Normen
GSpG 1989 §12a Abs2
GSpG 1989 §2 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
MRK Art6
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §48
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090159.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 6. März 2017 wurde der Revisionswerber der vierzehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit 14 näher bezeichneten "Eingriffsgegenständen" schuldig erkannt und über ihn gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG Geldstrafen in der Höhe von je 5.000,-- Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass es den Tatzeitraum einschränkte. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 856/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vor ihm dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
4 Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark richtet sich die außerordentliche Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. 5 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Das Landesverwaltungsgericht ist - wie auch die belangte Behörde - von 14 Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit jeweils einem Eingriffsgegenstand ausgegangen und hat die Verhängung von 14 Strafen dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, die in ihrem Zulässigkeitsvorbringen u. a. geltend macht, dass das Landesverwaltungsgericht sowohl die "Cash-Center", als auch Monitor, PC und Wettscheindrucker zu Unrecht als eigene Eingriffsgegenstände behandelt habe und seine Entscheidung damit im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des Eingriffsgegenstandes stehe. Schon mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt. 9 Vorweg sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst Folgendes anzumerken:
10 Vorliegend bezieht sich das Landesverwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis auf Ergebnisse der Verhandlung vom 12. Dezember 2017, die es in der im angefochtenen Erkenntnis bezeichneten Besetzung nach der Aktenlage selbst nicht geleitet hat. Laut Protokoll wurde diese Verhandlung von Richter Dr. E durchgeführt, der das vorliegende Verfahren mit einem anderen gleichgelagerten Verfahren "aufgrund des sachlichen Zusammenhangs aus Zweckmäßigkeitsgründen zur gemeinsamen Verhandlung verbunden hat". Eine weitere Verhandlung durch die hier entscheidende Richterin hat laut Aktenlage hingegen nicht stattgefunden, sondern sie hat offenkundig nur dieses Verhandlungsprotokoll für die nun angefochtene Entscheidung verwertet und damit Beweise nicht unmittelbar aufgenommen. Dass die Ausnahmetatbestände hinsichtlich des Absehens von der Verhandlung iS des § 44 Abs. 2 bis 5 VwGVG fallbezogen vorgelegen wären, ist nicht zu erkennen. 11 Das Landesverwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Unmittelbarkeitsgrundsatzes einen Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze bzw. eine konkrete schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften und damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 20.9.2018, Ra 2018/17/0056, mwN).
12 Vor dem Verwaltungsgericht gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041, mit Verweis auf ua. § 48 VwGVG).
13 Gemäß § 48 VwGVG ist in Verfahren in Verwaltungsstrafsachen, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung eines Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 44 Abs. 5 VwGVG entfallen ist.
14 § 48 VwGVG legt die Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im Verwaltungsstrafverfahren fest, der für den Beschuldigten an Art. 6 EMRK zu messen ist. Demnach darf das Verwaltungsgericht, soweit es eine Verhandlung durchführt, bei seiner Entscheidung nur auf die in der Verhandlung selbst vorgekommenen Beweise Rücksicht nehmen (zum Ganzen VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0243, mwN).
15 In der Sache selbst ist auszuführen:
16 Unbeschadet des Fehlens einer Legaldefinition ist unter
"Eingriffsgegenstand" als Oberbegriff jedenfalls eine körperliche Sache zu verstehen, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, indem damit verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich gemacht werden. Darunter fallen etwa Glücksspielautomaten (§ 2 Abs. 3 GSpG), Video Lotterie Terminals (VLT, § 12a Abs. 2 GSpG), Roulettetische, Glücksräder oder Kartenspiele (vgl. VwGH 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).
17 Nicht unter den Begriff des "Eingriffsgegenstandes" fallen hingegen Sachen, die lediglich als Komponente einer (technischen) Vorrichtung Verwendung finden, mit der einem Kunden die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wird, wie etwa Bildschirme, Stromkabel oder Graphikkarten. Diese Komponenten (Bestandteile, Zubehör, etc.) einer solchen Vorrichtung können nicht als selbstständige Eingriffsgegenstände einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden. Vielmehr wird insoweit von einem einheitlichen Eingriffsgegenstand auszugehen sein. Am Unrechtsgehalt einer verbotenen Ausspielung vermag der Umstand, dass ein Eingriffsgegenstand allenfalls aus mehreren Komponenten besteht, nichts zu ändern (vgl. erneut VwGH 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).
18 Im Revisionsfall wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH wegen der vierzehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit insgesamt 14 "Eingriffsgegenständen" bestraft. Aus dem Straferkenntnis ergibt sich aber kein Hinweis, wonach mit den sogenannten "Cash-Centern" (Übertretungen 9 bis 11) selbst Glücksspiele durchgeführt werden konnten. Vielmehr haben diese Geräte ausschließlich dazu gedient, Einsätze für Glücksspiele, die auf anderen Geräten durchgeführt wurden, entgegenzunehmen und allfällige Gewinne auszuzahlen. Da der bloße Betrieb dieser "Cash-Center" demnach noch keine Ausspielung darstellt, konnte damit allein auch nicht gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen werden. Auch hinsichtlich der dreifachen Bestrafung betreffend jeweils als eigene "Eingriffsgegenstände" behandelten Komponenten PC-Rechner, Monitor und Wettscheindrucker (Übertretungen 12 bis 14) wird sich das Landesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung auseinanderzusetzen haben.
19 Weiters ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschuldigte ein Recht darauf hat, dass im Spruch eines Straferkenntnisses ausschließlich die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist. Das Verwaltungsgericht hat daher, wenn der Spruch des behördlichen Strafbescheides - wie hier - unvollständig ist, diesen in seinem Abspruch zu ergänzen (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/09/0184).
20 Im vorliegenden Fall ist bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG. Das Landesverwaltungsgericht hat diese Anführung der Strafsanktionsnorm trotz ihres Fehlens im behördlichen Straferkenntnis im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nicht nachgeholt.
21 Das angefochtene Erkenntnis war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. April 2019
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