VwGH Ra 2016/11/0123

VwGHRa 2016/11/012327.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Grieskirchen Wels in 4601 Wels, Dragonerstraße 31, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Juni 2016, Zl. LVwG-301061/5/KLi/TK - 301062/2, betreffend Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels - Land; mitbeteiligte Parteien: 1. M S, 2. N S, beide in M, beide vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Museumstraße 25/Quergasse 4), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §67a Abs4
AVRAG 1993 §7l
AVRAG 1993 §7m
AVRAG 1993 §7m Abs1
AVRAG 1993 §7m Abs3
AVRAG 1993 §7m Abs6
EStG 1988 §82a Abs4
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016110123.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels - Land, der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (iF auch: BH), vom 21. April 2016 war den Mitbeteiligten gemäß § 7m Abs. 2 und 3 AVRAG über Antrag der Revisionswerberin der Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.500,-- aufgetragen worden.

2 Diese Entscheidung stützte die BH auf folgende Erwägungen:

Im Zuge einer Kontrolle einer näher genannten Baustelle in Marchtrenk am 18. April 2016 durch Organe der Abgabenbehörde seien Arbeitnehmer des Unternehmens P s.r.o. (iF: P) mit Sitz in Tschechien einer Kontrolle unterzogen worden, bei der festgestellt worden sei, dass von P näher genannte Bestimmungen des AVRAG missachtet worden seien, weil näher konkretisierte Unterlagen nicht bereitgehalten worden seien. Die Mitbeteiligten hätten P mit der Ausführung von Betonarbeiten zur Errichtung eines Zauns beauftragt und seien folglich Auftraggeber dieses Unternehmens. Ein Organ der Finanzpolizei habe nach der Kontrolle, am 18. April 2016, vor Ort einen Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG verfügt und noch am selben Tag bei der BH die Erlegung einer Sicherheit durch die Mitbeteiligten beantragt.

3 Auf Grund der Ermittlungen der Finanzpolizei bestehe jedenfalls der begründete Verdacht mehrerer Verwaltungsübertretungen nach dem AVRAG. Dem Antrag auf Erlegung einer Sicherheit sei daher stattzugeben gewesen, weil die P ihren Sitz in Tschechien habe und dieser Staat systematisch die Vollstreckung gegen juristische Personen verweigere, weshalb von einer Unmöglichkeit der Strafverfolgung und des Strafvollzugs ausgegangen werden müsse.

4 Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde, in der sie u.a. vorbrachten, auf Grund der ihnen erst durch die Überprüfung der P durch die Finanzpolizei bekannt gewordenen Unzulänglichkeiten, auf Grund der nicht vollständig vorhandenen Unterlagen und wegen des Umstands, dass Liefer- und Montagetermine nicht eingehalten werden hätten können, mit 22. April 2016 vom Vertrag zurückgetreten zu sein. Mit P sei zudem vereinbart worden, dass bereits geliefertes Material abgeholt werde, was zwischenzeitig auch geschehen sei, und dass die Mitbeteiligten für die bereits erbrachten Teilleistungen keinen Werklohn schuldeten. Es werde daher seitens der Mitbeteiligten im Sinne des § 7m Abs. 3 AVRAG kein Werklohn an P geschuldet, weshalb der Auftrag zum Erlag einer Sicherheit im Umfang eines noch zu leistenden Werklohns zu Unrecht erfolgt sei.

5 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wurde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der die Revisionswerberin irrtümlich nicht ordnungsgemäß geladen worden war - der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

