VwGH Ra 2017/17/0718

VwGHRa 2017/17/071815.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl und Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des B K in E, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 8. Juni 2017, LVwG 30.23-1072/2017-8, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal), zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 2014;
GSpG 1989 §12a Abs2;
GSpG 1989 §2 Abs3;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
VStG §51 Abs6;
VwGVG 2014 §42;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170718.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom 6. März 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten GmbH für den Tatzeitraum 1. Jänner bis 15. April 2016 der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild und Abs. 2 Glücksspielgesetz (GSpG) mit 13 näher bezeichneten "Eingriffsgegenständen" schuldig erkannt; es wurden über ihn 13 Geldstrafen in Höhe von je EUR 5.000,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass es den Tatzeitraum auf 1. Jänner bis 5. April 2016 einschränkte. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das LVwG aus, am 15. April 2016 sei in einem näher bezeichneten Lokal der GmbH von Organen der belangten Behörde eine Kontrolle nach dem GSpG durchgeführt worden. Dabei seien sieben namentlich bezeichnete Glücksspielgeräte (Geräte Z 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10), drei sogenannte "Cash-Center" (Geräte Z 3, 6, und 9) sowie ein Monitor (Gerät Z 11), ein PC-Rechner (Gerät Z 12), und ein Wettscheindrucker (Gerät Z 13) vorgefunden worden.

4 Die drei gegenständlichen "Cash-Center" seien jeweils zwischen zweien der genannten Glücksspielgeräte aufgestellt gewesen und hätten zur Aufbuchung von Guthaben auf diese Glücksspielgeräte durch Eingabe von Geldscheinen und zur Auszahlung allfälliger Gewinne gedient. Dabei habe jeweils am Display des "Cash-Centers" ausgewählt werden können, ob das Guthaben am linken oder rechten Gerät aufgebucht werde. Nur das Gerät Z 1 habe die Aufbuchung von Spielguthaben und die Auszahlung allfälliger Gewinne selbst durchgeführt.

5 Auf dem genannten Monitor seien in einer Abfolge von zwei Minuten aufgezeichnete Hunderennen abgespielt und das Glücksspielprogramm "Global Race Greyhounds" wiedergegeben worden. Die dabei angezeigten Quoten hätten multipliziert mit dem Wetteinsatz den in Aussicht gestellten Gewinn ergeben. Es habe mittels Mitteilung an den Kellner auf den Einlauf der Hunde gewettet werden können. Nach Übergabe eines entsprechenden "Wettguthabens" habe der Kellner über den Wettscheindrucker einen Bon ausgedruckt und nach Abschluss des Rennens einen allfälligen Gewinn ausbezahlt. Die für diese als Glücksspiel zu beurteilenden Vorgänge notwendigen Apparate (PC, Monitor und Wettscheindrucker) seien jedenfalls als Eingriffsgegenstände zu beurteilen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Das LVwG ist - wie auch die belangte Behörde - von 13 Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit jeweils einem Eingriffsgegenstand ausgegangen und hat die Verhängung von 13 Strafen dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, die in ihrem Zulässigkeitsvorbringen u. a. geltend macht, dass das LVwG sowohl die "Cash-Center" als auch Monitor, PC und Wettscheindrucker zu Unrecht als eigene Eingriffsgegenstände behandelt habe, weil mit diesen keine Ausspielungen hätten veranstaltet werden können. Diese Geräte stellten allenfalls technische Hilfsmittel dar. Zur Frage, was unter einem Eingriffsgegenstand zu verstehen sei, gebe es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Schon mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig.

Sie ist auch berechtigt.

9 Nach § 2 Abs. 1 GSpG sind Ausspielungen solche Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

10 Verbotene Ausspielungen sind nach § 2 Abs. 4 GSpG Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen sind.

11 Nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (i.d.F. BGBl. I Nr. 13/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. daran beteiligt.

12 Bei Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist nach § 52 Abs. 2 GSpG für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3.000 Euro bis zu 30.000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3.000 Euro bis zu 30.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6.000 Euro bis zu 60.000 Euro zu verhängen.

13 § 52 Abs. 2 GSpG findet nur dann Anwendung, wenn eine Übertretung nach Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit einem Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand erfolgt. Diese Bestimmung wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014), BGBl. I Nr. 13/2014, eingefügt. Nach dem Wortlaut und den Materialien zum AbgÄG 2014 soll mit Abs. 2 leg. cit. aus Gründen der General- und Spezialprävention eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes erfolgen und dabei insbesondere auf die Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände abgestellt werden (vgl. die ErläutRV 24 BlgNR XXV. GP  22 zum AbgÄG 2014). Je mehr Eingriffsgegenstände beim Verstoß nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwendet werden, desto schwerwiegender ist der Eingriff in das Glücksspielmonopol und desto höher ist die Strafdrohung. Eine verbotene Ausspielung, bei der beispielsweise in einem Lokal gleichzeitig zehn Glücksspielautomaten bespielt werden können, stellt jedenfalls einen stärkeren Eingriff in das Monopol dar als die Einzelaufstellung eines Glücksspielautomaten und soll daher insgesamt zu einer höheren Strafe führen.

14 Unbeschadet des Fehlens einer Legaldefinition ist unter "Eingriffsgegenstand" als Oberbegriff jedenfalls eine körperliche Sache zu verstehen, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, indem damit verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert, angeboten oder zugänglich gemacht werden. Darunter fallen etwa Glücksspielautomaten (§ 2 Abs. 3 GSpG), Video Lotterie Terminals (VLT, § 12a Abs. 2 GSpG), Roulettetische, Glücksräder oder Kartenspiele (vgl. auch die ErläutRV 368 BlgNR XX. GP 6 zu den §§ 53 bis 55 GSpG idF der Novelle 747/1996).

