European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190147.L00
Spruch:
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden abgewiesen.
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. August 2016, mit denen die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen die revisionswerbenden Parteien Rückkehrentscheidungen erlassen worden waren sowie festgestellt worden war, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei und die Frist für ihre freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage, als unbegründet ab und sprach aus, dass Revisionen gegen diese Erkenntnisse gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig seien.
2 In offener Revisionsfrist beantragten die revisionswerbenden Parteien die Gewährung von Verfahrenshilfe zur Erhebung außerordentlicher Revisionen gegen diese Erkenntnisse.
3 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2018 wurde den revisionswerbenden Parteien die Verfahrenshilfe zur Erhebung außerordentlicher Revisionen - unter anderem durch Beigebung eines Rechtsanwalts - bewilligt. Dieser Beschluss und der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. Mai 2018 über die Bestellung zum Verfahrenshelfer wurden dem dazu bestimmten Rechtsanwalt am 9. Mai 2018 zugestellt.
4 Am 20. Juni 2018 wurden beim Bundesverwaltungsgericht außerordentliche Revisionen gegen die genannten Erkenntnisse hinsichtlich des Erstrevisionswerbers um 16.02 Uhr, hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin um 15.42 Uhr und hinsichtlich der Drittrevisionswerberin um 15.54 Uhr im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht.
5 Unter Hinweis darauf, dass die Revisionen nach der Aktenlage am letzten Tag der Revisionsfrist außerhalb der in § 20 Abs. 1 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) festgesetzten Amtsstunden eingebracht worden seien und somit verspätet erschienen, wurde den revisionswerbenden Parteien vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu nehmen.
6 Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2018 beantragten die revisionswerbenden Parteien daraufhin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Erhebung der Revisionen. Dazu brachten sie vor, der zum Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt habe eine letzte Überprüfung und Freigabe der gegenständlichen Schriftsätze am 20. Juni 2018, dem letzten Tag der Revisionsfrist, gegen 11.00 Uhr vormittags vorgenommen und die elektronische Einbringung gegenüber einer namentlich genannten juristischen Mitarbeiterin angeordnet. Diese juristische Mitarbeiterin sei "grundsätzlich umsichtig und verlässlich" und habe zuvor bereits Schriftsätze in Verfahren vor ordentlichen Gerichten eingebracht. Der Rechtsvertreter selbst habe, um einen Termin um 12.00 Uhr wahrzunehmen, die Kanzlei verlassen. Im Zuge der Einbringung der Revisionen sei der juristischen Mitarbeiterin unklar gewesen, welcher "Aktionscode" bei der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr für außerordentliche Revisionen in die verwendete Software einzugeben sei. Das habe die juristische Mitarbeiterin erst recherchieren müssen. Diese "Unklarheit" sowie der Druck, die Revisionen "einwandfrei und korrekt" einzubringen, habe zum Überschreiten der Frist geführt. Der juristischen Mitarbeiterin sei nicht bewusst gewesen, dass die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes - und damit die Revisionsfristen - bereits um 15.00 Uhr geendet hätten. Der Rechtsvertreter selbst habe darauf vertrauen dürfen, dass die Schriftsätze nach der erfolgten Freigabe rechtzeitig eingebracht würden, und habe seine Sorgfaltspflichten und Überwachungspflichten daher nicht verletzt, sodass ihn kein Verschulden treffe.
7 Zur Rechtzeitigkeit der Revisionen:
8 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt (vgl. grundlegend VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 19.06.2018, Ra 2017/20/0521; 23.2.2016, Ra 2015/01/0195).
9 Die am letzten Tag der Revisionsfrist nach 15.00 Uhr eingebrachten Revisionen erweisen sich daher als verspätet.
10 Zu den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
12 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann darstellt, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/01/0107). Dasselbe gilt auch hinsichtlich des ausführenden Verhaltens eines Rechtsanwaltsanwärters oder eines anderen juristischen Mitarbeiters (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0332; 31.5.2017, Ra 2017/22/0064).
13 Die revisionswerbenden Parteien stützen ihre Wiedereinsetzungsanträge im vorliegenden Fall darauf, dass ihr Rechtsvertreter die Abfertigung der Schriftsätze an das Bundesverwaltungsgericht gegenüber einer juristischen Mitarbeiterin am Vormittag des letzten Tages der Frist angeordnet habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in der Vergangenheit bereits mit vergleichbaren Vorbringen auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass - gerade unter Beachtung der gegenteiligen Rechtslage und Praxis in Zivil- und Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten - der Rechtsvertreter davon ausgehen muss, dass sein Auftrag so verstanden werden würde, dass auch eine Einbringung beim Bundesverwaltungsgericht im Laufe des Kalendertages ausreichend wäre. Die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bedarf aber jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst. Das Unterbleiben einer allgemeinen oder einzelfallbezogenen, die diesbezügliche Rechtslage klarstellenden Anweisung an Kanzleimitarbeiter ist dem Rechtsvertreter als eine einen minderen Grad des Versehens übersteigende Sorglosigkeit anzulasten (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2015/19/0155; 5.4.2018, Ra 2017/19/0557; 14.10.2016, Ra 2016/09/0001).
14 Nach dem ausdrücklichen Vorbringen im vorliegenden Antrag war der vom Rechtsvertreter beauftragten juristischen Mitarbeiterin das Erfordernis der Einbringung der Revisionen vor 15.00 Uhr nicht bewusst. Es hätte daher auch im vorliegenden Fall einer entsprechenden Klarstellung durch den Rechtsvertreter bedurft. Dass selbst bei Kenntnis dieser unmittelbaren Dringlichkeit der Einbringung der Revisionen eine rechtzeitige Einbringung nicht hätte bewerkstelligt werden können bzw. die bestehenden "Unklarheiten" über den bei der Übermittlung in der Software zu verwendenden "Aktionscode" dem im Wege gestanden wären, wird in der Revision nicht dargetan.
15 Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit - wie sie hier infolge der Freigabe der Revisionen wenige Stunden vor Ablauf der Frist gegeben war - das Fehlen, bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems, insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet wurden, nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten ist (vgl. VwGH 14.10.2016, Ra 2016/09/0001, mwN). Dies gilt gleichermaßen für die fristgebundene Abfertigung von Schriftstücken im elektronischen Rechtsverkehr (VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0296).
16 Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revisionen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 2. August 2018
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