6 Dem legte das Verwaltungsgericht Folgendes zu Grunde:

7 Die Mitbeteiligten hätten P beauftragt, gegen einen Werklohn von EUR 5.500,-- bei ihrem privaten Haus in M einen Gartenzaun zu errichten. P habe - nach Besichtigung der Baustelle samt Vermessung und Legung eines Angebots - am 18. April 2016 mit den Bautätigkeiten begonnen, wobei vereinbart gewesen sei, dass der Werklohn erst nach gänzlicher Fertigstellung des Zauns fällig sei. Anlässlich der durch Organe der Finanzpolizei am 18. April 2016 durchgeführten Kontrolle sei ein Zahlungsstopp verfügt worden. Gegenüber den Mitbeteiligten sei in weiterer Folge der angefochtene Bescheid vom 21. April 2016 ergangen. Nach der finanzpolizeilichen Kontrolle habe die Erstmitbeteiligte telefonisch Kontakt mit dem Geschäftsführer des Unternehmens P aufgenommen und ihn mit den Vorwürfen konfrontiert. Dieser habe versucht, sie zu vertrösten und vorgebracht, dass der Verdacht unbegründet sei, dennoch hätten die Mitbeteiligten den Beschluss gefasst, vom Vertrag zurücktreten zu wollen. Dies deshalb, weil ihnen die Situation überaus unangenehm gewesen sei, zumal die Kontrolle durch die Finanzpolizei und das Vorfahren der Polizei mit Blaulicht Aufmerksamkeit in der Nachbarschaft erweckt hätten und weil die Mitbeteiligten kein Unternehmen beschäftigen wollten, das die österreichischen Gesetze nicht einhalte. "Daraufhin" seien die Mitbeteiligten vom Vertrag zurückgetreten, und es sei von der Erstmitbeteiligten auch eine schriftliche Abwicklungsvereinbarung verfasst worden. Es sei vereinbart worden, dass der Vertrag aufgehoben werde, sämtliches auf der Baustelle befindliches Material abgeholt werde und lediglich vier bereits verarbeitete und einbetonierte Zaunsteher auf der Baustelle verbleiben sollten, die entschädigungslos in das Eigentum der Mitbeteiligten übergehen sollten. Wegen der Rückabwicklung des Vertrags sei kein Werklohn bezahlt worden und werde auch keiner mehr geschuldet.

8 Beweiswürdigend verwies das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die Einvernahme der Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Akteninhalt.

9 Im Rahmend der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid sei aufzuheben gewesen, weil kein offener Werklohnanspruch mehr bestehe, was nach § 7m Abs. 3 AVRAG aber Voraussetzung für den Erlag einer Sicherheitsleistung sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte (außerordentliche) Amtsrevision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die - auf § 7m Abs. 2 letzter Satz AVRAG gestützte - Revision ist aus den von ihr geltend gemachten Gründen zulässig; sie ist aber nicht begründet.

12 Die Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen geltend, es fehle an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu einem für den vorliegenden Fall relevanten Tatbestandselement des § 7m Abs. 3 AVRAG (" ... den noch zu leistenden Werklohn"), nämlich zu den Rechtsfolgen einer dem Zahlungsstopp und dem Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung zeitlich nachfolgenden Vertragsauflösung; zudem sei das Verwaltungsgericht insofern von der ständigen Judikatur abgewichen, als es der Revisionswerberin durch Unterlassung der Ladung zur mündlichen Verhandlung kein Parteiengehör (insbesondere zur zeitlichen Abfolge von Zahlungsstopp und Rückabwicklung des Vertrags) gewährt habe.

13 Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl. I Nr. 152/2015 (AVRAG), lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Vorläufige Sicherheit

§ 7l. Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, sind die Organe der Abgabenbehörden ermächtigt, eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festzusetzen und einzuheben. Soweit der Tätigkeitsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betroffen ist, ist diese über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit zu verständigen. Der/Die im § 7b Abs. 1 Z 4 genannte Beauftragte gilt als Vertreter/in des/der Arbeitgeber/in, falls dieser/diese oder ein von ihm/ihr bestellter Vertreter bei der Amtshandlung nicht anwesend ist. Auf nach dem ersten Satz eingehobene vorläufige Sicherheiten sind die §§ 37a Abs. 3 bis 5 und 50 Abs. 6 erster Satz und Abs. 8 VStG sinngemäß anzuwenden. Mit der Überweisung nach § 7m Abs. 3 oder der Erlegung einer Sicherheit nach § 7m Abs. 8 ist eine Beschlagnahme aufzuheben.

Sicherheitsleistung - Zahlungsstopp

§ 7m. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach § 7f sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). § 50 Abs. 6 erster Satz VStG findet sinngemäß Anwendung. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs. 3 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Leistet der/die Auftragnehmer/in oder der/die Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs. 3 ist einzustellen.

(2) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs. 1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(3) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§ 37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

(4) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

(5) Die Überweisung nach Abs. 3 wirkt für den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in gegenüber dem/der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend.