15 Nicht unter den Begriff des "Eingriffsgegenstandes" fallen hingegen Sachen, die lediglich als Komponente einer (technischen) Vorrichtung Verwendung finden, mit der einem Kunden die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wird, wie etwa Bildschirme, Stromkabel oder Graphikkarten. Diese Komponenten (Bestandteile, Zubehör, etc.) einer solcher Vorrichtung können nicht als selbständige Eingriffsgegenstände einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden. Vielmehr wird insoweit von einem einheitlichen Eingriffsgegenstand auszugehen sein. Am Unrechtsgehalt einer verbotenen Ausspielung vermag der Umstand, dass ein Eingriffsgegenstand allenfalls aus mehreren Komponenten besteht, nichts zu ändern.

16 Im Revisionsfall wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH für 13 Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit insgesamt 13 "Eingriffsgegenständen" bestraft. Weder aus dem Straferkenntnis noch aus der angefochtenen Entscheidung ergeben sich aber Hinweise, wonach mit den sogenannten "Cash-Center" (Geräte Z 3, 6, und 9) selbst Glücksspiele durchgeführt werden konnten. Vielmehr haben diese Geräte ausschließlich dazu gedient, Einsätze für Glücksspiele, die auf anderen Geräten durchgeführt wurden, entgegenzunehmen und allfällige Gewinne auszuzahlen. Da der bloße Betrieb dieser "Cash-Center" demnach noch keine Ausspielung darstellt, konnte damit allein auch nicht gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen werden, sodass sich eine diesbezügliche Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG als rechtswidrig erweist.

17 Dasselbe gilt für die ebenfalls als jeweils eigene Eingriffsgegenstände behandelten Komponenten Monitor (Gerät Z 11), PC-Rechner (Gerät Z 12) und Wettscheindrucker (Gerät Z 13), mit denen nach den Feststellungen des LVwG gemeinsam Hunderennwetten durchgeführt wurden. Es ist in einem solchen Fall, in dem drei Gegenstände verwendet werden, um jeweils eine einzige Ausspielung durchzuführen, von einem einzigen Eingriffsgegenstand auszugehen, sodass sich die in diesem Zusammenhang erfolgte dreimalige Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 GSpG ebenfalls als rechtswidrig erweist.

18 Im Übrigen ist - entgegen dem Revisionsvorbringen - hinsichtlich der verbleibenden Strafen (betreffend die Ausspielungen mit den Geräten Z 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10) von einer ausreichend konkretisierten Verfolgungshandlung durch die diesbezüglichen Spruchpunkte des erstinstanzlichen Straferkenntnisses auszugehen. Es ist nicht zu erkennen, dass der Revisionswerber der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder an der Wahrung seiner Rechtsschutzinteressen behindert gewesen wäre. Solches wird in der Revision auch nicht vorgebracht. Die Rüge, es sei in den jeweiligen Spruchpunkten nicht eindeutig angegeben worden, ob mit diesen Geräten virtuelle Walzenspiele oder (Wetten auf) virtuelle Hunderennen angeboten worden seien, geht schon deswegen ins Leere, weil auch bei Straferkenntnissen zur Deutung eines unklaren Spruches deren Begründung heranzuziehen ist (aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 14.2.2017, Ra 2016/02/0015). Aus der Begründung des Straferkenntnisses ergibt sich zweifelsfrei, dass auf den Geräten Z 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10 virtuelle Walzenspiele gespielt werden konnten. Es kann auch keine Rede davon sein, dass sich im Revisionsfall die Tatumschreibungen in einer bloßen Wiedergabe der verba legalia erschöpfen würden, wie dies die Revision behauptet. Es ist daher - entgegen dem Revisionsvorbringen - davon auszugehen, dass es sich bei dem am 13. März 2017 dem Revisionswerber zugestellten Straferkenntnis um eine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG handelt.

19 Die Revision macht auch einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius geltend, weil zwar der im Spruch des Landesverwaltungsgerichts angegebene Tatzeitraum gegenüber dem Tatzeitraum im Straferkenntnis eingeschränkt, das Strafausmaß aber beibehalten wurde.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 51 Abs. 6 VStG (i.d.F. vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013) ausgesprochen, dass bei einer zu Gunsten des Bestraften erhobenen Berufung das Verbot der "reformatio in peius" dazu führt, dass im Berufungsbescheid nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im Erstbescheid, sofern im Berufungsbescheid der Tatzeitraum reduziert wird und nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Erstbescheid (vgl. nur VwGH 21.2.2012, 2010/11/0245, mwN).

21 Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 2009 BlgNR 24. GP , 8) zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 entspricht das mit § 42 VwGVG festgelegte Verbot der reformatio in peius der aufgehobenen Bestimmung des § 51 Abs. 6 VStG. Die Grundsätze der genannten Rechtsprechung sind auch auf den vorliegenden Fall übertragbar (VwGH 23.6.2017, Ra 2016/08/0141, und 7.4.2017, Ro 2016/02/0009, mwN).

22 Die Einschränkung des Tatzeitraumes hätte aufgrund des Umstandes, dass das LVwG seiner Entscheidung dieselben Strafzumessungsgründe wie die belangte Behörde zugrunde gelegt hat, daher auch zu einer Verringerung des Strafausmaßes führen müssen (vgl. wieder VwGH 21.2.2012, 2010/11/0245). Indem dies unterblieben ist, hat das LVwG seine Entscheidung mit einer weiteren Rechtswidrigkeit belastet.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den genannten Gründen aufgrund der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Februar 2018

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