtin des Revisionswerbers leide an schwerem Asthma, sie könne die beiden Kinder nicht alleine betreuen und sie sei insoweit auf seine Hilfe angewiesen, handelt es sich jedoch um gemäß § 41 VwGG unzulässige und somit unbeachtliche Neuerungen. Im Übrigen hat das BVwG aber alle maßgeblichen Umstände in die Abwägung der wechselseitigen Interessen einbezogen. Angesichts des über einen langen Zeitraum begangenen, ungeachtet vorangegangener Bestrafungen durch einschlägige Rückfälle gekennzeichneten gerichtlich und verwaltungsbehördlich strafbaren Verhaltens des Revisionswerbers ist es nicht unvertretbar, wenn es deshalb davon ausgegangen ist, das Interesse des unrechtmäßig aufhältigen Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich überwiege nicht das öffentliche Interesse an einer (vorübergehenden) Aufenthaltsbeendigung.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits in seinem Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033, zum Ausdruck gebracht, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sei. Das gelte sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. dazu auch noch mittlerweile zahlreiche daran anschließende Entscheidungen, wie etwa den Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0142, mwN).

12 Das ist hier in Bezug auf das vom BVwG zu beiden Fragen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzielte, nach den obigen Ausführungen jedenfalls vertretbare Ergebnis der Fall. Die Revision, die sich im Übrigen im Revisionspunkt vergreift ("Der Revisionswerber erachtet sich durch das angefochtenen Erkenntnis in seinem subjektiven Recht auf Nichtbestrafung mangels Erfüllung des gesetzlichen Tatbildes verletzt.") und sich auch in den daran anschließenden Revisionsgründen offenbar auf ein nicht den Revisionswerber betreffendes Strafverfahren bezieht und keine fallbezogen passenden Ausführungen mehr enthält, war daher schon wegen Nichtvorliegens einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 dritte Alternative VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte