Normen
BauO OÖ 1994 §50 Abs2;
BauO OÖ 1994 §50 Abs4;
BauO OÖ 1994 §57 Abs1 Z11;
BauO OÖ 1994 §57 Abs2;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VwGG §30;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050019.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 9. April 2014 wurde der P GmbH als Eigentümerin die Verwendung des Nebengebäudes G 11 A auf dem näher angeführten Grundstück gemäß § 50 Abs. 2 und 4 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) untersagt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der Gemeinde L mit Bescheid vom 4. Juli 2014 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wurde mit Erkenntnis vom 23. März 2015 als unbegründet abgewiesen.
2 Dagegen wurde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diesem Antrag wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Mai 2015, E 799/2015-5, Folge gegeben. Mit Beschluss vom 11. Juni 2015, E 799/2015-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluss vom 30. Juli 2015, E 799/2015-11, an den Verwaltungsgerichtshof ab.
3 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 27. August 2015 wurde der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2017, Ra 2015/05/0065, wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 23. März 2015 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
4 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. März 2016 wurde der Revisionswerberin (gleichlautend mit der Strafverfügung vom 4. Februar 2016) zur Last gelegt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der P GmbH zu verantworten, dass zumindest am 12. Jänner 2016 eine baubehördliche Anordnung, und zwar der rechtskräftige Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 9. April 2014, nicht bescheidgemäß erfüllt worden sei, da im Erdgeschoß des Nebengebäudes eine Katzenquarantäne mit 8 bis 10 Katzen sowie drei Abteile für die Hundehaltung mit ca. 8 Hunden eingerichtet und betrieben worden seien. Somit sei das Nebengebäude weiterhin verwendet worden. Dadurch sei § 57 Abs. 1 Z 11 in Verbindung mit Abs. 2 BO verletzt worden. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 600,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Stunden, verhängt.
5 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht). Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass die Revisionswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 120,-- zu leisten habe (Spruchpunkt II.). Ferner wurde die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das Nebengebäude einen baurechtlichen Konsens für eine "Remise und Laufstall für Jungpferde" besitze. Die Verwendung des Nebengebäudes als Tierheim entspreche nicht dem Konsens. Eine Änderung des Verwendungszweckes sei dann bewilligungspflichtig, wenn zusätzliche schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten seien. Hierbei sei auf die abstrakte Möglichkeit, dass durch die bauliche Anlage öffentliche Interessen beeinträchtigt sein könnten, abzustellen. Alleine schon wegen der Unterbringungskapazität von 25 Katzen und 14 Hunden sowie der Einrichtung einer Quarantänestation sei eine immissionstechnische Beurteilung erforderlich.
7 Damit sei der objektive Tatbestand der zur Last gelegten Übertretung erfüllt. Daran könnten auch eine allfällige nachträgliche Bewilligung oder das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Sonderausweisung nichts ändern, weil zwischenzeitig ein konsensloser Zustand bestanden habe und niemand einen Anspruch auf eine bestimmte Sonderausweisung habe. Auch die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob eine solche Sonderausweisung überhaupt erforderlich sei, habe keine unmittelbare Auswirkung auf die objektive Konsenswidrigkeit des Betriebes des Tierheimes.
8 Im Ergebnis sei festzuhalten, dass durch das Vorbringen der Revisionswerberin nicht dargelegt worden sei, "weshalb der Betrieb eines Tierheimes den Untersagungsbescheid der Baubehörde vor dem Hintergrund des bestehenden Konsenses und dem (durch die eigene Antragstellung untermauerten) Erfordernis der baubehördlichen Bewilligung einer derartigen Änderung des Verwendungszwecks mit Rechtswidrigkeit (behafte)". Der Untersagung sei nicht entsprochen worden.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufzuheben.
10 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine "Revisionsbeantwortung" und beantragte, der Revision stattzugeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Rechtmäßigkeit der Bestrafung wegen Zuwiderhandelns gegen einen Bescheid, der mit Revision bekämpft worden war, welcher aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, zulässig.
