VwGH Ra 2018/04/0007

VwGHRa 2018/04/000718.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der S GmbH in S, (im Einbringungszeitpunkt) vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. Oktober 2017, Zl. 405-5/27/1/43-2017, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde R;

2. K GmbH & Co KG in E, vertreten durch Dr. Anika Loskot, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006 §123
BVergG 2006 §129
BVergG 2006 §78
BVergG 2006 §79

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018040007.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte im Jahr 2015 ein nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit dem Auftragsgegenstand Elektroinstallationsarbeiten für den Zu- und Umbau eines Schulzentrums durch. Sowohl die Revisionswerberin als auch die zweitmitbeteiligte Partei legten ein Angebot.

2 Am 26. Juni 2015 erging die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin zugunsten der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin).

3 Mit Nachprüfungsantrag vom 2. Juli 2015 begehrte die im Verfahren an zweiter Stelle gereihte Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung.

4 Mit Erkenntnis vom 31. Juli 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg den Nachprüfungsantrag ab. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. November 2016, Ra 2015/04/0084, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In der Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof - soweit hier von Relevanz - aus, die Revisionswerberin habe im Zusammenhang mit der fehlenden Zertifizierung der von der Zuschlagsempfängerin angebotenen Photovoltaikmodule auf Punkt 6 der ständigen Vorbemerkung der Leistungsbeschreibung verwiesen, dem zufolge die verwendeten Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme alle für den projektspezifischen Verwendungszweck erforderlichen Zulassungen oder CE-Kennzeichen hätten. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage der Auswirkung einer fehlenden Zertifizierung auf die Ausschreibungskonformität des Angebotes befasst. Für die Beurteilung der Ausschreibungskonformität des Angebotes der Zuschlagsempfängerin sei jedoch eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung der bezogenen Ausschreibungsbestimmung - insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Zulassungen vorliegen müssen - geboten gewesen, zumal das Verwaltungsgericht selbst von einer noch nicht vorliegenden Zertifizierung des in Rede stehenden Produktes ausgehe.

5 2. Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 3. Jänner 2017 begehrte die Revisionswerberin nunmehr die Feststellung, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren "Schulzentrum R" durch die Auftraggeberin wegen Verstößen gegen das BVergG 2006 bzw. gegen das Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 (S.VKG 2007) nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis bzw. dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden und damit rechtswidrig sei. Zur Begründung wurde vorgebracht, das Angebot der Zuschlagsempfängerin sei auszuscheiden gewesen, weil dieses entgegen den Ausschreibungsunterlagen nicht die geforderten rahmenlosen Photovoltaikmodule enthalten habe, sondern vielmehr nicht zertifizierte, nicht "CE-gelabelte" Module eines chinesischen Herstellers. Dieses Produkt würde den Punkten 3, 4 und 6 der Leistungsbeschreibung nicht entsprechen und sei daher nicht ausschreibungskonform.

6 3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) den Feststellungsantrag und den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren ab (Spruchpunkte I. und II.). Die Revision erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

7 3.2. Nach Darstellung des Verfahrensverlaufs traf das Verwaltungsgericht unter anderem die Feststellung, unter Punkt 6 der ständigen Vorbemerkung der Leistungsbeschreibung "Zulassungen" sei Folgendes geregelt: "Alle verwendeten Materialien/Erzeugnisse/T ypen/Systeme haben alle für den projektspezifischen Verwendungszweck erforderlichen Zulassungen oder CE-Kennzeichen."

Die Zuschlagsempfängerin habe rahmenlose Solarpaneele eines bestimmt bezeichneten Herstellers angeboten, wobei die Lieferfähigkeit der Module durch die Vorlage von Datenblättern nachgewiesen worden sei. Das überarbeitete Modell habe ein Prüfzeichen des TÜV Süd Product Service vom 3. Juni 2016 und die geforderte CE-Kennzeichnung aufgewiesen. Es sei zum Leistungszeitpunkt lieferbar gewesen.