(6) Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in ist verpflichtet, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohnes oder des Überlassungsentgeltes bekannt zu geben. Können aus dem noch zu leistenden Werklohn oder Überlassungsentgelt die Sicherheitsleistung sowie der sich aus § 67a ASVG und § 82a EStG ergebende Haftungsbetrag nicht bedeckt werden, kann der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in von seinem Recht zur Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§ 67c ASVG) jedenfalls Gebrauch machen.

(7) Beschwerden gegen Bescheide nach Abs. 3 haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den/die Auftragnehmer/in oder den/die Überlasser/in verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde. In Verfahren nach § 7i Abs. 5 findet der erste Satz Anwendung mit der Maßgabe, dass die Sicherheit für frei zu erklären ist, wenn nicht binnen zwei Jahren der Verfall ausgesprochen wurde. Die Sicherheit ist auch dann für frei zu erklären, wenn sie vom/von der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in erlegt wird. Frei gewordene Sicherheiten sind an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen.

(9) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald sich die Strafverfolgung des Auftragnehmers oder der Aufragnehmerin oder des Überlassers oder der Überlasserin oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. § 17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.

..."

14 Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass begründeter Verdacht einer Verwaltungsübertretung iSd § 7m Abs. 1 bzw. Abs. 3 AVRAG sowohl bei Verhängung des Zahlungsstopps als auch bei Erlassung des Bescheids vom 21. April 2016, mit dem seitens der BH den Mitbeteiligten der Erlag der Sicherheitsleistung aufgetragen worden war, vorlag. Ebenso wenig strittig ist, dass auf Grund näher dargelegter Gründe in der Person des Auftragnehmers (der P) anzunehmen war, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug zumindest wesentlich erschwert sein werde.

15 Strittig ist vielmehr, ob der seitens der Mitbeteiligten erfolgte Rücktritt vom Werkvertrag und dessen daraufhin erfolgte einvernehmliche Auflösung durch die Vertragspartner (die Mitbeteiligten als Werkbesteller und P als Werkunternehmer) einem Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung (bzw. dessen Bestätigung durch das im Beschwerdeweg angerufene Verwaltungsgericht) entgegensteht (weil auf Grund der Vertragsauflösung kein Werklohn mehr zu entrichten war), oder ob bei der vorzunehmenden Beurteilung auf den Zeitpunkt der Verhängung des Zahlungsstopps abzustellen ist, zu dem der Werkvertrag noch nicht aufgelöst war (wovon die Revisionswerberin ausgeht).

16 Was die von der Revisionswerberin geltend gemachten Verfahrensmängel (im Wesentlichen die Unterlassung der gehörigen Ladung zur mündlichen Verhandlung) anlangt, ist Folgendes festzuhalten:

17 Das Verwaltungsgericht ist (zumindest erkennbar) - im Einklang mit dem entsprechenden Vorbringen der Mitbeteiligten - davon ausgegangen, dass Rücktritt vom Vertrag und einvernehmliche Vertragsauflösung erst nach Verhängung des Zahlungsstopps und nach Zustellung des Bescheids der BH, mit dem der Erlag der Sicherheitsleistung aufgetragen wurde, erfolgten, also von eben jener zeitlichen Konstellation, von der auch die Revisionswerberin ausgeht. Von daher kommt dem geltend gemachten Verfahrensmangel keine Relevanz zu.

18 Der rechtlichen Beurteilung ist also (wie ohnehin schon vom Verwaltungsgericht angenommen) zu Grunde zu legen, dass Vertragsrücktritt bzw. -auflösung erst nach der Verhängung des Zahlungsstopps und der Zustellung des Bescheids vom 21. April 2016 erfolgten.

19 Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist einleitend festzuhalten, dass § 7m Abs. 3 AVRAG die Behörde dazu ermächtigt aufzutragen, "den noch zu leistenden Werklohn" binnen einer angemessenen Frist als Sicherheit zu erlegen (in gleicher Weise bezieht sich der nach Abs. 1 zu verhängende Zahlungsstopp ebenso auf den noch zu leistenden Werklohn).

20 § 7m Abs. 4 bestimmt, dass als Werklohn das gesamte für die Erfüllung des Auftrags zu leistende Entgelt gilt, § 7m Abs. 6 begrenzt die Höhe der Sicherheitsleistung mit dem Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe und verpflichtet den Auftraggeber, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde dieser die Höhe und Fälligkeit des Werklohns bekannt zu geben.