12 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bestrafung wegen der Nichtbefolgung des baupolizeilichen Auftrages rechtswidrig sei, weil dieser niemals vollstreckbar gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe erkennen lassen, dass es die Verwendung des Nebengebäudes für nicht konsensgemäß halte, und aus diesem Grund die Bestrafung bestätigt. Im Straferkenntnis sei es jedoch um den Verstoß gegen das vom Bürgermeister ausgesprochene Benützungsverbot gegangen. Zum Tatzeitpunkt sei ein Verstoß gegen diesen Bescheid nicht strafbar gewesen, weil dieser "nicht vollstreckbar/verbindlich" gewesen sei, weil sowohl der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch der Revision an den Verwaltungsgerichtshof jeweils die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.
13 Des Weiteren werden die Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die unzureichende Begründung des Erkenntnisses und Feststellungsmängel vorgebracht.
14 § 50 Oö. Bauordnung 1994 (BO), LGBl. Nr. 66, in der Fassung LGBl. Nr. 34/2013 lautet auszuweise:
"§ 50 Benützung baulicher Anlagen
...
(2) Darüber hinaus dürfen bauliche Anlagen, für die eine Baubewilligung erteilt wurde, nur entsprechend dieser Bewilligung sowie entsprechend den Auflagen und Bedingungen dieser Bewilligung benützt werden.
...
(4) Erlangt die Baubehörde Kenntnis, daß eine bauliche Anlage nicht entsprechend Abs. 2 benützt wird, hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die dem Abs. 2 widersprechende Benützung zu untersagen. Dies gilt nicht für Änderungen, die keiner Bewilligung nach § 24 Abs. 1 Z 3 bedürfen.
..."
§ 57 BO in der Fassung LGBl. Nr. 34/2013 lautet auszuweise:
"§ 57 Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer
...
2. als Bauherr oder Bauherrin oder Bauführer oder Bauführerin ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausführt oder vom bewilligten Bauvorhaben entgegen den Vorschriften des § 39 Abs. 2 bis 4 abweicht;
...
11. baubehördliche Anordnungen nicht bescheidgemäß erfüllt;
...
(2) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis 36.000 Euro, in den Fällen des Abs. 1 Z 2, 7 und 14 mit Geldstrafen von 1.450 Euro bis 36.000 Euro zu bestrafen. ...
..."
15 Die im gegenständlichen Straferkenntnis zur Last gelegte Tat hat zum Gegenstand, dass am 12. Jänner 2016 der baubehördlichen Anordnung der Untersagung der Benützung des Nebengebäudes nicht entsprochen worden sei. Gegen das Benützungsverbot war aber Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden, wobei der Revision mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 27. August 2015 aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes in der betreffenden Rechtssache erging am 26. September 2017. Im angelasteten Tatzeitpunkt war somit die aufschiebende Wirkung aufrecht.
16 Die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung einer beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Revision bewirkt, dass der "Vollzug" der angefochtenen Entscheidung in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also ihre Vollstreckbarkeit und die durch sie bewirkte Gestaltung der Rechtslage, ihre Tatbestandswirkungen und ihre Bindungswirkungen zum Zwecke der Sicherung eines möglichen Erfolges der Revision gemäß § 63 Abs. 1 VwGG suspendiert werden. Bis zur Entscheidung über die Revision dürfen aus der angefochtenen Entscheidung keine für den Revisionswerber nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden (vgl. VwGH 13.1.2015, Ra 2014/09/0007, mwN). Daher entfällt auch die Strafbarkeit des Zuwiderhandelns gegen die angefochtene Entscheidung (vgl. VwGH 26.9.2007, AW 2007/05/0066). Eine Bestrafung der Revisionswerberin wegen Zuwiderhandelns gegen das Benützungsverbot im Tatzeitpunkt kommt folglich nicht in Betracht.
17 Auch die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass die Nutzung des Nebengebäudes nicht konsensgemäß gewesen sei, geht schon deshalb ins Leere, weil spruchgemäß ausschließlich das Zuwiderhandeln gegen das Benützungsverbot angelastet wurde. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung, ist und außerdem ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN).
18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 25. September 2018
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