8 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, die Festlegung in Punkt 6 der ständigen Vorbemerkungen der Leistungsbeschreibung beziehe sich wegen der Wortwahl "für den projektspezifischen Verwendungszweck" erkennbar auf den Verwendungszeitpunkt im Jahr 2017, nicht auf den Angebotszeitpunkt. Diese Auslegung sei auch in Hinblick auf den Zeitraum zwischen Angebotslegung und Leistungszeitpunkt geboten, weil sonst die Solarpaneele zum Zeitpunkt der Verwendung aufgrund von Produktvariationen nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprechen könnten. Die von der Auftraggeberin gewählte Formulierung lasse nur den Schluss zu, dass die erforderlichen Zulassungen bzw. CE-Kennzeichnungen erst zum Verwendungszeitpunkt vorliegen müssten. Dafür spreche ebenso der Umstand, dass aufgrund der niedrigen Spannung eines einzelnen Solarpaneels erst im Falle der Reihenschaltung eine CE-Kennzeichnung erforderlich sei. Wegen der laufenden technischen und qualitativen Weiterentwicklung der Paneele erscheine auch die bloße Nennung des Herstellers zulässig. Das von der Zuschlagsempfängerin letztlich genannte Produkt sei zum Leistungszeitpunkt verfügbar gewesen und habe über die erforderliche CE-Zertifizierung verfügt. Eine TÜV-Zertifizierung sei seitens der Auftraggeberin nicht verlangt worden. 9 Aus diesen Gründen könne es der Auftraggeberin nicht zur Last gelegt werden, dass sie das Angebot der Zuschlagsempfängerin nicht ausgeschieden habe. Der Feststellungsantrag erweise sich daher als unbegründet. Demzufolge scheide ein Ersatz der Pauschalgebühren aus.

10 Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

11 4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 5.2. Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, das Verwaltungsgericht weiche mit seiner Rechtsansicht, dass es ausreichend sei, wenn in einem Angebot für Photovoltaikprodukte nur der Hersteller genannt und eine zukünftige Lieferbarkeit bestätigt werde, ohne dass die Lieferbarkeit und die CE-Zertifizierung jeweils auch zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe gegeben sein müsse, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, wonach der zu beurteilende Zeitpunkt der Lieferbarkeit und der Zertifizierung das Ende der Angebotsfrist sei.

16 5.3. Die Prüfung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes stellt stets eine im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung dar. Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Mangel aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa VwGH 23.11.2016, Ra 2015/04/0084, mwN).

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 26.06.2018, Ra 2016/04/0049, mwN).

18 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen in Zusammenhang mit den insofern unbestrittenen Feststellungen betreffend die im Rahmen des Vergabeverfahrens erfolgte Vorgehensweise der Revisionswerberin in nicht unvertretbarer Auslegung darauf geschlossen, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin der in den Ausschreibungsbedingungen geforderten Leistungsbeschreibung entsprochen hat und daher der von der Revisionswerberin vorgebrachte Ausscheidensgrund nicht verwirklicht gewesen sei. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Revision nicht auf.

19 5.4. Insofern die Revision ihre Zulässigkeit mit dem Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von näher genannter hg. Rechtsprechung zu begründen versucht, ist dem Folgendes zu entgegnen: Das von der Revision angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. September 2008, Zl. 2007/04/0017, behandelt nicht die Frage der Ausschreibungskonformität des Angebots, sondern den Nachweis der Eignungskriterien. Insofern die Revision ihre Argumentation auf das Erkenntnis vom 1. März 2005, Zl. 2002/04/0036, stützen möchte, ist ein Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall nicht ersichtlich, weil dort das in der Ausschreibung vorgegebene System der Angebotsbeurteilung als solches qualifiziert wurde, das es unmöglich mache, den Bestbieter in einer gesetzeskonformen Art und Weise zu ermitteln. Das von der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. April 2016, Ra 2015/04/0018, behandelt im Kern die Gleichwertigkeit von Zertifizierungen und trifft zu der verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage keine Aussage.

20 Die von der Revision ins Treffen geführten Judikate vermögen daher eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu begründen.

21 5.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

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