VwGH Ra 2018/10/0124

VwGHRa 2018/10/012426.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Liezen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. Juni 2018, Zl. LVwG 47.31-819/2018-9, betreffend Kostenübernahme für die Unterbringung im Pflegeheim (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen; mitbeteiligte Partei: G G in Ö), den Beschluss gefasst:

Normen

ASGG §65 Abs1 Z3
ASVG §324
AVG §59 Abs1
B-VG Art10 Abs1 Z11
B-VG Art12 Abs1 Z1
SHG Stmk 1998 §13 Abs4
SHG Stmk 1998 §4 Abs1
SHG Stmk 1998 §5 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100124.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde (der nunmehrigen Revisionswerberin) vom 7. März 2018 wurde der Mitbeteiligten "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der Kosten/Restkosten, soweit diese nicht durch Einkommen oder Pflegegeld (Pension, Pflegegeld, etc.) gedeckt werden", für die Unterbringung in einer näher bezeichneten stationären Einrichtung ab 1. Jänner 2018 gewährt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Juni 2018 änderte das Landesverwaltungsgericht Steiermark - in Stattgebung der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde - den Bescheid dahingehend ab, dass der Mitbeteiligten "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der nicht durch ihre Eigenmittel (80 % der laufenden Pensionsbezüge sowie 80 % des Pflegegeldbezuges) gedeckten Kosten ihrer Unterbringung im Pflegeheim (...) ab 01.01.2018 für die Dauer der Pflegeheimunterbringung gewährt" werde. Die Eigenleistung betrage ab 01. Jänner 2018 bis zur Änderung der Einkommensverhältnisse EUR 1.760,27.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 In der Zulassungsbegründung der Revision wird zunächst geltend gemacht, es existiere noch keine Judikatur dazu, "wie die allgemeine Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz - SHG 1998 (im Folgenden StSHG), i.d.F. LGBl. Nr. 47/2018, bei der Zuerkennung einer hoheitlichen 'Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes' nach dem 2. Abschnitt A. des StSHG zu erfolgen" habe. Aufgrund der jährlichen Kosten der Sozialhilfe sowie der hohen Antragszahlen erscheine es unverzichtbar, "exakte Beurteilungskriterien bei der Berechnung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 StSHG festzusetzen". Ebenso existiere keine höchstgerichtliche Judikatur, "wie die behördliche Einkommensberechnung zur Beurteilung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 StSHG bei den unterschiedlichen Leistungen nach dem 2. Abschnitt A. des StSHG konkret zu erfolgen" habe. Am Landesverwaltungsgericht Steiermark gebe es bei der Beurteilung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit, wenngleich teils bei verschiedenen Leistungsarten der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs, keine einheitliche Entscheidungspraxis. Beispielsweise werde völlig uneinheitlich beurteilt, ob Sonderzahlungen bei der Berechnung des Einkommens einzurechnen bzw. gewisse Ausgaben vom Einkommen abzuziehen seien. Ferner komme der Lösung der Rechtsfrage, "wie die finanzielle Hilfsbedürftigkeit im gegenständlichen Fall gem §§ 4, 5, 9 Abs 2 lit b und 13 StSHG zu beurteilen" sei, grundsätzliche Bedeutung zu.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 22.7.2019, Ra 2019/02/0061; 17.7.2019, Ra 2019/06/0111 bis 0113; 28.2.2018, Ra 2016/10/0133, jeweils mwN).

8 Die vorliegende Zulassungsbegründung lässt eine Bezugnahme auf die konkrete Rechtssache vermissen. Mit dem wiedergegebenen allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. VwGH 28.5.2019, Ro 2019/10/0002).

9 Abgesehen davon, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. VwGH 17.4.2018, Ra 2018/08/0041, mwN), wird mit diesem Zulässigkeitsvorbringen auch nicht dargelegt, inwiefern der behaupteten uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes für den vorliegenden Fall Relevanz zukommen sollte.

10 Die Zulassungsbegründung bringt weiters vor, im angefochtenen Erkenntnis sei es zu einer nicht gesetzeskonformen "Vermischung" der - zuerst vorzunehmenden - allgemeinen Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 StSHG mit der erst abschließend - nach der Prüfung der besonderen Anspruchsvoraussetzungen je Leistungsart - durchzuführenden Festsetzung eines Eigenleistungsbetrages des Hilfeempfängers zur zuerkannten Leistung gem. § 13 Abs. 4 StSHG, § 324 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und § 13 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) gekommen. Durch diese Vermischung habe das Verwaltungsgericht als "Folgefehler" in Abänderung des verwaltungsbehördlichen Bescheides einen ziffernmäßig bestimmten Eigenleistungsanteil gemäß § 13 Abs. 4 StSHG festgesetzt, wodurch es zu einer rechtswidrigen Kompetenzüberschreitung gekommen sei, weil die ziffernmäßig bestimmte Pensions- und Pflegegeldteilung von der Pensionsversicherungsanstalt gemäß § 324 ASVG und § 13 BPGG durchzuführen sei. Es stelle sich daher die weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, ob eine Bezirksverwaltungsbehörde in Anwendung des StSHG aus kompetenzrechtlichen Gründen überhaupt einen ziffernmäßig bestimmten Eigenleistungsanteil festsetzen könne, wenn die Durchführung der Pensions- und Pflegegeldteilung sozialversicherungsrechtlich alleine dem Sozialversicherungsträger zukomme.

11 Was die Ausführungen zur "Vermischung" der Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit mit der Festsetzung des Eigenleistungsbetrages betrifft, verabsäumt die Revision darzutun, worin diese Vermischung bestanden haben soll und inwiefern eine solche im konkreten Fall Auswirkungen gehabt hätte, zumal die Revisionswerberin selbst das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit bejaht hatte. Die Revision lässt auch nachvollziehbare Ausführungen zur konkreten Berechnung des Eigenleistungsbeitrages vermissen. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung über die Revision von dieser Frage abhängen sollte.

12 Zu den weiteren Ausführungen der Revisionswerberin ist darauf hinzuweisen, dass eine Streitigkeit über die in § 324 ASVG geregelte Legalzession eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs. 1 Z 3 ASGG zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Sozialversicherungsträger darstellt (vgl. OGH vom 26.6.1990, 10 ObS 298/89), die als solche vor dem Arbeits- und Sozialgericht zu klären wäre, wohingegen im gegenständlichen Verfahren über den Antrag der Mitbeteiligten auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes im Verwaltungsrechtsweg nach dem StSHG abzusprechen war. Aufgrund der unterschiedlichen - insoweit auf verschiedenen kompetenzrechtlichen Grundlagen beruhenden (vgl. Art. 10 Abs. 1 Z 11 (Sozialversicherungswesen) und Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG (Armenwesen)) - Rechtsgrundlagen, die unterschiedliche Rechtsverhältnisse regeln, kann es der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihres Vollzugsbereiches nicht "aus kompetenzrechtlichen Gründen" verwehrt sein, bei der Festsetzung des Anspruches des Hilfesuchenden gegenüber dem Sozialhilfeträger eine ziffernmäßig bestimmte Eigenleistung des Hilfesuchenden bis zur Änderung der Einkommensverhältnisse in den Spruch aufzunehmen.

13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - zurückzuweisen.

Wien, am 26. September 2019

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