21 § 7m Abs. 1 AVRAG sichert mit der Verhängung eines Zahlungsstopps die Wirksamkeit des späteren Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung insofern ab, als ein entgegen dem Zahlungsstopp entrichteter Werklohn im Verfahren nach Abs. 3 als nicht geleistet gilt.

22 Das Instrument der Sicherheitsleistung wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 24/2011 (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, LSB-G) - damals in § 7k - eingeführt. § 7k Abs. 1 AVRAG idF der Novelle BGBl. I Nr. 24/2011 ermöglichte damit - bei begründetem Verdacht einer näher genannten Verwaltungsübertretung und Gründen für die Annahme, Strafverfolgung oder Strafvollzug seien unmöglich oder wesentlich erschwert - der Bezirksverwaltungsbehörde, dem Auftraggeber durch Bescheid aufzutragen, "einen Teil des noch zu leistenden Werklohnes" als Sicherheit zu erlegen.

23 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 (Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz 2014, ASRÄG 2014) erhielten die §§ 7d bis 7o AVRAG die für den Revisionsfall maßgebliche Fassung. Abgesehen von einer Ausweitung des Katalogs der Verwaltungsübertretungen, deren Ahndung durch den Erlag einer Sicherheitsleistung gesichert werden kann, erfolgte mit dieser Novelle (soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung) eine Änderung dahin, dass nunmehr eine Sicherheitsleistung bis zur Gesamthöhe des Werklohns (bzw. des Überlassungsentgelts) zulässig ist, während diese früher nur einen Teil des noch zu leistenden Werklohns bzw. Überlassungsentgelts erfassen konnte. Die in den Materialien angesprochene "Nachschärfung" (RV 319 BlgNR, 25. GP ) erfolgte zudem dadurch, dass die kontrollierenden Stellen nunmehr gegen den inländischen Auftraggeber zunächst einen Zahlungsstopp (zwecks Sicherung des späteren, durch Bescheid zu verhängenden Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung) verfügen können.

24 Die Erläuterungen (RV 319 BlgNR, 25. GP ) zu § 7m AVRAG führen zu diesem neuen Instrument Folgendes aus:

"Zu § 7m AVRAG:

Das bisherige Instrument der Sicherheitsleistung wird um einen Zahlungsstopp erweitert. Mit diesem kann bei Vorliegen der gleichen Voraussetzungen wie für die Sicherheitsleistung (dazu unten zur Sicherheitsleistung) dem/der Auftraggeber/in oder dem/der Beschäftiger/in schriftlich aufgetragen werden, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen. Durch die sinngemäße Anwendung des § 50 Abs. 6 erster Satz VStG wird klargestellt, dass gegen den Zahlungsstopp ein Rechtsmittel nicht zulässig ist. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Der Zahlungsstopp soll verhindern, dass nach einer Kontrolle Zahlungen erfolgen, die dem Auftrag einer Sicherheitsleistung entgegenstehen. Im Zahlungsstopp ist ein bestimmter Betrag zu nennen. Dieser darf aufgrund des Sicherungsinteresses nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Vor dem Auftrag des Zahlungsstopps ist eine Eruierung der Höhe des noch zu leistenden Werklohns oder des noch zu leistenden Überlassungsentgelts durch die Kontrollbehörden nicht erforderlich. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Um die Wirksamkeit des Zahlungsstopps zu sichern, wird normiert, dass eine entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlung im Verfahren betreffend eine Sicherheitsleistung als nicht geleistet gilt. Schließlich wird für die Fälle, dass der/die Auftragnehmer/in oder Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem leistet, vorgesehen, dass der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben und ein allfälliges Verfahren betreffend eine Sicherheitsleistung einzustellen ist.

Mit dem im Abs. 2 normierten Verfahrensablauf und insbesondere mit dem vorgesehenen außer Kraft treten des Zahlungsstopps für den Fall, dass nach Verhängung des Zahlungstopps nicht binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 beantragt wird, ist sichergestellt, dass entweder über den mit dem Zahlungsstopp verbundenen Eingriff rasch eine behördliche Entscheidung getroffen wird oder eben der Zahlungsstopp hinfällig wird. Bei Stellung des Antrags auf Erlegung einer Sicherheit bedarf es keiner Anzeige im Sinne des § 7e Abs. 3 mit der Beantragung eines bestimmten Strafausmaßes. Im Verfahren nach Abs. 3 haben die antragstellenden Einrichtungen Parteistellung.

