VwGH Ra 2018/09/0066

VwGHRa 2018/09/006613.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und Hofrat Dr. Doblinger sowie Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision der A F in A, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 1. Februar 2018, 405- 10/402/1/9-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
GSpG 1989 §50 Abs4 idF 2012/I/112;
GSpG 1989 §50 Abs4;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090066.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann vom 18. September 2017 wurde die Revisionswerberin schuldig erkannt, sie habe gegen eine Mitwirkungspflicht gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 iVm § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) verstoßen, weil sie als Inhaberin und Betreiberin eines näher bezeichneten Lokals nicht dafür gesorgt habe, dass eine Person im Lokal anwesend war, die den Verpflichtungen gegenüber den Organen der öffentlichen Aufsicht nachkommen konnte. Über sie wurde eine Geldstrafe in Höhe von 1.500,-- Euro (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 24 Stunden) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Salzburg als unbegründet abgewiesen und die Revisionswerberin zum Kostenersatz verpflichtet. Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aufgeworfenen Fragen und die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C- 3/17 , Rn. 28, 62 ff, sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

7 Soweit die Revisionswerberin moniert, es fehle Rechtsprechung zum Bedeutungsinhalt der Wortfolge "anwesende Person" in § 50 Abs. 4 GSpG ist Folgendes auszuführen:

8 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem Glücksspielgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

9 Zur Auslegung des Inhaltes dieser Bestimmung ist ihr Sinn und Zweck heranzuziehen. Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können. Ohne diese Pflichten wäre es den Behörden nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das Glücksspielgesetz festzustellen und entsprechend zu ahnden (vgl. VwGH 24.2.2014, 2013/17/0834). Bereits aus § 50 Abs. 4 GSpG ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber möglichst umfassende Mitwirkungspflichten vorsehen wollte. Diesen Verpflichtungen kann allerdings nur nachgekommen werden, wenn sich eine Person tatsächlich im Lokal aufhält. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "anwesend" sein, "an einem bestimmten Ort befindlich" zu sein (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Bd. 10, 4. Auflage 2010, Seite 111). In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, 1960, BlgNR 24. GP 51, wurde zu § 50 Abs. 4 zweiter Satz GSpG hervorgehoben, dass "eine anwesende Person" den Verpflichtungen nach dieser Bestimmung "stets in geeigneter Art und Weise im Zeitpunkt der Kontrolle nachkommen muss", daraus ergibt sich die Verpflichtung zur Anwesenheit einer solchen Person (vgl. 12.9.2018, Ra 2018/13/0067).

10 Nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes - und dem Revisionsvorbringen - hat sich im Zeitpunkt der Kontrolle weder die Revisionswerberin noch Personal, ein Verantwortlicher oder Mitarbeiter im Lokal befunden, obwohl die Eingangstüre zum Lokal nicht versperrt war. Weiters stellte es fest, dass sich im Lokal zwei "Hinweiszettel" befunden hätten. Einerseits sei darauf verwiesen worden, dass Gewinne ab sofort im "Spielzeugladen M" ausbezahlt würden und andererseits, dass es Jugendlichen unter 16 Jahren untersagt sei, alkoholische Getränke aus dem Automaten zu nehmen und zu konsumieren und Jugendliche unter 18 Jahren keine Sportwettautomaten betätigen dürften. Auf einem der "Anschläge" sei nach der Wortfolge "Der Betreiber:" eine Telefonnummer angegeben gewesen.

11 Wenn die Revision damit argumentiert, dass unter Zugrundelegung der beiden festgestellten, im Lokal befindlichen "Hinweiszetteln" der Verpflichtung als Inhaber nach § 50 Abs. 4 zweiter Satz GSpG entsprochen werde, wenn sich der Inhaber selbst nur wenige Meter in einem Nebenlokal befinde und hierauf unübersehbar im Lokal hingewiesen worden sei, ist dem zu entgegnen, dass sich aus den Aushängen gerade nicht ergibt, dass sich ein nach § 50 Abs. 4 GSpG Verantwortlicher in unmittelbarer räumlicher Nähe befunden habe. Weder der Hinweis auf die Gewinnauszahlung in einem näher genannten Laden noch die Telefonnummer des "Betreibers" lassen darauf schließen.

12 Davon ausgehend ist dem LVwG nicht entgegenzutreten, wenn es vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht annimmt.

13 Wenn die Revisionswerberin rügt, sie sei in tatsächlicher Hinsicht nicht verpflichtet, für die Anwesenheit einer Person zu sorgen, welche dazu verpflichtet gewesen wäre, gegen sie selbst den Schuldbeweis zu führen, übersieht sie, dass § 50 Abs. 4 GSpG die Verpflichtung des Veranstalters normiert, dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person den weiteren in dieser Bestimmung genannten Mitwirkungspflichten gegenüber Kontrollorganen nachkommt (vgl. VwGH 20.9.2018, Ra 2017/17/0809).

14 Dass die angefochtene Entscheidung von der hg. Rechtsprechung, wonach bei einer Kontrolle zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes (noch) keine Situation vorliegt, in der ein Aussageverweigerungsrecht im Falle der Selbstbezichtigung überhaupt zum Tragen kommt (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2017/17/0817, mwN), abweichen würde, legen die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.

15 Auch sonst werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

16 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2018

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