VwGH Ra 2018/16/0040

VwGHRa 2018/16/004026.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M, in der Revisionssache der P GmbH in W, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. Dezember 2017, Zl. RV/7101160/2017, betreffend Rechtsgebühr, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
GebG 1957 §33 TP5;
MRG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160040.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug eine Gebühr gemäß § 33 TP 5 des Gebührengesetzes (GebG) für einen zwischen der revisionswerbenden Gesellschaft m.b.H. (Revisionswerberin) als Vermieterin und einer L. GmbH als Mieterin abgeschlossenen Bestandvertrag gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO fest und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das Bundesfinanzgericht ging von einem Mietvertrag auf bestimmte Dauer von zehn Jahren aus, der danach in einen Vertrag mit unbestimmter Dauer übergehe.

3 Nach Wiedergabe des in Rede stehenden Mietvertrages in seinen wesentlichen Punkten und Schilderung des Verwaltungsgeschehens hielt das Bundesfinanzgericht fest, dass der in Rede stehende Mietvertrag nach seinem Punkt 2 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei und von jeder Partei unter einer Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Letzten eines Kalendermonates aufgekündigt werden könne. Die Kündigung durch die Vermieterin (Revisionswerberin) könne nur aus den Gründen des § 1118 ABGB oder des § 30 Abs. 2 MRG erfolgen. Die Mieterin verzichte für die Dauer von zehn Jahren ab dem Übergabetag auf die Kündigung dieses Vertrages.

4 Das Bundesfinanzgericht erwog, ein seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag sei gebührenrechtlich als ein Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen, wenn sich aus seinem Inhalt ergebe, dass das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden könne oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt sei.

5 Die in der Person der Mieterin gelegenen Kündigungsgründe des § 1118 ABGB setzten ein grobes Fehlverhalten der Mieterin voraus, sodass die Vertragsauflösung nicht auf Grund einer freien Entscheidung der Vermieterin (Revisionswerberin) erfolgen könne.

6 Zu den vereinbarten Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 MRG hielt das Bundesfinanzgericht fest, das MRG stelle primär auf Wohnraummiete ab. Im Revisionsfall seien eine Geschäftsfläche für einen Handelsbetrieb und drei in der Tiefgarage gelegene Parkplätze vermietet worden. Damit würden bereits die Z 5, 6, 8 und 16 des § 30 Abs. 2 MRG ausscheiden. § 30 Abs. 2 Z 2 MRG komme nicht zur Anwendung, weil das Mietentgelt nicht in einer Dienstleistung bestehe. Ebenso greife die Z 10 dieser Bestimmung nicht, weil der Mietgegenstand ein Geschäftslokal sei und nicht zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten bestimmt sei. § 30 Abs. 2 Z 12 MRG setze ein Untermietverhältnis voraus, welches im Revisionsfall nicht vorliege. § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG komme nicht in Betracht, weil der Mietgegenstand kein Miethaus sei und zudem - in Anbetracht dessen, dass es sich erst um ein zu errichtendes Objekt handle - ein Abbruch oder Umbau des Gebäudes als unwahrscheinlich gelte. § 30 Abs. 2 Z 1 (Mietzinsrückstand), Z 4 (Untervermietung) und Z 7 (vertragswidrige Verwendung) MRG würden unter den Kündigungsgrund "Verletzung von Vertragspflichten trotz Mahnung und Fristsetzung" fallen. In der Z 9 dieser Gesetzesstelle sei als Kündigungsgrund der Eigenbedarf normiert, auch die Z 11 scheide im Revisionsfall aus, weil diese nur für den Bund, ein Bundesland oder eine Gemeinde gelte. Sämtliche Kündigungsgründe aus der Verletzung von Vertragspflichten und aus § 30 Abs. 2 Z 3 MRG würden ein schuldhaftes Verletzen des anderen Vertragspartners voraussetzen, womit die Kündigungsrechte der Revisionswerberin nicht nach Belieben ausgeübt werden könnten und jeglichem Einfluss der Revisionswerberin entzogen seien.

7 Allein der Kündigungsgrund "Eigenbedarf" liege in der Sphäre der Revisionswerberin. Dieser auf einen einzelnen Fall beschränkte Kündigungsgrund sei allerdings nicht umfassender Natur, weshalb die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Auflösung des Mietvertrages äußerst gering sei.