...

Die Sicherheitsleistung ist nun nicht mehr nur auf einen Teil des Werklohns oder Überlassungsentgelts beschränkt, sondern kann den gesamten Werklohn oder das gesamte Überlassungsentgelt umfassen. Neben § 37 VStG wird auch § 37a VStG als unanwendbar erklärt. Die Sicherheitsleistung ist wie bisher dem/der unmittelbaren Auftraggeber/in des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin (Auftragnehmers/Auftragnehmerin) aufzuerlegen.

Im Abs. 6 wird für die Höhe der Sicherheitsleistung lediglich festgelegt, dass sie nicht das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe übersteigen darf. Die derzeitigen komplizierten Regelungen zum Mindestausmaß der Sicherheitsleistung, die im Übrigen auch bei einem Werklohn oder Überlassungsentgelt von unter EUR 5.000 die Möglichkeit zur Erlegung einer Sicherheitsleistung vorsehen, entfallen. An dieser Stelle sei festgehalten, dass sich die Sicherheitsleistung schon derzeit gemäß Abs. 3 nur auf den noch zu leistenden Werklohn oder auf das noch zu leistende Überlassungsentgelt bezieht, womit gegenüber dem/der Auftraggeber/in bzw. dem/der Überlasser/in sichergestellt ist, dass diese/r durch die Sicherheitsleistung auch bei bereits erfolgten Zahlungen an seinen/ihren Vertragspartner/in keine höheren Zahlungen als den ursprünglich vereinbarten Werklohn oder das ursprünglich vereinbarte Überlassungsentgelt vorzunehmen hat."

25 Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung dienen also der Sicherung des Strafverfahrens: Erschwernissen bei Strafverfolgung oder -vollzug soll dadurch begegnet werden, dass - in Ermangelung einer unmittelbar gegenüber dem einer Verwaltungsübertretung Verdächtigen einhebbaren vorläufigen Sicherheit nach § 7l AVRAG (gegenüber der die Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG subsidiär ist) - auf die Forderung des einer Verwaltungsübertretung verdächtigen Werkunternehmers gegenüber seinem Auftraggeber gegriffen werden kann. Durch die Ermöglichung eines seitens der kontrollierenden Organe zu verhängenden Zahlungsstopps wird die Effektivität des Sicherungsinstruments weiter erhöht, weil die "Sperrwirkung" verbotswidriger Zahlungen früher einsetzt: Entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlungen des Werkbestellers an den Werkunternehmer gelten im Verfahren nach Abs. 3 als "nicht geleistet", reduzieren also die Maximalhöhe der möglichen Sicherheitsleistung nicht. Die Sicherheitsleistung kann (grundsätzlich) den gesamten Werklohn erfassen, ist aber jedenfalls mit dem Höchstausmaß der angedrohten Geldstrafe begrenzt.

26 Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer normiert § 7m Abs. 5, dass die Überweisung nach Abs. 3, also der Erlag der auferlegten Sicherheitsleistung, im Ausmaß der Überweisung "schuldbefreiend" wirkt.

27 Die damit insoweit verbundene Sicherung der Rechtsposition des Werkbestellers (also des Auftraggebers, dem der Erlag einer Sicherheitsleistung auferlegt wurde), wird in den zitierten Materialien auch bei den Erläuterungen zur Begrenzung der Sicherheitsleistung mit dem "noch zu leistenden Werklohn" angesprochen: Es solle dadurch "sichergestellt" werden, dass der Auftraggeber "keine höheren Zahlungen als den ursprünglich vereinbarten Werklohn" zu leisten habe.

28 § 7m AVRAG greift also in die Rechtsstellung des Auftraggebers (als Vertragspartner des einer Verwaltungsübertretung verdächtigen Werkunternehmers) insofern ein, als ihm mit Verhängung des Zahlungsstopps bei sonstiger Unwirksamkeit verboten wird, weitere Zahlungen an seinen Vertragspartner zu leisten. In Erfüllung eines Auftrags zum Erlag einer Sicherheitsleistung getätigte Zahlungen an die Behörde wirken - vergleichbar mit Zahlungen nach § 67a Abs. 4 ASVG bzw. § 82a Abs. 4 EStG 1988 - schuldbefreiend im Verhältnis zum Werkunternehmer.

