VwGH Ra 2018/05/0003

VwGHRa 2018/05/000323.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision 1. des J M und

2. der M M, beide in L, beide vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 13. Oktober 2017, LVwG-AV-1046/001-2017, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf baupolizeiliche Überprüfung und Verfügung eines Baustopps nach der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeindevorstand der Marktgemeinde L; mitbeteiligte Partei:

H B in L; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 2014 §29;
BauO NÖ 2014 §34 Abs2;
BauO NÖ 2014 §35;
BauO NÖ 2014 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 2014 §6 Abs1;
BauO NÖ 2014 §6 Abs2;
BauO NÖ 2014 §6;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2017/05/0096, mwN).

5 Ferner ist nach der ständigen hg. Rechtsprechung in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Erkenntnissen nicht ausreicht. Ebenso reicht die bloße Nennung von hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. zum Ganzen nochmal die oben genannte hg. Entscheidung).

6 Auch fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 26.9.2017, Ra 2016/05/0090, mwN).

7 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, das Landesverwaltungsgericht sei in der vorliegenden Entscheidung zur Frage der Zuerkennung der Parteistellung an Nachbarn im Sinne des § 6 NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: BO) "im Spannungsverhältnis zwischen einem Baubewilligungsverfahren nach § 14 (BO) und/oder lediglich einem Bauanzeigeverfahren im Sinne des § 15 (BO)" von der Judikatur des VwGH abgewichen. Dieser erkenne einem Grundstücksnachbarn, der von einem auf dem Nachbargrundstück geführten Bauverfahren betroffen sei, wenn der Konsenswerber rechtswidrig lediglich eine Bauanzeige im Sinne des § 15 BO eingebracht habe, obwohl eigentlich aufgrund der rechtlichen Voraussetzung ein Baubewilligungsverfahren im Sinne des § 14 leg. cit. hätte abgeführt werden müssen, die Parteistellung in einem diesbezüglich anhängig gemachten Verfahren zu. Der Grundstücksnachbar habe ein subjektiv-öffentliches Interesse daran, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen auch tatsächlich ein Baubewilligungsverfahren im Sinne des § 14 leg. cit. geführt werde, in welchem er seine Rechte nach § 6 leg. cit. geltend machen könne.

8 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden unter Spruchpunkt 1. (in Abänderung des Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde L. vom 16. Februar 2017) die Anträge der Revisionswerber vom 15. Juli 2016 auf baupolizeiliche Überprüfung bzw. Verfügung eines Baustopps betreffend das in der Bauanzeige der mitbeteiligten Partei vom 12. Mai 2015 enthaltene Projekt als unzulässig zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses wurde eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

10 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht (u.a.) aus, dass die mitbeteiligte Partei bei der Baubehörde die beabsichtigte Errichtung einer Einfriedung auf einem näher genannten Grundstück angezeigt habe, die Revisionswerber (als Anrainer) mit Eingabe vom 15. Juli 2017 bei der Baubehörde einen sofortigen Baustopp verlangt hätten, weil ihre Vereinbarung mit der mitbeteiligten Partei in Bezug auf die Höhe dieser Einfriedung nicht eingehalten würde, und sie mit der zusätzlichen Eingabe vom 15. Juli 2017 die baupolizeiliche Überprüfung dieser Grundstückseinfriedung sowie (nochmals) die Verfügung eines sofortigen Baustopps beantragt hätten. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Landesverwaltungsgericht die Auffassung, dass die Revisionswerber damit einen Antrag gemäß § 29 Abs. 1 BO gestellt hätten, die Frage, ob ein Nachbar in einem Baueinstellungsverfahren Parteistellung besitze, nach § 6 Abs. 1 leg. cit. zu beurteilen sei und diese Gesetzesbestimmung einem Nachbarn für ein Baueinstellungsverfahren gemäß § 29 leg. cit. keine Parteistellung einräume, sodass die Anträge der Revisionswerber zurückzuweisen seien. Aber selbst wenn man diese Anträge vom 15. Juli 2016 entgegen ihrem eindeutigem Wortlaut als solche nach § 34 leg. cit. oder § 35 leg. cit. ansehen wollte und im Hinblick auf den Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 leg. cit. eine Parteistellung der Revisionswerber als Nachbarn zu prüfen wäre, hätten sie nicht die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes nach § 6 Abs. 2 leg. cit. behauptet und demnach keine Parteistellung erlangt.

11 Das Landesverwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 29.3.2017, Ra 2015/05/0051, mwN). Zufolge § 70 Abs. 10 BO, LGBl. Nr. 1/2015, in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung LGBl. Nr. 50/2017 waren die Anträge der Revisionswerber vom 15. Juli 2016 nach der BO in der Fassung LGBL. Nr. 37/2016 zu beurteilen.

12 Für die Beantwortung der Frage der Zulässigkeit dieser Anträge ist § 6 BO, der die Parteistellung im Bauverfahren regelt, maßgeblich (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 10.7.2017, Ro 2016/05/0007, 0008, Rn. 42 bis 44, 46). Nach § 6 Abs. 1 erster Satz leg. cit. haben Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 leg. cit. - abgesehen von Baubewilligungsverfahren - nur in baupolizeilichen Verfahren nach § 34 Abs. 2 und § 35 leg. cit. Parteistellung und diese auch nur dann, wenn sie die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach einer dieser Gesetzesbestimmungen wegen der Verletzung eines subjektivöffentlichen Nachbarrechtes im Sinne des § 6 Abs. 2 leg. cit. beantragt haben (vgl. auch dazu nochmals VwGH 10.7.2017, Ro 2016/05/0007, 0008, Rn. 47). Für ein Baueinstellungsverfahren gemäß § 29 BO räumt der klare Wortlaut des § 6 leg. cit. einem Nachbarn keine Parteistellung ein. Diese vom Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis vertretene Rechtsauffassung steht daher mit dem Gesetzeswortlaut im Einklang.

13 Die Revision geht in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf die genannte Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes nicht ein. Mit dem nur allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen, dass das Landesverwaltungsgericht in der vorliegenden Entscheidung zur Frage der Zuerkennung der Parteistellung an Nachbarn "im Spannungsverhältnis zwischen einem Baubewilligungsverfahren und/oder lediglich einem Bauanzeigeverfahren" von der Judikatur des VwGH abgewichen sei und dieser einem von einem auf dem Nachbargrundstück geführten Bauverfahren betroffenen Grundstücksnachbarn, wenn der Konsenswerber rechtswidrig lediglich eine Bauanzeige eingebracht habe, die Parteistellung in einem "diesbezüglich anhängig gemachten Verfahren" zuerkenne, stellt die Revision somit schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, weil es im vorliegenden Verfahren um ein auf Antrag eingeleitetes baupolizeiliches Verfahren geht, zumal es nicht ausreicht, ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zu behaupten, ohne hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl anzuführen und eine konkrete Abweichung konkret sachverhaltsbezogen aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 26.9.2017, Ra 2017/05/0229). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG aber nicht berufen (vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0270, 0271, mwN).

14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2018

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