8 Zusammenfassend ergebe sich, dass die vorzeitige Kündigung des Mietvertrages durch die Revisionswerberin bloß eingeschränkt möglich sei. Sämtliche Kündigungsgründe - abgesehen vom "Eigenbedarf" - seien dem Einfluss der Revisionswerberin entzogen. Die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Auflösung des abgeschlossenen Mietvertrages durch die Revisionswerberin sei äußerst gering, weshalb der in Rede stehende Vertrag - da die Mieterin bei diesem auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Mietvertrag einen Kündigungsverzicht von zehn Jahren abgegeben habe - als Vertrag mit bestimmter Dauer von zehn Jahren und anschließend als Vertrag auf unbestimmte Dauer zu vergebühren sei.

9 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

10 Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr für den in Rede stehenden Vertrag in Höhe von 6.905,52 EUR für einen auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Bestandvertrag verletzt.

11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Gemäß § 33 Tarifpost 5 (Bestandverträge) des Gebührengesetzes 1957 (GebG) unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Rechtsgebühr von 1 vH nach dem Wert.

14 § 33 TP 5 Abs. 3 GebG lautet in der im Revisionsfall noch maßgebenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl. I Nr. 28/1999:

"(3) Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht. Abweichend vom ersten Satz sind bei Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind) die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen."

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen "auf bestimmte Zeit" und "auf unbestimmte Zeit" abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht entgegensteht. Ein nach seinem Wortlaut auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag ist als ein Vertrag auf vorerst bestimmte Dauer anzusehen, wenn nach seinem Inhalt das Vertragsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit von keinem der Vertragsteile einseitig beendet werden kann oder diese Möglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist. Die Vereinbarung etwa aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG stellt noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten dar, weshalb in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist (vgl. VwGH 16.10.2014, 2011/16/0169, und VwGH 9.9.2015, Ra 2015/16/0072).

16 Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/16/0111 und 0112).

17 Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. auch Twardosz, GebG6 (2015) § 33 TP 5 Rz 37).

18 Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen (vgl. auch nochmals VwGH 19.9.2017, Ra 2017/16/0111 und 0112).

19 Das angefochtene Erkenntnis ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.

20 Ob ein konkreter Bestandvertrag vom Verwaltungsgericht, das sich auf dem Boden der erwähnten Rechtsprechung bewegt, im Einzelfall in seiner Gesamtgestaltung als Vertrag auf bestimmte Dauer oder auf unbestimmte Dauer gedeutet wird, ist von krassen Fehlentscheidungen abgesehen keine Frage, die über den Einzelfall hinausgeht und daher nicht grundsätzlich im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. auch VwGH 7.6.2017, Ra 2017/17/0335, VwGH 12.4.2017, Ra 2017/16/0040, VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0084).

21 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst vor, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Vereinbarung aller denkmöglichen Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstelle, um von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen. Sie vernachlässigt dabei, dass das Bundesfinanzgericht nicht die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG allein herangezogen hat, sondern sein Erkenntnis tragend auf eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der vereinbarten Kündigungsgründe gestützt hat.

22 Die Revisionswerberin sieht auch einen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses darin, dass es lediglich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG und nicht die Wahrscheinlichkeit der Ausübung des Kündigungsrechtes heranziehe. Wenn aber nach Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes nicht einmal die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Kündigungsgrundes gegeben ist, so bleibt für die Frage der Ausübung des Kündigungsrechtes bei einem gar nicht eintretenden Kündigungsgrund kein Raum mehr.

23 Schließlich sieht die Revisionswerberin das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.10.2014, 2011/16/0169), weil der die Annahme eines Vertrags auf unbestimmte Dauer nur dann rechtfertigende Umstand, dass die nur einem Vertragsteil zustehende Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Vertragsauflösung nach sich zieht, im vorliegenden Revisionsfall erfüllt sei. Das Fehlen dieses Umstandes spricht (wie bei VwGH 16.10.2014, 2011/16/0169) für einen Vertrag auf bestimmte Dauer. Das Vorliegen dieses Umstandes rechtfertigt die Annahme eines Vertrages unbestimmter Dauer, es zwingt allerdings nicht dazu, wenn etwa die Unwahrscheinlichkeit des Eintritts der vereinbarten Kündigungsgründe für einen Vertrag auf bestimmte Dauer spricht.

24 Die Revisionswerberin zeigt damit nicht auf, dass die Revision von einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.

25 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2018

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