29 Weitergehende Einschränkungen der Privatautonomie, im Besonderen der (zivilrechtlichen) Verfügungsmöglichkeit des Auftraggebers des mit dem Werkunternehmer geschlossenen Werkvertrags, enthält das AVRAG aber nicht: Insbesondere verhindert es nicht, dass der Auftraggeber etwa in Ausübung zivilrechtlicher Gestaltungsrechte wegen bestehender Mängel oder wegen Verzugs Wandlung bzw. Rücktritt erklärt, Preisminderungsansprüche geltend macht oder den Vertrag wegen Irrtums oder Täuschung anficht. Reduziert eine derartige einseitige Erklärung des Auftraggebers bzw. eine daran geknüpfte einvernehmliche Vertragsänderung oder -auflösung den Anspruch auf (restlichen) Werklohn, ist dies - auch wenn es nach Verhängung des Zahlungsstopps erfolgt ist - im Verfahren nach § 7m Abs. 3 AVRAG, das auf Erlag (höchstens) des "noch zu leistenden Werklohn(s)" gerichtet ist, zu beachten.

30 Dieses Ergebnis stimmt im Übrigen mit dem Grundsatz überein, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts sind also zu berücksichtigen (vgl. nur etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Zl. Ro 2015/03/0032, mwN).

31 Die gegenteilige, offenbar von der Revisionswerberin vertretene Sichtweise führte zudem zu einem überschießenden, weil über die durch § 7m AVRAG gesteckten Grenzen hinausgehenden Ergebnis: § 7m AVRAG begrenzt die Sicherheitsleistung, die nicht (primär) als Sanktion gegen den Auftraggeber konzipiert ist, mit dem zu leistenden Werklohn. Nicht von ungefähr verpflichtet Abs. 6 den Auftraggeber zur Bekanntgabe von "Höhe und Fälligkeit des Werklohnes" an die Bezirksverwaltungsbehörde, die für den Erlag der Sicherheitsleistung entsprechend Abs. 3 eine "angemessene(n) Frist" festzulegen hat. Der Auftraggeber soll also davor geschützt werden, mehr zahlen zu müssen als er auf Grund des Werkvertrags schuldet.

32 Das Gesetz ordnet (in § 7m Abs. 1 fünfter Satz AVRAG) zwar an, dass entgegen dem Zahlungsstopp geleistete Zahlungen auf den Werklohnanspruch des Werkbestellers im Verfahren nach Abs. 3 als nicht geleistet gelten, also einem Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nicht entgegen gehalten werden können. Ihm ist aber kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass darüber hinaus andere die Höhe des Werklohnanspruchs des Werkunternehmers beeinflussende Parameter nicht zu berücksichtigen wären.

33 Auch beim Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung nach § 7m AVRAG wird letztlich (mittelbar) auf einen Vermögenswert des Verdächtigen zugegriffen, nämlich auf eine Forderung gegen seinen Vertragspartner. Besteht im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über einen Auftrag nach Abs. 3 keine solche Forderung, besteht - abgesehen vom Fall der trotz Zahlungsstopps geleisteten Zahlungen - auch deshalb kein Raum für einen Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2016, G 283/2016).

34 Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin hatte das Verwaltungsgericht daher darauf Bedacht zu nehmen, dass - nach Verhängung des Zahlungsstopps und nach Erlassung des behördlichen, die Mitbeteiligten zum Erlag einer Sicherheitsleistung verpflichtenden Bescheids - der zwischen den Vertragspartnern geschlossene und noch nicht vollständig erfüllte Werkvertrag einvernehmlich aufgelöst wurde, was zum Entfall des Werklohnanspruchs der P geführt hat. Dass entgegen der getroffenen Feststellung auf den Werklohnanspruch nicht verzichtet wurde, wird in der Revision nicht einmal behauptet. Die Aufhebung des behördlichen Bescheids entspricht daher dem Gesetz.

35 Die Revision war deshalb, weil ihr Inhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. April 2017

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