VwGH Ra 2018/09/0024

VwGHRa 2018/09/002420.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision der F Kft in S, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 8. Jänner 2018, LVwG-2- 24/2017-R8, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1 impl;
B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
GSpG 1989 §56a Abs1;
GSpG 1989 §56a Abs2;
GSpG 1989 §56a Abs3;
GSpG 1989 §56a;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090024.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 28. November 2017 erhob die revisionswerbende Partei beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg Maßnahmenbeschwerde gegen die "Anbringung von Amtssiegeln an der Eingangstür" durch die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde im Zuge einer Kontrolle eines von der revisionswerbenden Partei betriebenen Lokals nach dem Glücksspielgesetz "ab 26.04.2017". Ihr sei bislang kein schriftlicher Betriebsschließungsbescheid zugestellt worden. Die Monatsfrist gemäß § 56 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) sei daher abgelaufen und die Betriebsschließung außer Kraft getreten.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 in Verbindung mit § 31 VwGVG als verspätet zurück; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig. Dies begründete es in der Sache zusammengefasst damit, dass maßgeblich für den Fristenlauf bei einer Maßnahmenbeschwerde das Wissen des Betroffenen vom zu bekämpfenden Verwaltungsakt sei. Spätestens als die revisionswerbende Partei mit Schreiben vom 19. Juni 2017 die belangte Behörde ersucht habe, die Amtssiegel zu entfernen, sei sie von der gegenständlichen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Kenntnis gewesen. Die sechswöchige Beschwerdefrist sei demnach zum Zeitpunkt der Einbringung der Maßnahmenbeschwerde bereits abgelaufen gewesen. Ob ein Betriebsschließungsbescheid erlassen worden sei, könne hier dahinstehen. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende außerordentliche Revision.

4 Eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dass es sich beim Anbringen der Amtssiegel und der faktischen Entziehung der Verfügungsgewalt über das Lokal um ein Dauerdelikt handle. Es liege in dem Betriebsschließungsverfahren, in dem kein Betriebsschließungsbescheid ergehe, somit - wie bei einer Beschlagnahme - eine die gesamte Dauer umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (Hinweis auf VwGH 27.2.2013, 2012/17/0531, 0603, betreffend eine Beschlagnahme).

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt:

8 § 56a Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung

BGBl. I Nr. 118/2016, lautet (auszugsweise):

"Betriebsschließung

§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

..."

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine von der Behörde gemäß § 56a Abs. 1 GSpG verfügte Betriebsschließung - solange kein Bescheid gemäß § 56 Abs. 3 GSpG erlassen worden ist - als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen und mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar (vgl. etwa VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN). Wurde jedoch ein Betriebsschließungsbescheid erlassen, können die - bereits vorgenommenen - mit der Betriebsschließung zusammenhängenden faktischen Verfügungen nicht mehr mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden (siehe etwa zur Anbringung eines Amtssiegels VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).

10 Das Gleiche gilt für den Fall, dass die mündlich verfügte Betriebsschließung gemäß § 56a Abs. 2 GSpG aufgehoben wurde. Einer solchen Aufhebung kommt die Aufhebungsfiktion des § 56a Abs. 3 GSpG gleich (siehe VwGH 28.6.2016, Ra 2015/17/0114).

11 Galt aber die Maßnahme der Betriebsschließung - wie die revisionswerbende Partei selbst in ihrer Maßnahmenbeschwerde vorbrachte - mangels Erlassung eines Betriebsschließungsbescheids als aufgehoben, bezog sich diese Wirkung auch auf alle damit zusammenhängenden faktischen Verfügungen, die als Einheit zu werten sind (VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0060; 13.4.2018, Ra 2018/02/0038, jeweils zum Wiener Wettengesetz). Eine Aufhebung der bereits als aufgehoben anzusehenden Maßnahme erwiese sich in diesem Fall als rechtswidrig (ebenso VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0060).

12 Durch die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde durch das Verwaltungsgericht wurde die revisionswerbende Partei daher nicht in den von ihr geltend gemachten Rechten verletzt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den in der Revision zitierten, auf den vorliegenden Fall mangels Einschlägigkeit nicht anwendbaren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes über Schubhaftbeschwerden. Die in der Revision aufgeworfene Frage der Berechnung der Frist des § 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG bei einer mündlich angeordneten Betriebsschließung nach dem Glücksspielgesetz stellt sich im vorliegenden Fall somit nicht entscheidungswesentlich.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 20. September 2018

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