VwGH Ra 2018/04/0092

VwGHRa 2018/04/009212.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrat Dr. Kleiser und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision 1. der W GmbH und

2. der L GmbH, beide in Premstätten, beide vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. Februar 2018, Zl. LVwG 43.21-2625/2015-13, betreffend Verfahren wegen Betriebsanlagengenehmigung gemäß GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. W S und 2. B S, beide in G, beide vertreten durch Dr. Gerhart Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13), den Beschluss gefasst:

Normen

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040092.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Die Revisionswerberinnen betreiben eine seit 29.10.1990 gewerberechtlich genehmigte Betriebsanlage für das Güterbeförderungs- und Speditionsgewerbe.

2 2. Mit Antrag vom 11.11.2013 wurde von einer dritten Person um Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung gemäß § 77 GewO 1994 für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für das Güterbeförderungsgewerbe in einer bestimmt bezeichneten Form angesucht, wobei dieses Vorhaben auf einem ausgegliederten Teil des Grundstückes, auf welchem sich die Betriebsanlage der Revisionswerberinnen befindet, verwirklicht werden sollte.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3.7.2015 wurde dieses Ansuchen gemäß §§ 74, 77 GewO 1994 bewilligt.

4 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde aus Anlass der gegen den Genehmigungsbescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Parteien der bekämpfte Bescheid behoben und der Antrag auf Erteilung der gewerberechtlichen (Neu)Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für das Güterbeförderungsgewerbe auf den dort näher bezeichneten Grundstücken zurückgewiesen.

5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, mit Anbringen vom 19.10.2017 hätten die Revisionswerberinnen gemeinsam mit der ursprünglichen Antragstellerin bekannt gegeben, dass nunmehr die Revisionswerberinnen als Anlagenbetreiberinnen in das Genehmigungsverfahren eintreten würden. Es sei das anhängige Genehmigungsverfahren daher mit den Revisionswerberinnen fortzuführen.

6 Der Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage postuliere, dass mehrere einer gewerblichen Tätigkeit dienende Einrichtungen am selben Standort in ihrer Gesamtheit eine Betriebsanlage bilden würden. Im Falle des Bestehens einer rechtskräftig genehmigten Anlage stelle die Errichtung bzw. Inbetriebnahme einer mit dieser in Zusammenhang stehenden Einrichtung allenfalls eine genehmigungspflichtige Änderung dieser Anlage dar. Neben funktionellen Gesichtspunkten sei bei der Beurteilung, ob es sich um eine einheitliche Betriebsanlage handle, auf den räumlichen Zusammenhang und die Identität des Inhabers abzustellen. Es bestehe zwischen der bestehenden genehmigten Betriebsanlage der Revisionswerberinnen und dem Projekt, das den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens bilde, sowohl ein sachlicher als auch ein räumlicher Zusammenhang. Aufgrund des Wechsels in der Person der Projektwerberin sei an dem genannten Standort nunmehr von einer Betreiberidentität in Bezug auf die benachbarte Betriebsanlage auszugehen, sodass die Argumente für eine organisatorische Trennung wegfallen würden. Eine eigenständige Neugenehmigung könne wegen des Grundsatzes der Einheit der Betriebsanlage für das Vorhaben nicht bewilligt werden.

7 Aufgrund der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage wären die Revisionswerberinnen nicht zur Antragstellung einer Genehmigung im Sinne der §§ 74, 77 Abs. 1 GewO 1994 legitimiert. Vielmehr müssten diese einen Antrag auf Änderung der bestehenden genehmigten Betriebsanlage stellen.

8 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig. 9 4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision mit

dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

10 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 5.1. Zur Begründung der Zulässigkeit führen die Revisionswerberinnen aus, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob der Eintritt eines neuen Genehmigungswerbers den ursprünglich zulässigen Antrag auf Erstgenehmigung gemäß § 77 GewO 1994 unzulässig machen könne, weil nur noch ein Antrag auf Änderungsgenehmigung gestellt werden dürfe.

14 5.2. Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994 ist nach ständiger Rechtsprechung die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung und Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. VwGH 14.11.2007, 2005/04/0300, mwN).

15 Dass das Verwaltungsgericht die Änderung der für die rechtliche Beurteilung relevanten Sachlage - fallbezogen die Änderung in der Person der Genehmigungswerberin - in seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen. Danach hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts sind also zu berücksichtigen (vgl. VwGH vom 27.4.2017, Ra 2016/11/0123, mit Verweis auf VwGH vom 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, mwN).

16 Dass das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sachverhalts die Rechtsfrage des Vorliegens einer einheitlichen Betriebsanlage unrichtig beurteilt hätte, bringt die Revision nicht vor.

17 Die zur Begründung der Zulässigkeit vorgebrachte Rechtsfrage ist daher bereits geklärt.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. April 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte